Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg: So geht empathisches Miteinander am Arbeitsplatz

Von Thomas Sesli, geprüft durch Juliane Becker (zertifiziert von Google)
Aktualisiert am 15.01.2025 | Lesezeit ca. Min.

34,7 Prozent der Befragten einer österreichischen Umfrage identifizieren Kommunikationsprobleme als Hauptursache für Konflikte am Arbeitsplatz. Was lässt sich dagegen tun?

Eine Lösung für Komplikationen bei der Kommunikation – sowohl am Arbeitsplatz als auch im Privatleben – ist auf jeden Fall: ein empathischeres Miteinander. Und hier kommt die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg ins Spiel.

In unserem Artikel erfährst du, wie du diese Methode erfolgreich einsetzen kannst und lernst praxisnahe Beispiele sowie Best Practices zum Thema kennen. Unter anderem:

  • Die Bedeutung von Empathie in der Kommunikation
  • Anleitung zur Umsetzung der Gewaltfreien Kommunikation
  • Übungen und Techniken zur Optimierung der Kommunikation

Können wir loslegen?

Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg

Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) oder auch Nonviolent Communication (NVC) ist ein von Marshall B. Rosenberg entwickeltes Handlungskonzept zur Verbesserung menschlicher Beziehungen.

Die Basis der GFK ist unter anderem die klientenzentrierte Psychotherapie von Carl Rogers. Zudem wurde die Entwicklung der GFK beeinflusst durch Mahatma Gandhis Konzept der Gewaltfreiheit (Ahimsa), das Gütekraft-Konzept von Martin Arnold und durch die Praktik der Mediation.

Dieses Video gibt dir in nur zwei Minuten einen guten Überblick über das Thema:

Die wichtigsten Prinzipien und Ziele

Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) basiert auf der Idee, menschliche Beziehungen durch einfühlsame und respektvolle Kommunikation zu stärken. Ein zentrales Prinzip ist die Förderung von gegenseitigem Verständnis und Verbindung, indem Konflikte und Missverständnisse ohne Schuldzuweisungen oder Vorwürfe bearbeitet werden. Ziel ist es, eine authentische und respektvolle Interaktion zu schaffen, die die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt.

Grundlegend für die GFK ist die Annahme, dass Menschen grundsätzlich bereit sind, anderen zu helfen, wenn die richtigen Bedingungen dafür gegeben sind. Folglich sieht Rosenberg Gewalt als tragisches Ergebnis unerfüllter Bedürfnisse.

Zusammengefasst strebt die Gewaltfreie Kommunikation an, Beziehungen durch Offenheit, Verständnis und gegenseitige Wertschätzung zu vertiefen und Konflikte auf eine Weise zu lösen, die auf Kooperation und Menschlichkeit basiert.

icon

Das CNVC: Die wichtigste Institution für Gewaltfreie Kommunikation

Das CNVC (Center for Nonviolent Communication) ist eine internationale Organisation, die sich der Verbreitung und Förderung der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) widmet. Es wurde von Marshall B. Rosenberg ins Leben gerufen und dient als zentrale Anlaufstelle für Menschen, die sich mit den Prinzipien und der Praxis der Gewaltfreien Kommunikation auseinandersetzen möchten.

Ein zentraler Aspekt des CNVC ist die Zertifizierung von Trainern, die sicherstellen soll, dass die Lehre der GFK konsistent und qualitativ hochwertig vermittelt wird. Diese Zertifizierung erfolgt nach einem intensiven Prozess, bei dem die Bewerber ihre Fähigkeiten in der GFK nachweisen und sich mit der Philosophie und den Werten des Ansatzes identifizieren.

Giraffensprache und Wolfssprache: Gewaltfreie vs. lebensentfremdende Kommunikation

Rosenberg unterscheidet in seinem Modell zwischen der Gewaltfreien Kommunikation (Giraffensprache) und der lebensentfremdenden Kommunikation (Wolfssprache). Letztere umfasst Kommunikationsformen, die Verbindungen blockieren und Gewalt fördern. Dazu zählen unter anderem

  • statische Sprache,
  • enge Verknüpfungen von Beobachtung und Bewertung sowie
  • das Stellen von Forderungen anstelle von Bitten.

