Fachwirt im E-Commerce – wie werde ich das?

Von Inka Erdwiens
Aktualisiert am 12.03.2024 | Lesezeit ca. Min.

Seit dem 01.08.2018 haben knapp 5.000 Azubis ihre Ausbildung zum Kaufmann bzw. zur Kauffrau im E-Commerce angefangen, die ersten haben bereits ihren Abschluss in der Tasche. Für die Kaufleute im E-Commerce bietet die Fortbildung zum Fachwirt im E-Commerce (IHK) eine ideale Möglichkeit, ihr Fachwissen zu vertiefen und auszubauen. So lassen sich Fachkräfte im eigenen Haus ausbilden

Aber was ist mit den vielen Quereinsteigern, die bereits im E-Commerce arbeiten, aber ursprünglich aus ganz anderen Berufsgebieten kommen? In den meisten Fällen haben sich die Kollegen erfolgreich in ihre Arbeitsbereiche eingearbeitet. Der Shop wird durch sie betreut, SEO und SEA sind keine Fremdwörter und die meisten Themen im Online-Marketing werden bespielt. Nicht selten werden auch Teams von ihnen betreut und das Thema Personalverantwortung spielt eine nicht unerhebliche Rolle.

Zwei Szenarien lassen sich immer wieder beobachten:

  1. Der Mitarbeitende möchte sich verändern, hat aber trotz jahrelanger Berufserfahrung keinen Abschluss auf dem Papier und das ist in Deutschland – nach wie vor – nicht gerne gesehen.
  2. Der Mitarbeitende möchte sich verändern und hinterlässt eine spürbare Lücke im Unternehmen.

Die Lösung dafür heißt: Fachwirt im E-Commerce. Entweder bilde ich mich selbst weiter, um mein Fachwissen zu erweitern und zu festigen, oder ich binde meine Mitarbeitenden durch eine qualifizierte Fortbildung an mein Unternehmen oder bilde den Nachfolger selbst weiter.

Im Herbst 2021 werden die ersten Prüfungen zum Fachwirt im E-Commerce vor der IHK absolviert. Im Herbst 2020 sind die ersten Vorbereitungskurse gestartet. Verschiedene Bildungsanbieter haben unterschiedliche Durchführungsvarianten im Portfolio. Jeder muss selbst entscheiden, was zum eigenen Lebensstil passt. Möchte ich eher im Präsenzunterricht sitzen oder lieber online geschult werden? Am Abend oder im Kompaktseminar? Das Angebot ist groß. Aber fangen wir von vorne an:

Welche Branchen setzen den Fachwirt im E-Commerce ein? Hier muss man ja schon fast fragen: Welche Branche macht das nicht? Gerade die Corona-Zeit hat vielen gezeigt, wie wichtig es ist, online gut aufgestellt zu sein.

Es reicht nicht aus, eine digitale Visitenkarte im Netz zu hinterlegen, stattdessen muss der Online-Vertriebskanal sinnvoll bespielt werden. Betrachten wir kurz die wichtigsten Einsatzgebiete für Fachwirte im E-Commerce:

  • Unternehmen des Einzel-, Groß- und Außenhandels, die Online-Shops betreiben
  • Herstellerbetriebe, die ihre Produkte online vertreiben
  • Internetversandhandel bei reinen Online-Shops
  • Touristikunternehmen, die Reisen und Flüge online verkaufen
  • Logistik- und Mobilitätsdienstleistungsbetriebe, z. B. Speditionen, Transportunternehmen, Verkehrsbetriebe, die Leistungen online verkaufen

Viel wichtiger ist es allerdings, den Fachwirt im E-Commerce genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich stelle daher die Fortbildung an dieser Stelle umfassend vor:

1. Zulassungsvoraussetzungen

Die Fortbildung richtet sich an Mitarbeitende mit Berufserfahrung im E-Commerce. Eine der folgenden Zulassungsvoraussetzungen muss vorliegen.

