Business Process Reengineering (BPR): Definition, Beispiele und konkrete Maßnahmen

Von Sabine Genau
Aktualisiert am 05.01.2024 | Lesezeit ca. Min.

Manchmal sind im Leben harte Schnitte notwendig. Das gilt auch für den Geschäftsbereich. Unfreiwilliger Stillstand oder neue Herausforderungen wie die Digitalisierung zwingen Unternehmen, organisatorische Unternehmensprozesse neu zu überdenken. Wer auf Dauer erfolgreich sein will, muss in der Lage sein, Probleme zu erkennen und bestenfalls in Chancen umzuwandeln. Dabei kann dem Unternehmer das sogenannte Business Process Reengineering helfen.

Die Prozessmethode stammt aus dem Renewing bzw. dem Lean Management und dient dazu, sämtliche Unternehmensprozesse zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren, auszulagern oder ganz aufzugeben. Es handelt sich bei dem BPR also um eine radikale Form der Umorganisation und Restrukturierung. Gerät ein Unternehmen in Schieflage, müssen mitunter harte und ganzheitliche Maßnahmen getroffen werden, um beispielsweise eine drohende Insolvenz abzuwenden.

Mithilfe des BPR erkennt der Unternehmer, an welcher Stelle seiner Geschäftsprozesse Handlungsbedarf besteht. Im Fokus der Prüfungen stehen die Kundenanforderungen, der Kostenfaktor und die Qualität. Bei der Prozessoptimierung können heute zahlreiche Tools eingesetzt werden, die beispielsweise ganzheitliche Analysen und Reports zu kritischen Vorgängen liefern. Die passende Softwareunterstützung beschleunigt das Projekt Business Process Reengineering.

Hier erfährst du, was das BPR ist, wann und wie man es einsetzt. Mit unserem Praxisbeispiel zeigen wir dir, wem diese Methode nützt und wie man ein Unternehmen zurück auf den Erfolgsweg führen kann.

Wie funktioniert das BPR?

Das BPR (Abkürzung für: Business Process Reengineering) wird manchmal auch als eine ‚Radikalkur für das Unternehmen‘ bezeichnet. Diese Umschreibung trifft das Projekt ziemlich genau. Denn in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind hin und wieder harte Maßnahmen erforderlich, um die Erfolgskurve wieder nach oben auszurichten.

Zunächst werden alle Geschäftsprozesse einer grundlegenden Prüfung unterzogen. Wo nötig, werden Prozesse neu organisiert und optimiert. Dabei geht es weniger um strukturelle Anpassungen, sondern um eine komplette Neugestaltung – eine Radikalkur eben. Mithilfe von geeigneten IT-Lösungen können kritische Geschäftsprozesse identifiziert und umgestaltet werden.

Elemente des BPR sind unter anderem:

  • Restrukturierung der Managementrichtlinien
  • Projektmanagementverfahren
  • Testtechniken zur Analyse vorhandener Systeme
  • Entwurf neuer Prozesse
  • Simulieren neuer Designs
  • Implementierung prozessorientierter Einstellungsänderungen

Die Ursprünge des BPR

Das Business Process Reengineering entstand in den 1980er und 1990er Jahren.

1990 veröffentlichten Michael Hammer und James Champy einen bedeutenden Artikel in der Harvard Business Review mit dem Titel Reengineering Work: Don't Automate, Obliterate. In ihrem Artikel führten Hammer und Champy als erstes konkrete Leitprinzipien für die organisatorische Neugestaltung von Unternehmen vor. Noch im gleichen Jahr wurde eine ähnliche Idee von Thomas Davenport und John Short in einem fachwissenschaftlichen Journal vorgestellt. Der von Hammer eingeführte Begriff des Reengineerings wurde von Davenport dabei mit dem Begriff Redesign konkretisiert und grundlegenden Ratschlägen für Unternehmer erweitert.

Softwarefirmen erkannten im BPR neue Geschäftsmöglichkeiten für sich und machten die Methode schnell bekannt. Über Nacht entstand daraus ein Milliardengeschäft. Mit wachsender Popularität wurden allerdings auch die kritischen Stimmen und Widerstände lauter. Denn so eine radikale Neustrukturierung birgt auch Risiken.

Kritiker prangern die Verwendung der BPR-Methode vor allem deswegen an, weil sie die dramatischen Auswirkungen einer Radikalkur auf die Menschen und die Unternehmenskultur vollkommen ignoriert. Die Technologie und das Ziel der Kostensenkung stünden dabei zu sehr im Mittelpunkt.