Auch moralische Urteile, Vergleiche, das Leugnen von Verantwortung und das Stellen von Forderungen sind kennzeichnend für lebensentfremdende Kommunikation.

Giraffensprache vs. Wolfssprache: Veranschaulichung anhand einer konkreten Situation

Stellen wir uns zur Veranschaulichung die folgende Situation vor: Ein Teammitglied kommt wiederholt zu spät zu einem wichtigen Meeting.

Der Vorgesetzte könnte in Wolfssprache sagen:

„Du kommst immer zu spät! Das zeigt, dass dir dieses Team egal ist. Du bist total unzuverlässig!“

Diese Aussage ist geprägt von Schuldzuweisungen („Du kommst immer zu spät“), Verallgemeinerungen („immer“, „total unzuverlässig“) und Interpretationen der Motive („das zeigt, dass dir dieses Team egal ist“). Sie führt vermutlich zu Abwehr, Rechtfertigung oder Konflikten, weil das Gegenüber sich angegriffen fühlt.

Der Vorgesetzte könnte stattdessen in Giraffensprache sagen:

„Mir ist aufgefallen, dass du in den letzten drei Meetings später gekommen bist, als wir angefangen haben. Das hat mich frustriert, weil ich mir wünsche, dass wir pünktlich starten können und alle von Anfang an dabei sind. Könntest du mir sagen, ob es etwas gibt, das dich daran hindert, pünktlich zu sein?“

Hier wird zuerst eine wertfreie Beobachtung gemacht („in den letzten drei Meetings später gekommen“), dann das eigene Gefühl ausgedrückt („das hat mich frustriert“) und ein unerfülltes Bedürfnis benannt („Wunsch nach pünktlichem Start“). Schließlich wird eine klärende Bitte formuliert, um die Situation zu verstehen und eine Lösung zu finden. Diese Herangehensweise lädt das Gegenüber ein, ohne sich angegriffen zu fühlen, und fördert eine konstruktive Lösung.

Wie Giraffensprache und Wolfssprache ganz konkret aussehen können, zeigt auch dieses Video:

Die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation

Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Rosenberg fördert eine empathische und konstruktive Kommunikation, sowohl am Arbeitsplatz als auch im privaten Umfeld. Dabei spielen vier zentrale Schritte eine entscheidende Rolle:

  1. Beobachtung ohne Bewertung
  2. Gefühle ausdrücken
  3. Bedürfnisse erkennen und benennen
  4. Bitten formulieren und Dialog ermöglichen

Die vier Schritte der GFK helfen dabei, so zu kommunizieren, dass das Eskalationspotenzial auf ein Minimum reduziert wird. Rosenberg bringt diese Schritte wie folgt auf den Punkt:

Wenn ich A sehe, dann fühle ich B, weil ich C brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne D.

(A = Beobachtung - B = Gefühl - C = Bedürfnis - D = Bitte)

Beobachtung ohne Bewertung

Im ersten Schritt der GFK ist es wichtig, Situationen und Handlungen objektiv und ohne Bewertung oder Verurteilung wahrzunehmen. Dazu solltest du dich auf die tatsächlichen Ereignisse konzentrieren und sie so präzise wie möglich beschreiben. Dies verhindert, dass dein Gesprächspartner in die Defensive gedrängt wird und Konflikte unnötig eskalieren. Gleichzeitig hilft dir dieser Ansatz, Beobachtungen von eigenen Interpretationen und Wertungen zu unterscheiden.

Gefühle ausdrücken

Der zweite Schritt bezieht sich darauf, die eigenen Emotionen offen und ehrlich zu kommunizieren, welche aus den beobachteten Handlungen entstehen. Hierbei sollte der Fokus auf körperlich wahrnehmbaren Reaktionen liegen. Die Offenlegung der Gefühle trägt zu einem tieferen Verständnis und einer größeren Bereitschaft zur Empathie zwischen den Gesprächspartnern bei.

