Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl: So löst du Konflikte strategisch

Von Thomas Sesli, geprüft durch Melina Wandler (zertifizierte Lektorin)
Aktualisiert am 25.06.2024 | Lesezeit ca. Min.

Die häufigste Ursache für Konflikte am Arbeitsplatz sind laut einer österreichischen Umfrage Kommunikationsprobleme. Um diesen und weiteren Situationen mit Konfliktpotenzial erfolgreich begegnen zu können, beschäftigen wir uns in diesem Artikel mit den Eskalationsstufen nach dem österreichischen Konfliktforscher Friedrich Glasl.

Durch unsere eingehende Betrachtung von Glasls Eskalationsstufenmodell gewinnst du tiefere Einblicke in die Entstehung und Dynamik von Konflikten. Zudem geben wir dir wertvolle Tipps an die Hand, um solche Situationen strategisch zu lösen. Dabei konzentrieren wir uns insbesondere auf:

  • Die Ursachen von Konflikten
  • Das Ebenenmodell der Konfliktstufen von Glasl
  • Ansätze zur Entschärfung und Lösung von Konflikten

Lies weiter und finde heraus, wie du dieses Wissen in deinem beruflichen und privaten Umfeld effektiv einsetzen kannst!

Ursprung von Konflikten

Konflikte sind in Unternehmen auf unterschiedlichen Ebenen häufig anzutreffen. Um ein effektives Konfliktmanagement zu gewährleisten, ist es wichtig, die Entstehung von Konflikten zu verstehen.

Entstehung von Konflikten

Ob Meinungsverschiedenheiten oder verschiedene Interessenslagen – diverse Faktoren können einer Konfliktsituation zugrunde liegen:

  • Konkurrenzkampf im Arbeitsumfeld und begrenzte Ressourcen
  • Unzufriedenheit auf persönlicher Ebene oder durch Frustrationsmomente am Arbeitsplatz
  • Antipathien zwischen einzelnen Teammitgliedern oder ganzen Teams
  • Kommunikationsschwierigkeiten, die zu Missverständnissen beitragen
  • Interessensgegensätze und unterschiedliche Ziele innerhalb eines Projekts
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Lesetipp

Wie gutes Konfliktmanagement gelingen kann, liest du in diesem Artikel: Konfliktmanagement: Definition, Methoden und bewährte Strategien

Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl: Ein Überblick

Der renommierte österreichische Konfliktforscher und Organisationsberater Friedrich Glasl entwickelte 1980 das Eskalationsstufenmodell, um die Dynamik von Konflikten besser analysieren zu können. Dieses Modell, auch bekannt als Glasls Stufenmodell, veranschaulicht die unterschiedlichen Stufen der Konflikteskalation und lässt sich sowohl auf berufliche als auch private Konfliktsituationen anwenden.

Glasls Ebenenmodell und Konfliktstufen

Glasls in drei Ebenen und neun Konfliktstufen unterteiltes Phasenmodell ermöglicht eine systematische Vorgehensweise, um eskalierende Konflikte zu durchschauen und angemessen darauf zu reagieren. Das Eskalationsmodell unterstützt dabei, die jeweilige Konfliktebene und die damit zusammenhängenden Herausforderungen zu erfassen.

Die Stufen bauen aufeinander auf und verdeutlichen, wie sich Konflikte intensivieren können, wenn nicht zeitnah Lösungsstrategien entwickelt und umgesetzt werden:

Hauptebene 1 (Win-Win)

Noch gibt es einen sachlichen Austausch, der den Konfliktparteien ermöglicht, bei Meinungsverschiedenheiten einen positiven Ausgang zu erreichen.

Die drei Stufen auf Hauptebene 1 umfassen:

  • Verhärtung
  • Polarisation & Debatte
  • Taten statt Worte

Hauptebene 2 (Win-Lose)

Sachlich ist auf der Hauptebene 2 nichts mehr. Die Atmosphäre ist stark subjektiv, ggf. sogar destruktiv. Mit Hilfe von außen kann aber trotzdem noch eine Lösung gefunden werden. Typischerweise gibt es am Ende einen Gewinner und einen Verlierer.

Die drei Stufen auf Hauptebene 2 beinhalten:

  • Sorge ums Image
  • Gesichtsverlust
  • Drohstrategien

Hauptebene 3 (Lose-Lose)

Keine Rücksicht auf Verluste: Die dritte Phase ist geprägt von Verwerfungen und Verletzungen. Hier handelt niemand mehr mit einem klaren Kopf und es gibt kein Einlenken.