BPR in der praktischen Anwendung

In der praktischen Anwendung verläuft das BPR wie ein sequentieller Prozess. Die Basis dieses Fortlaufs bilden die vier R:

  • Renewing (Erneuerungen): Die Mitarbeiter sollen gezielter in die laufenden Prozesse eingebunden werden. Dafür sind entsprechende Schulungen notwendig, mit denen die Kompetenzen gefördert werden sollen.
  • Revitalizing (Belebungen): Dieser Schritt beinhaltet die Prozessanalyse mit anschließender Begutachtung und dem Revitalizing der Abläufe.
  • Reframing (Einstellungsänderungen): Aufgrund der Analysen und Bewertungen bestehender Prozesse werden nun eingefahrene und vorherrschenden Denkmuster aufgebrochen und ein grundlegendes Umdenken in die Wege geleitet.
  • Restructuring (Neugestaltungen): Die neu entwickelten Prozessansätze werden im letzten Schritt innerhalb des gesamten Unternehmens etabliert.
Die vier R des Business Process Reengineering (BRP)

BPR im Praxisbeispiel

Das bekannteste Beispiel für den erfolgreichen Einsatz der BPR-Methode ist das Unternehmen Kodak.

  • Kodak ist den Weg von der vertikalen zur horizontalen Organisation gegangen.
  • Die Schwarz-Weiß-Abteilung entwickelte sich von einer Budgetüberschreitung um 15 Prozent zu einer Unterschreitung von 15 Prozent.
  • Die Durchlaufzeit für einen Auftrag konnte von 42 auf 21 Tage minimiert werden.

Aus dem erfolgreichen BPR-Prozess entwickelte Kodak eine konkrete Prozessmethode, die bald darauf weltweit in allen Organisationen des Unternehmens zum Einsatz kam:

  1. Planung der Neustrukturierung und Festlegung von Regeln und Verfahren.
  2. Projektmanager bestimmen und Projektteams zusammenstellen, die ein Prozessmodell entwerfen.
  3. Durchführung der Umgestaltung und Aufstellung eines Plans für die Implementierung.
  4. Einbindung der umgestalteten Prozesse in die gesamte Organisation und Anpassung der Infrastruktur.
  5. Dieser Schritt läuft während des ganzen Projekts im Hintergrund ab. Er dient dazu, Hindernisse auszuräumen.

Warum Business Process Reengineering?

Wann kommt das BPR zum Einsatz und in welchher Situaition nützt es, sich Gedanken über ein Reframing zu machen? Nun, vorherrschende Denkmuster auf den Prüfstand zu stellen und die stetigen Optimierungen bestehender Geschäftsprozesse sind natürlich nie verkehrt. Aber die Methode findet meist dann ihre Anwendung, wenn das Unternehmen nicht mehr rund läuft. Wenn sich ein gordischer Knoten aus veralteten Prozessen gebildet hat, der nicht mehr so leicht aufzulösen ist.

In vielen Firmen existiert ein ganzes Sammelsurium solcher Prozesse und undurchsichtiger Strukturen. Das BPR ist hierfür die richtige Methode, um den scheinbar unauflöslichen Knoten zu durchschlagen.

Die Verknotung zeigt sich beispielsweise durch:

Solche Anzeichen sind Hinweise auf Optimierungsbedarf. Zeigen sich im Unternehmen mehrere dieser Indikatoren, ist es vielleicht an der Zeit für das BPR.

Vor- und Nachteile von Business Process Reengineering

Auch wenn sich BPR hervorragend zur Prozessoptimierung eignet, bringt diese Methode dennoch einige Nachteile mit sich. Das Verfahren ist nicht nur sehr radikal, sondern auch mit einem großem Aufwand verbunden. Der Einsatz will also wohlüberlegt sein.

Nach der Einführung des BPR gab es einen regelrechten Hype, mit der Zeit ist die Methode jedoch zunehmend in die Kritik geraten. Die Kritiker geben sanfteren beziehungsweise sukzessiven Verfahren den Vorzug, bei denen statt des Top-down-Ansatzes ein Bottom-up-Prozess zum Einsatz kommt.

Als Kritik wird auch angeführt, dass BPR-Projekte in einer erhobenen Umfrage in bis zu 70 Prozent der praktischen Beispiele scheitern. Dies liegt jedoch nicht hauptsächlich an der Prozessmethode selbst, sondern an der mangelhaften Durchführung. Wenn beispielsweise Widerstände innerhalb des Unternehmens nicht entsprechend ausgeräumt werden oder das Kommunikationsverhalten kontraproduktiv ist, kann ein Lean-Management-Vorhaben allzu leicht fehlschlagen. Deshalb ist eine akribische Planung äußerst wichtig, damit man die unterschiedlichen Vorteile des BPR zum Wohle des Unternehmens und zur Steigerung des Umsatzes gut nutzen kann.