Bedürfnisse erkennen und benennen

Im dritten Schritt kommt es darauf an, seine eigenen Bedürfnisse zu identifizieren und verständlich zu benennen. Bedürfnisse sind universelle menschliche Anliegen, beispielsweise Sicherheit, Verständnis oder Anerkennung. Indem du deine Bedürfnisse offen kommunizierst und dabei auch die Bedürfnisse anderer respektierst, schaffst du einen stabilen Rahmen für den Austausch und das Auffinden gemeinsamer Lösungen.

Bitten formulieren und Dialog ermöglichen

Der vierte Schritt beinhaltet das Formulieren von Bitten und die Einleitung eines offenen Dialogs. Hierbei sollten die Bitten sich auf gegenwärtige Handlungen beziehen und in einer positiven Sprache verfasst sein. Ziel ist es, klar und unmissverständlich auszudrücken, was du dir wünschst, ohne dabei Forderungen oder Erwartungen aufzustellen. Ein empathisches und offenes Gespräch ermöglicht die Entwicklung konstruktiver Lösungen und trägt zur Konfliktvermeidung bei.

7 Chancen, die Gewaltfreie Kommunikation im Berufsalltag bietet

Die Gewaltfreie Kommunikation bietet im Berufsalltag zahlreiche Chancen, die dazu beitragen können, eine wertschätzende und produktive Arbeitsatmosphäre zu schaffen.

1. Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen

GFK fördert eine respektvolle und empathische Kommunikation, die Missverständnisse reduziert und Vertrauen aufbaut. Durch den Fokus auf Beobachtungen statt Bewertungen und auf die Bedürfnisse aller Beteiligten können Konflikte frühzeitig erkannt und auf Augenhöhe gelöst werden. Dies stärkt die Zusammenarbeit und das Zusammengehörigkeitsgefühl im Team.

2. Effektive Konfliktlösung

Im Berufsalltag sind Konflikte unvermeidbar. Mit GFK können diese konstruktiv angegangen werden, indem Vorwürfe und Schuldzuweisungen vermieden und stattdessen Lösungen entwickelt werden, die die Bedürfnisse aller berücksichtigen. Dadurch entsteht ein Umfeld, in dem Differenzen als Chance für Wachstum und Innovation gesehen werden können.

3. Klarheit in der Kommunikation

Die GFK ermutigt dazu, Anliegen klar und direkt zu äußern, ohne aggressiv oder unhöflich zu wirken. Dies minimiert Missverständnisse und fördert eine präzise Kommunikation, die sowohl die eigenen Ziele als auch die der anderen respektiert.

4. Steigerung der Mitarbeitermotivation

Indem Führungskräfte die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter erkennen und ernst nehmen, können sie eine Arbeitsumgebung schaffen, in der sich alle wertgeschätzt und gehört fühlen. Das erhöht die Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter, was sich positiv auf Produktivität und Kreativität auswirkt.

5. Förderung von Empathie und Resilienz

Die Praxis der GFK stärkt die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, und hilft, eigene Emotionen besser zu regulieren. Das ist besonders in stressigen oder angespannten Situationen hilfreich, um Ruhe zu bewahren und lösungsorientiert zu handeln.

6. Unterstützung bei Feedback und Führung

GFK bietet eine Struktur, um konstruktives Feedback zu geben, das weder verletzend noch defensiv wirkt. Führungskräfte können so Kritik äußern, die zu positiven Veränderungen anregt, und gleichzeitig eine offene Kommunikationskultur fördern.

7. Langfristige Konfliktprävention

Durch die regelmäßige Anwendung von GFK wird eine Unternehmenskultur etabliert, die auf Offenheit und Verständnis basiert. Dadurch können viele Konflikte schon im Keim erstickt werden, bevor sie eskalieren.

Bei acquisa findest du zahlreiche weitere Artikel, die dich dabei unterstützen, am Arbeitsplatz empathischer zu kommunizieren. Schau rein in unsere Themenrubrik Kommunikation.

Gewaltfreie Kommunikation: 4 Schlüssel für erfolgreiches Miteinander
Gern darfst du diese Infografik auf deiner Webseite einbinden.

Übungen und Techniken zur Verbesserung der Gewaltfreien Kommunikation

Um die Gewaltfreie Kommunikation zu verbessern, sind kontinuierliches Üben und das Erlernen passender Techniken unerlässlich. In diesem Abschnitt werden verschiedene Übungen und Techniken vorgestellt, die deine Fähigkeiten im Umgang mit Gewaltfreier Kommunikation im Alltag stärken.

