Das Growth Mindset: So führt das dynamische Selbstbild dich und deine Mitarbeiter zum Erfolg

Von Thomas Sesli
Aktualisiert am 04.03.2024 | Lesezeit ca. Min.

Begriffe wie digitale Transformation und Agilität prägen zunehmend den äußeren Rahmen, in dem sich Menschen und Unternehmen in ihrer professionellen Umgebung bewegen. Diese äußeren Bedingungen erzeugen im hohen Maße einen Veränderungsdruck und verlangen nach inneren Entsprechungen in der Haltung der Beteiligten. 

In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich nicht zuletzt durch neue Erkenntnisse in der Hirnforschung herauskristallisiert, dass das Denken und die innere Haltung maßgeblich am Erfolg von Menschen und Organisationen beteiligt sind. Hier erscheint Intelligenz nicht als feststehende Größe, sondern als etwas, das sich durch beständiges Lernen weiterentwickeln lässt. Methoden wie NLP setzen an der inneren Einstellung an. Bestimmte Eigenschaften wie beispielsweise Resilienz entscheiden über Erfolg und Misserfolg. 

In diesem Zusammenhang hat die US-amerikanische Psychologin Carole Dweck das Growth Mindset entwickelt. In unserem Beitrag lernst du dieses dynamische, wachstumsorientierte Selbstbild kennen und erfährst auch, wie du es für dich und dein Team kultivieren kannst.

Um das Growth Mindset zu definieren und zu verstehen, geht es zunächst um das Mindset selbst. Der Begriff ist vielschichtig und hat sich in den letzten Jahrzehnten im Zusammenhang mit der Verhaltens- und Persönlichkeitsforschung etabliert.

Worum geht es bei einem Mindset?

Diese Bezeichnung aus dem angelsächsischen Sprachraum kann mit Denkweise, Haltung, innerer Einstellung und Denken allgemein übersetzt werden. Man kann hier auch einbeziehen, welche Glaubenssätze ein Mensch im Angesicht bestimmter Herausforderungen verinnerlicht hat.

Hier sind eine Reihe von Überzeugungen angesiedelt, die sich schon sehr früh im Leben eines Menschen entwickelt haben können. Sie können beispielsweise auf die Kindheit und innere Einstellungen der Eltern zurückgehen. In der deutschen Sprache wird auch häufig das Wort Mentalität benutzt.

Carole Dweck: Die fixe Denkweise und die dynamische Denkweise

Die bereits erwähnte Psychologin Carole Dweck beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Verhaltens-und Mentalitätsforschung. Sie stellte unter anderem in verschiedenen Untersuchungen fest, dass Menschen von zwei grundsätzlichen Basis-Denkweisen geprägt werden: Einige von Dwecks Probanden hatten die feste Vorstellung, dass ihre Kompetenzen, Talente und auch ihre Intelligenz fix sind, sich also nicht mehr verändern lassen. Andere waren der Auffassung, dass durch Lernen alle diese Aspekte und Eigenschaften (weiter-)entwickelt werden können.

Erstmalig brachte Dweck diese Erkenntnisse in einem Interview 2012 an. Damit waren auch die Begriffe Growth Mindset und Fixed Mindset geboren.

  1. Das erste Denkmuster umfasst ein Wachstumsdenken und geht davon aus, dass Faktoren wie Intelligenz dynamisch sind sowie durch Lernen verändert werden können.
  2. Das zweite Denkmuster hält die genannten Aspekte für feststehend. Der Status quo kann nicht maßgeblich verändert werden.

Beide Denkmuster haben erhebliche Auswirkungen auf das gesamte Verhalten, das Leben und den Erfolg von Menschen sowie auf den von Organisationen. Warum ist das so?

Warum haben Denkmuster so großen Einfluss auf den Erfolg?

Ein Sportler, der von einem bestimmten Trainingsstand ausgehend seine Fähigkeiten verbessern will, muss daran glauben, dass er diese Fähigkeiten weiterentwickeln kann – er muss ein Wachstumsdenken verinnerlicht haben. Nur, wenn er beispielsweise bereits in Gedankenbildern und Visionen einen möglichen Erfolg vorwegnehmen kann, wird eine Steigerung der Leistung überhaupt möglich.