  • Eine erfolgreich abgelegte Abschlussprüfung in einem anerkannten kaufmännisch-verwaltenden, dreijährigen Ausbildungsberuf und eine auf die Berufsausbildung folgende, mindestens einjährige Berufspraxis im Bereich E-Commerce oder
  • eine erfolgreich abgelegte Abschlussprüfung in einem anderen anerkannten Ausbildungsberuf und eine auf die Berufsausbildung folgende, mindestens zweijährige Berufspraxis im Bereich E-Commerce oder
  • mindestens 90 ECTS-Punkte in einem betriebswirtschaftlichen Studium und eine mindestens zweijährige Berufspraxis im Bereich E-Commerce oder
  • eine mindestens fünfjährige Berufspraxis im Bereich E-Commerce.
Fachwirt E-Commerce Screenshot

2. Übersicht der Lerninhalte der Fortbildung Fachwirt im E-Commerce1

Handlungsbereich 1: Entwickeln von Strategien für den E-Commerce

  1. Ableiten von Strategien aus Unternehmenszielen
  2. Auswerten von Markt- und Zielgruppenanalysen
  3. Bewerten nationaler und internationaler Vertriebsmärkte
  4. Prüfen technologischer und marktgebundener Entwicklungen auf Chancen und Risiken für bestehende und neue Geschäftsmodelle
  5. Auswählen von zielgruppengerechten Geschäftsmodellen und von dafür geeigneten Vertriebswegen
  6. Entscheiden über die Sortimentsstruktur und Festlegen des Waren- oder Dienstleistungssortiments
  7. Bewerten von intern oder extern erstellten Leistungsvergleichen von technischen Systemen für den E-Commerce hinsichtlich Zweckmäßigkeit und Zukunftssicherheit
  8. Entwickeln zielgruppengerechter Marketingstrategien
  9. Festlegen von Kommunikationskanälen sowie von kundenorientierten Kommunikationsregeln
  10. Anwenden von Innovationsmanagement

Handlungsbereich 2: Gestalten von Prozessen im E-Commerce

  1. Ableiten von Prozessen aus der Strategie für den E-Commerce, insbesondere aus der Marketing-, Sortiments- und Vertriebsstrategie im In- und Ausland
  2. Formulieren von organisatorischen und technischen Anforderungen in Abstimmung mit internen und externen Partnern
  3. Ausgestalten von Prozessen im E-Commerce, Ermitteln und Bewerten von Kosten und Risiken, Ableiten und Kontrollieren von Maßnahmen
  4. Steuern der Prozesse im E-Commerce, insbesondere von Marketing-, Sortiments- und Vertriebsprozessen
  5. Gestalten von Prozessen der Vertragsanbahnung und des Vertragsabschlusses

Handlungsbereich 3: Analysieren und Weiterentwickeln von Prozessen im E-Commerce

  1. Planen eines internen Kontrollsystems für Prozesse im E-Commerce
  2. Durchführen betriebswirtschaftlicher Auswertungen für die Aktivitäten im E-Commerce
  3. Auswählen von softwaregestützten Analysesystemen für Prozesse im E-Commerce und Veranlassen des Einsatzes dieser Analysesysteme
  4. Analysieren der bestehenden Situation, Vergleichen mit den strategischen Zielen, Ableiten und Steuern von operativen Maßnahmen
  5. Auswählen von Maßnahmen zur Ermittlung und Verbesserung der Nutzererfahrung sowie der Conversion Rate
  6. Bewerten der Analyseergebnisse der Customer Journey über unterschiedliche Werbe- und Vertriebskanäle, Ableiten von Schlussfolgerungen

Handlungsbereich 4: Sicherstellen der Kommunikation und Zusammenarbeit mit internen und externen Partnern sowie Führen von internen und externen Partnern

  1. Situationsgerechtes Kommunizieren mit internen und externen Partnern, Präsentieren und Vertreten von Arbeitsergebnissen sowie zielgerichtetes Einsetzen von Präsentations- und Moderationstechniken
  2. Planen und Steuern des Personaleinsatzes, Mitwirken bei der Personalauswahl
  3. Anwenden von situationsgerechten Führungsmethoden
  4. Zusammenstellen von Projektgruppen, Leiten von Projekten unter Anwendung von Methoden des Projektmanagements
  5. Einsetzen von Methoden des Zeit- und des Selbstmanagements
  6. Planen und Durchführen der Berufsausbildung
  7. Fördern der beruflichen Entwicklung und Weiterbildung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen
  8. Umsetzen der Vorgaben des Arbeits- und des Gesundheitsschutzes