Die drei Stufen auf Hauptebene 3 sind:

  • Begrenzte Vernichtungsschläge
  • Zersplitterung
  • Gemeinsam in den Abgrund
Eskalationsstufen nach Friedrich Glasl: Stufenmodell (erstellt mit Pages+PowerPoint)

Die 9 Eskalationsstufen im Detail

Nachdem wir die drei Hauptebenen eines Konflikts nach Glasl betrachtet haben, gehen wir im Folgenden näher auf die zugehörigen Eskalationsstufen ein.

1. Verhärtung

Auf der ersten Stufe entstehen aufgrund von Spannungen und verschiedenen Standpunkten verhärtete Fronten zwischen den Konfliktparteien. Die Gegner versuchen zunehmend, ihre eigenen Ansichten abzugrenzen und zu untermauern. Hier ist es noch möglich, durch wertfreien Austausch und Reflexion zur Deeskalation beizutragen, bevor sich die Situation weiter verschärft.

2. Polarisation & Debatte

Die zweite Stufe ist geprägt von Debatten und einer Verhärtung der Fronten. Hier entwickeln die Konfliktparteien Argumentationsstrategien und vertreten ihre Ansichten noch vehementer. Trotz der zunehmenden Konfliktintensität besteht noch die Chance, sich zu besinnen und eine konstruktive Lösung anzustreben.

3. Taten statt Worte

In der dritten Stufe gehen die Streitenden dazu über, ihre Positionen durch Handlungen statt durch Worte zu unterstreichen. Die Möglichkeiten des Dialogs nehmen ab. Meist wird gar nicht mehr direkt gesprochen und die Gegenpartei bewusst ignoriert.

4. Sorge um Image

Auf der vierten Eskalationsstufe rücken das Image und die Reputation der Konfliktparteien in den Vordergrund. Beide Parteien suchen Unterstützung bei Verbündeten und bilden Koalitionen, um den Konfliktpartner öffentlich zu denunzieren und dadurch selbst Oberwasser zu gewinnen.

5. Gesichtsverlust

Auf der fünften Stufe kommt es zu direkten persönlichen Angriffen und Verunglimpfungen. Diese zielen darauf ab, einen Gesichtsverlust des Gegners herbeizuführen. Es wird mit Unterstellungen und Infragestellen der moralischen Glaubwürdigkeit für den eigenen Sieg gekämpft.

6. Drohstrategien

Die sechste Stufe ist geprägt von Drohstrategien und Machtdemonstrationen. Die Konfliktparteien nutzen subtile oder offene Drohungen, um die Gegenseite zu bestrafen, unter Druck zu setzen und zur Aufgabe zu zwingen. In diesem Stadium verhärten sich die Positionen noch stärker.

7. Begrenzte Vernichtungsschläge

Angekommen auf der siebten Stufe geht es nur noch darum, den Konflikt selbst zu gewinnen. Dafür setzen die Konfliktparteien alles daran, um dem Gegner Schaden zuzufügen. Dabei wird sogar ein eigener Nachteil in Kauf genommen, sofern der Schaden des Gegners größer ist. Die eigentliche Ursache des Konflikts steht längst nicht mehr im Fokus.

8. Zersplitterung

Auf der achten Eskalationsstufe versuchen die Parteien, das gegnerische System zu zersplittern und zu zerstören. Das heißt, sie zielen auch auf Familie und Unterstützer des Kontrahenten ab. Diese Stufe erreicht ein Konflikt dann, wenn die Parteien nicht mehr an einem positiven Ausgang interessiert sind, sondern geschlossen auf die Vernichtung des Gegners abzielen – unabhängig von den Folgen für sich selbst.

9. Gemeinsam in den Abgrund

Kein Weg führt mehr raus aus dem Teufelskreis, der Konflikt ist eskaliert und außer Kontrolle geraten. Die letzte, neunte Stufe ist von totaler Konfrontation und Selbstvernichtung geprägt: Beide Parteien gehen gemeinsam in den Abgrund – ohne Rücksicht auf Verluste. Sie befinden sich nun im "Rosenkrieg", in dem sie alles verlieren können.