Die moderne Hirnforschung hat herausgefunden, dass unser Gehirn teilweise nicht unterscheiden kann, ob sich ein bestimmtes Ereignis bereits eingestellt hat oder ob wir es uns nur vorstellen. Wer von vornherein davon ausgeht, dass bestimmte Fähigkeiten feststehend sind, kann sich nicht weiterentwickeln. Er glaubt nicht an eine Entwicklung, er glaubt auch nicht an einen Erfolg – er denkt nicht wachstumsorientiert.

In den letzten Jahrzehnten wird den Menschen zunehmend wieder deutlich, dass unser Leben an sich keine statische Angelegenheit ist. Im unternehmerischen Kontext ist diese Erkenntnis vor allem durch die Digitalisierung und damit einhergehende Veränderungen auch in der Zusammenarbeit sowie der Verwaltung von Organisationen entstanden.

So zielen beispielsweise agile Methoden darauf ab, beständig in der Lage zu sein, auf Veränderungen und veränderte Anforderungen reagieren zu können. Das gelingt nur, wenn auch das innere Mindset, die innere Haltung stimmt. Um das ganz deutlich zu machen, schauen wir uns das statische Selbstbild etwas genauer an.

Ein Schritt zurück: Das Fixed Mindset

Ein statisches Selbstbild ist von bestimmten Annahmen und Glaubenssätzen geprägt. Dazu gehören beispielsweise:

  • Entweder ich habe ein bestimmtes Talent oder nicht.
  • Ich verfüge über ein bestimmtes Maß an Intelligenz, an dem sich während meines Lebens nichts ändern lässt.
  • Mein Erfolg ist davon abhängig, ob ich angeboren ein Talent mitbringe oder nicht.
  • Man lernt, um bestimmte Vergünstigungen wie beispielsweise eine gute Note, ein Lob oder später eine Gehaltserhöhung zu bekommen.
  • Ich darf keine Fehler machen. Fehler werfen ein negatives Licht auf mich und werten mich ab.

Diese Überzeugungen haben vor allem eines gemeinsam: Alles scheint festzustehen, alles ist fix und alles bleibt statisch. Vor allem fällt aber auf, dass der Antrieb für das Bemühen und das Lernen an äußere Faktoren gehängt wird. Hier ist kein inneres Feuer entfacht, das aus Interesse an einem Thema und in dem Wissen, dass eine Weiterentwicklung möglich ist, einen Menschen antreibt. 

Die beiden Mindsets im Vergleich anhand von Beispielen

Wir schauen uns hier noch einmal an, wie sich ein statisches und ein dynamisches Selbstbild im Vergleich zueinander erkennen lassen.

Ein Mensch mit einem fixen Selbstbild sagt:

Ich kann das jetzt nicht. Und wenn ich es jetzt nicht kann, werde ich es auch morgen nicht können. Mir fehlt das Talent. Ich kann nichts dazulernen.

Ein Mensch mit einem dynamischen Selbstbild geht dagegen von folgenden Annahmen aus:

Momentan kann ich das noch nicht. Ich gehe aber davon aus, dass ich es lernen kann. Ich kann mich weiterentwickeln. Mein Talent und meine Intelligenz stehen nicht fest. Ich kann an mir arbeiten.

  1. Hinter dem Fixed Mindset steht die Annahme, dass Fehler eine persönliche Schwäche sind und deshalb unbedingt zu vermeiden sind.
  2. Hinter dem Growth Mindset steht die Überzeugung, dass Fehler nützlich für die Weiterentwicklung sind, dass man aus Fehlern lernt und dass sie deshalb keine persönliche Schwäche oder Abwertung darstellen.

Vor allem unterscheiden sich beide Einstellungen auch hier:

  1. Statisch: Ich will und brauche nichts Neues lernen, das funktioniert sowieso nicht. Ich kann mich nur blamieren, wenn ich Neues lerne und dabei Fehler mache.
  2. Dynamisch: Ich will unbedingt Neues lernen, weil es mich persönlich weiterbringt. Ich habe keine Angst vor Fehlern, weil sie mir bei meiner Entwicklung helfen.

Welche Folgen haben die verschiedenen Mindsets noch?

Es ist keine Übertreibung, wenn wir behaupten, dass das jeweilige Mindset das gesamte Leben des Betroffenen durchzieht. Wer beispielsweise stets Angst vor Fehlern hat, entwickelt in der Regel viele Selbstzweifel und kein sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Jede Veränderung im Außen – und diese tritt ständig auf – gefährdet die statische Denkweise und damit das gesamte Selbstbild einer Person. 