Vorteile
Reduktion von Kosten und Durchlaufzeiten Überflüssige Prozesse werden eliminiert Behebung von Schnittstellenproblemen Bedarf an Verwaltungsebenen wird verringert Prozessorientierte Ausrichtung Informationsfluss wird beschleunigt Qualität wird verbessert Fragmentierung der Arbeit wird reduziert Mitarbeiter übernehmen Verantwortung Kundenorientierung wird gesteigert Neue Informations- und Kommunikationstechniken werden eingeführt Ganzheitliche Betrachtung der Prozesse
Nachteile
Strukturen müssen aufgebrochen werden Eventuell wird Personalabbau nötig Mitarbeiter misstrauen dem Verfahren und werden missmutig Langer Prozess, dessen Erfolg sich erst im fortgeschrittenen Stadium zeigt

Die einzelnen Schritte im BPR-Projekt

Ein BPR-Projekt muss immer mit einem fundierten Change-Management-Prozess einhergehen. Veränderung ist niemals leicht, weder für die Führungsebene noch für den Mitarbeiterstab. Deshalb ist es so wichtig, die einzelnen Schritte sorgfältig zu planen und durchzuführen.

  1. Visionen und Ziele: Was soll mit dem BPR-Projekt erreicht werden? Ist-Analyse und Zieldefinition zeigen den Weg zum Erfolg auf. Der Änderungsbedarf muss in diesem Rahmen klar definiert sein.
  2. Teambildung: Jeder Prozess braucht sein funktionsübergreifendes Team mit fest zugeteilten Kompetenzen für Analyse, Überwachung und Neugestaltung. Ein Senior-Level-Manager, der mit dem gesamten Prozess vertraut ist, leitet das Team. Mehrere Mitarbeiter mit Fachwissen aus allen relevanten Bereichen arbeiten mit ihm zusammen.
  3. Ist-Zustand analysieren: Zuerst gilt es, den jeweiligen Prozessablauf in seiner Bedeutung genau zu verstehen: Welche Prozesse sind besonders langwierig und umständlich? Wo gibt es Bottlenecks? Relevante Prozesse werden mithilfe von geeigneten Tools analysiert.
  4. Neugestaltung: Sind die Ineffizienzen ausgemacht, gilt es, die betroffenen Prozesse so umzugestalten, dass Ketten wieder geschlossen und Probleme gelöst werden können. Die neu gestalteten Prozesse werden implementiert und durch Testläufe überprüft. Dabei lässt sich feststellen, wie nah die Umgestaltung dem anvisierten Ziel kommt.
  5. Testszenario: Die Hypothese über den Ablauf der neu gestalteten Prozesse wird in einem übergeordneten Testszenario an einem ausgewählten Testfall überprüft. Dabei sollen sämtliche neuen und erweiterten Funktionen berücksichtigt werden. Jetzt zeigt sich erst, ob der neue Zustand tatsächlich die gesetzten Ziele erreicht und die Effizienz des ganzen Unternehmens steigern kann. Im Rahmen dieser Tests können noch Anpassungen vorgenommen werden.
  6. Implementierung: Hat sich herausgestellt, dass der neue Prozess besser funktioniert als der bisherige, kann die Umgestaltung unternehmensweit implementiert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass im entscheidenden Zeitpunkt alle notwendigen Ressourcen für die Einbindung zur Verfügung stehen.
  7. Erfolgsmessung: Hat die Implementierung den gewünschten Erfolg gebracht? Das lässt sich messen. Die vorher definierten KPIs werden dafür überprüft und ausgewertet.

Fazit

Die Digitalisierung stellt heutige Unternehmen vor ganz neue Herausforderungen. Um konkurrenzfähig zu bleiben und sich Wettbewerbsvorteile zu sichern, sieht sich so mancher Player gezwungen, radikale Veränderungen zu realisieren. Dadurch kommt dem BPR eine ganz neue Rolle zu. Denn innovative Automatisierungstools und technologische Möglichkeiten heben die Methode auf ein höheres Niveau. Das Praxisbeispiel Kodak zeigt, wie erfolgreich das BPR in der Vergangenheit sein konnte. Das Unternehmen hat daraus eine weltweite Optimierungsmethodik abgeleitet.

Heute kommen erweiterte Möglichkeiten hinzu, die das BPR in einem neuen technologischen Licht erscheinen lassen. Analyse, Testung, Implementierung und Erfolgsmessung haben dadurch ein neues Level erreicht. Die Methoden sind schneller und präziser geworden. So erscheint das BPR in ganz neuen Dimensionen.

FAQ

An dieser Stelle beantworten wir häufig gestellte Fragen zum Thema Business Process Reengineering (BPR).

Quellen:

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