Aktives Zuhören und Reflektieren

Das aktive Zuhören ist eine wichtige Fähigkeit, um die Gefühle und Bedürfnisse des Gesprächspartners besser zu verstehen. Um diese Fähigkeit zu entwickeln, bieten sich folgende Übungen an:

  • Paraphrasieren: Fasse das Gesagte deines Gegenübers in eigenen Worten zusammen, um für Klarheit zu sorgen und sicherzustellen, dass die Botschaft richtig verstanden wurde. Dabei sollten auch nonverbale Signale wie die Körpersprache beachtet werden.
  • Emotionen hervorheben: Benenne die beobachteten Gefühle des Gegenübers und erkundige dich nach deren Ursprung. Auf diese Weise zeigst du Empathie und entwickelst ein tieferes Verständnis für die Situation.
  • Bedürfnisse erkennen und ansprechen: Versuche herauszufinden, welche Bedürfnisse hinter den Gefühlen des Gesprächspartners stehen, und schaffe Raum, um darüber zu sprechen.

Das Reflektieren der eigenen Reaktionen und Kommunikation ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Gewaltfreien Kommunikation. Hier einige Anregungen zur Reflexion:

  1. Betrachte deine eigenen Reaktionen auf bestimmte Situationen, um Kommunikations- und Verhaltensmuster zu erkennen.
  2. Hinterfrage deine eigenen Bewertungen und Annahmen, um eine offene und wertschätzende Haltung gegenüber dem Gegenüber zu entwickeln.
  3. Übe Selbstempathie, um die eigenen Gefühle und Bedürfnisse besser zu verstehen und einen angemessenen Umgang damit zu entwickeln.

Konflikte transformieren und Lösungen finden

Durch die Anwendung gewaltfreier Kommunikation können Konflikte gelöst und in einen konstruktiven Dialog verwandelt werden. Hierbei helfen Techniken und Ansätze aus der Mediation und der Konfliktbearbeitung:

1. Konfliktsituationen als Chancen begreifen: Betrachte Konflikte als Möglichkeiten, gemeinsam mit dem Gesprächspartner tragfähige Lösungen zu entwickeln.

2. Eine neutrale Haltung einnehmen: Bleibe empathisch sowie wertschätzend und vermeide es, die Rolle des Anklägers, Verteidigers oder Richters zu übernehmen.

3. Gemeinsame Anliegen identifizieren: Erkenne bei allen beteiligten Parteien die übergreifenden Bedürfnisse und formuliere darauf basierend gemeinsame Ziele.

4. Lösungsmöglichkeiten entwickeln: Sammle unter Berücksichtigung der gemeinsamen Ziele verschiedene Strategien und Vorschläge zur Konfliktlösung.

5. Win-Win-Situationen schaffen: Verhandle gemeinsam mit dem Gesprächspartner eine Lösung, die die Bedürfnisse aller Beteiligten berücksichtigt und umsetzt.

Fazit

Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall B. Rosenberg trägt dazu bei, die Qualität menschlicher Beziehungen am Arbeitsplatz und in anderen Lebensbereichen zu steigern.

Nachfolgend sind einige zentrale Punkte aus dem Artikel zusammengefasst:

  • Vier Schritte der GFK: Beobachtung ohne Bewertung, Ausdruck von Gefühlen, Erkennen und Benennen von Bedürfnissen, Formulierung von Bitten.
  • Übungen und Techniken: Aktives Zuhören, Reflexion von Reaktionen und Verhalten sowie die Transformation von Konflikten in konstruktive Dialoge gehören zu den grundlegenden Methoden zur Verbesserung der Gewaltfreien Kommunikation.

Indem du die gewonnenen Erkenntnisse nutzt und die Gewaltfreie Kommunikation in deinem Leben anwendest, kannst du sowohl die Qualität deiner Beziehungen als auch deine Fähigkeiten zur Konfliktlösung weiterentwickeln.

FAQ

Folgend eine Liste mit Antworten auf häufig gestellte Fragen.

Quellen:

Weitere Artikel