3. Finanzierung

Natürlich müssen die Kosten und ebenso auch die Zeit für eine Fortbildung eingerechnet werden. Aber so schlimm, wie es anfänglich scheint, ist es häufig gar nicht. Zum einen gibt es Fördermittel, die öffentlich beantragt werden können, und in Absprache mit dem Teilnehmenden und dem Arbeitgeber ist auch einiges umsetzbar. Das Wichtigste dazu in Kürze:

Aufstiegs-BAföG

Verschenke kein Geld! Bildung ist förderfähig. Du kannst bis zu 75 Prozent der Seminargebühren sparen. Hier findest du ein Beispiel vom Aufstiegs-BAföG:

Seminargebühren 4.800,00€
– Zuschuss von 50 % 2.400,00€
= über KFW-Darlehen zu finanzierende Summe 2.400,00€
– bei Bestehen der Prüfung werden 50 % des Darlehens erlassen 1.200,00€
= insgesamt selbst zu bezahlende Gebühren 1.200,00€
= Fördersumme 3.600,00€

Zusätzlich bieten einige Bundesländer einen Meisterbonus an, sodass man bei erfolgreichem Abschluss der Fortbildung noch 1.000 bis 2.000 Euro zusätzlich vom Bundesland geschenkt bekommt. Eine weitere Fördermöglichkeit für frisch ausgelernte und besonders erfolgreiche Auszubildende ist das Weiterbildungsstipendium der IHK.

Wie kann der Arbeitgeber die Fortbildung unterstützen?

  1. Der Arbeitgeber übernimmt alles: Kosten und Freistellung für die Fortbildung oder
  2. Der Arbeitgeber stellt für den Unterricht frei und übernimmt einen Teil der Kosten oder
  3. Der Arbeitgeber stellt nur für den Unterricht frei oder
  4. Der Arbeitgeber übernimmt einen Teil der Kosten

Warum sollte der Arbeitgeber bei der Fortbildung unterstützen?

  1. Weil Fachwissen ausgebaut wird und das Unternehmen weiter nach vorne gebracht werden kann
  2. Weil eine Fortbildung Motivation und Wertschätzung für den Mitarbeitenden mit sich bringt
  3. Weil eine Fortbildung die Mitarbeiterbindung stärkt
  4. Weil eine Fortbildung die Arbeitgebermarke stärkt

Was kann man als Privatperson zur Realisierung der Fortbildung tun?

  1. Bildungsurlaub bei evtl. Präsenzzeiten nehmen
  2. Kosten der Seminargebühren übernehmen, die bis zu 75 Prozent durch Aufstiegs-BAföG förderfähig sind
  3. Unbezahlten Urlaub für evtl. Seminarunterricht nehmen
  4. Verpflichten, für eine bestimmte Zeit dem Unternehmen treu zu bleiben und dafür vom Unternehmen gefördert werden

4. IHK-Prüfung

Auf dem Markt gibt es viele Zertifikate, Bescheinigungen und Urkunden für die unterschiedlichsten Online-Marketing-Themen. Bundeseinheitlich gültig und einheitlich ist nur der IHK-Abschluss zum Fachwirt im E-Commerce und damit auch deutschlandweit gleichermaßen anerkannt. Zusätzlich ist dieser Abschluss auf Stufe 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens angesiedelt und damit einem Bachelor-Studium gleichgesetzt.

Der Abschluss zum Fachwirt im E-Commerce eröffnet auch die Möglichkeit, danach den Betriebswirt (IHK) auf Master-Niveau zu absolvieren. Als Fachwirt im E-Commerce ist automatisch der schriftliche Teil der Ausbildereignungsprüfung bestanden und es muss nur noch die mündliche Prüfung abgelegt werden, um ausbilden zu dürfen.

Wenn die Vorbereitungsseminare durchlaufen sind und der Stoff sitzt, geht es zur IHK-Prüfung. Diese läuft wie folgt ab:

1. Zwei Situationsaufgaben à 300 Minuten

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An zwei aufeinander folgenden Tagen werden die beiden Prüfungen vor der IHK geschrieben. Anhand einer Unternehmensbeschreibung müssen geeignete Lösungen für das beschriebene Unternehmen entwickelt werden. Die reine Wiedergabe von Fachwissen reicht hier nicht aus, sondern nur die zielgerichtete Anwendung des Fachwissens auf das zugrundeliegende Unternehmen führt zum Bestehen.