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Lesetipp

Entschärfung und Lösung von Konflikten

Deeskalationsstrategien nach Glasl

Glasls Eskalationsmodell unterstreicht die Wichtigkeit eines wirkungsvollen Konfliktmanagements. Glasl schlägt verschiedene Lösungsstrategien zur Deeskalation vor, die je nach Eskalationsstufe in unterschiedlichen Maßnahmen münden.

  • Stufe 1 bis 3: Moderation und Coaching – Fokussierung auf die Selbststeuerung und die Verbesserung der Selbstbeherrschung
  • Stufe 3 bis 5: Externe Prozessbegleitung und Vermittlung – Konfliktbewältigung durch konstruktiven Austausch zwischen den Streitenden
  • Stufe 4 bis 6: Externe soziotherapeutische Maßnahmen – Implementierung von Gegenmaßnahmen, die die Konfliktdynamik stoppen
  • Stufe 5 bis 7: Professionelle Vermittlung und Mediation – Unterstützung und Vermittlung durch spezialisierte Mediatoren zur Findung von Kompromissen
  • Stufe 6 bis 8: Freiwilliges oder verpflichtendes Schiedsverfahren bzw. gerichtliches Verfahren – Klärung von rechtlichen Fragen und Erarbeitung von Lösungen
  • Stufe 7 bis 9: Machteingriff von oben – Beendigung des Streits durch eine befugte, in der Hierarchieebene höhergestellte Person, zum Beispiel einen Vorgesetzten
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Lesetipp

Wie gute Konfliktgespräche gelingen können, erfährst du hier: Konfliktgespräche führen: Ein Leitfaden für Führungskräfte

Glasl betonte zudem, dass Mut entscheidend ist, um einem Konflikt eine positive Wendung geben zu können. Ein aktives Gegensteuern ist in jedem Fall ist vonnöten, um zielorientierte Lösungsansätze zu finden.

Eskalationsstufen: 4 Tipps für erfolgreiches Konfliktmanagement
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Kommunikationstechniken

Diverse Kommunikationstechniken eignen sich zur Entschärfung von Konflikten. Hierzu zählen aktives Zuhören, das Verwenden von Ich-Botschaften oder das Reflektieren der eigenen Bedürfnisse und Emotionen. Solche Methoden erleichtern das gegenseitige Verständnis und begleiten die Konfliktgegner auf dem Weg zu einer gemeinsamen Lösungsfindung.

Agile Retrospektiven zur Prävention

Um zukünftigen Konflikten vorzubeugen, kann eine kontinuierliche Präventionsarbeit notwendig sein. Agile Retrospektiven stellen hier einen wirksamen Ansatz dar, da sie dazu beitragen, Konflikte frühzeitig zu erkennen und anzusprechen, bevor sie eskalieren. In Retrospektiven identifizieren alle Beteiligten gemeinsam Barrieren, entwickeln Lösungen und streben fortlaufende Verbesserungen an.

Externe Unterstützung: Coaching, Mediation und Schiedsverfahren

Manchmal ist externe Unterstützung unerlässlich, um Konflikte erfolgreich zu lösen. Verschiedene Professionen bieten hierbei ihre Expertise an:

  • Coaches helfen den Beteiligten dabei, ihre Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern, ihre Standpunkte klar zu kommunizieren und lösungsorientiert zu agieren.
  • Mediatoren bringen Neutralität in den Prozess, präsentieren alternative Lösungsmöglichkeiten und unterstützen die Konfliktparteien darin, eine für alle akzeptable Lösung zu erarbeiten.
  • Schiedsverfahren und gerichtliche Verfahren kommen zum Einsatz, wenn eine eigenständige Einigung scheitert und eine rechtliche Klärung unabdingbar ist.

Fazit: Strategische Konfliktlösung mit Glasls Eskalationsmodell

Glasls Eskalationsstufenmodell bietet wertvolle Einsichten in die Dynamik und Entwicklung von Konflikten, um effektive Lösungswege aufzuzeigen. Die insgesamt neun Stufen befähigen Akteure dazu, unterschiedliche Phasen der Konflikteskalation zu verstehen und zielführendes Konfliktmanagement zu betreiben.

Wir empfehlen dir, dich bei Auseinandersetzungen oder Meinungsverschiedenheiten an Glasls Eskalationsmodell zu orientieren. Nutze die gewonnenen Erkenntnisse, um Konflikte frühzeitig zu erkennen und mit geeigneten Strategien und Lösungsansätzen konstruktiv und zielführend zu bewältigen.

FAQ

Nachfolgend sind die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengefasst.

Quellen:

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