2. Präsentation à 10 Minuten plus Fachgespräch à 20 min

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In der mündlichen Prüfung wird zuerst zu einem selbst gewählten Thema eine Präsentation gehalten. Ziel ist es, das erlernte Fachwissen auf ein Problem aus der beruflichen Praxis anzuwenden und eine Lösung zu präsentieren. Im anschließenden Fachgespräch hinterfragt der Prüfungsausschuss die Präsentation und das Fachwissen muss auf die vertiefenden Fragen der Prüfenden angewendet werden.

5. Aufgabengebiete

Offiziell heißt es in der IHK-Verordnung:

“Ein Fachwirt im E-Commerce muss in der Lage sein, insbesondere in Handels-, Industrie- und Dienstleistungsunternehmen eigenständig und verantwortlich Waren oder Dienstleistungen online zu vertreiben und dabei Multichannel-Vertriebswege einzubeziehen. Dazu gehört die Wahrnehmung von Aufgaben der Planung, Führung, Organisation, Steuerung, Durchführung und Kontrolle handels- und dienstleistungsspezifischer Aufgaben und Sachverhalte unter Nutzung betriebs- und personalwirtschaftlicher Instrumente. Dabei sollen unternehmerische Ziele umgesetzt sowie gesellschaftliche, volkswirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.“

Was genau heißt das? Der Nutzer hinterlässt im Internet Spuren. Alles lässt sich messen, nachverfolgen und analysieren. Im Schwerpunkt gehört es zu den Aufgaben der Fachwirte im E-Commerce, Statistiken und Analysen auszuwerten und entsprechende Prozesse zu entwickeln, damit der Nutzer den Weg zu Angeboten im Internet findet. Es werden Kampagnen erarbeitet, Ziele definiert und der Wettbewerb konstant im Auge behalten. Ein Fachwirt im E-Commerce muss den Markt stets überwachen, denn vor allem in der Online-Welt gibt es ständig neue Trends. Ob es sich lohnt, jeden Trend mitzumachen, gilt es, zu prüfen. Gerade dann, wenn ein Shop mitverwaltet wird, ist es wichtig für den Umsatz, das Sortiment weiterzuentwickeln.

Entscheidend ist es auch, im Austausch mit den Kunden und Lieferanten zu bleiben. Die Kommunikation, Führung und Zusammenarbeit mit internen und externen Partnern kann gar nicht gut genug sichergestellt sein. Als Fachwirt im E-Commerce ist es aber auch wichtig, Rechtsfragen im Online-Bereich zu kennen. Der Umgang mit Kundendaten will gelernt sein.

Zur erweiterten beruflichen Handlungsfähigkeit gehören im Einzelnen folgende Aufgaben, die ich als Stichwortübersicht zusammengefasst habe:

  1. Steuern und Weiterentwickeln des E-Commerce im Unternehmen
  2. Kalkulieren und Planen von nationalen und internationalen Geschäften
  3. Planen und Bewirtschaften des Waren- oder Dienstleistungssortiments
  4. Analysieren von Veränderungen des Kundenverhaltens, Beurteilen der Auswirkungen dieser Veränderungen, Entwickeln und Durchsetzen von Verbesserungsmaßnahmen
  5. Planen und Steuern von Marketingkonzepten
  6. Kooperieren mit Geschäftspartnern und internen Unternehmensbereichen, Gestalten einer kunden- und dienstleistungsorientierten Kommunikation
  7. Führen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und Fördern ihrer beruflichen Entwicklung
  8. Organisieren und Durchführen der Berufsausbildung
  9. Analysieren der Ablauforganisation, Ableiten von Veränderungsoptionen sowie Einleiten von Verbesserungsmaßnahmen
  10. Umsetzen des Qualitätsmanagements und Fördern der Nachhaltigkeit im E-Commerce

Mit Bestehen der IHK-Prüfung stehen viele Jobs zur Verfügung:

Fachwirt E-Commerce Screenshot

FAQ

An dieser Stelle möchten wir einige häufig gestellte Fragen zum Thema beantworten.

Quellen:

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