Wer dagegen mit seinem Selbstbild dynamisch aufgestellt ist, lässt sich nicht so schnell von einer äußeren Veränderung erschüttern. Er zeigt sich resilient, weil er darauf vertraut, auf die Veränderung reagieren zu können und sich anzupassen. Selbstzweifel haben in einem Growth Mindset wenig Platz und gefährden vor allem nicht ernsthaft das Selbstbewusstsein des einzelnen Menschen.

Was für den Einzelnen gilt, gilt auch für Organisationen. Ein Unternehmen wird von Menschen geführt. Haben diese ein statisches Selbstbild, bestimmen Selbstzweifel ihr Handeln. Sie sind häufig nicht in der Lage, angemessen auf Veränderungen im unternehmerischen Umfeld zu reagieren. Das kann am Ende die gesamte Existenz eines Unternehmens gefährden.

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Wichtig

Das Mindset ist ganz intensiv mit der Selbstwahrnehmung, dem Selbstwert, der Wertschätzung gegenüber sich selbst und anderen sowie der Widerstandsfähigkeit gegenüber Herausforderungen verbunden. Mit einem Fixed Mindset wird die Widerstandsfähigkeit gegenüber Schwierigkeiten und Veränderungen massiv herabgesetzt.

Vom festen Selbstbild zum dynamischen Selbstbild: Auf Richtung Wachstumsdenken

Es muss nicht betont werden, dass sich ein Fixed Mindset nachteilig auf die Entwicklung von Menschen und Organisationen auswirkt. Wenn es aber so weit verbreitet ist, stellt sich die Frage, ob ein Mindset verändert werden kann.

Wer ein statisches Selbstbild hat, steht bei jedweder Veränderung vor der ganz besonderen Herausforderung, dass auch diese Veränderung bei der Einstellung schon seinem Selbstbild widerspricht. Außerdem muss der Frage nachgegangen werden, ob unser Gehirn tatsächlich in der Lage ist, sich weiterzuentwickeln, ob Intelligenz etwa durch Lernen ebenfalls weiterentwickelt wird.

Kann ein Mindset verändert werden?

Die Erkenntnisse in den modernen Neurowissenschaften sprechen dafür, dass bestimmte Attribute wie Intelligenz nicht feststehend sind, sondern sich im Laufe des Lebens noch weiterentwickeln. Unser Gehirn gilt als neuroplastisch, als veränderbar. Die neuronale Plastizität gilt heute als Eigenschaft von Synapsen, Nervenzellen und ganzen Bereichen in unserem Gehirn. Sie verändern sich ständig in ihrer Anatomie und Funktion in Abhängigkeit von ihrer Nutzung.

Um das noch einmal zu verdeutlichen: Die Veränderung ergibt sich in Abhängigkeit von der Nutzung. Daraus erklärt sich, warum man durch Lernen und durch Training auch auf scheinbar fixe Eigenschaften wie Intelligenz Einfluss nehmen kann. Wer ständig lernt und Veränderungen gegenüber offen ist, nutzt das Gehirn anders als jemand, der das nicht ist. Das Growth Mindset erhält von dieser Seite seine wissenschaftliche Grundlage. Grundsätzlich sollte sich deshalb auch das Mindset selbst verändern lassen und von einem Fixed Mindset zu einem Growth Mindset entwickelt werden können. Die Frage ist nur – wie?

In 4 Etappen vom Fixed Mindset zum Growth Mindset gelangen

Häufig ist es so, dass sich negative Überzeugungen in bestimmten Bereichen finden. Man kann auch sagen, dass bestimmte Glaubenssätze bestehen, die den Einzelnen an der Weiterentwicklung hindern. Beispielsweise kann man bestimmte Einstellungen zu bestimmten Themen haben.

Hier würde sich das Fixed Mindset etwa so zeigen:

  • Mit über 50 kann ich nicht mehr beruflich neu durchstarten.
  • Ab einem bestimmten Alter kann man keine neue Management-Methode lernen.
  • Ich kann mit Technik nicht umgehen.

Deshalb ist es wichtig, sich selbst wahrzunehmen, um festzustellen, wo die hinderlichen Glaubenssätze und Überzeugungen liegen. Danach kann man mit bestimmten, teilweise sehr marginalen Änderungen der Sichtweise von einem statischen Selbstbild zu einem Growth Mindset, also zum Wachstumsdenken gelangen.

Im Team das dynamische Selbstbild entwickeln

Analyse und Wahrnehmung

In einem ersten Schritt stellst du fest, in welchen Bereichen du statisch denkst, also ein statisches Selbstbild entwickelt hast.

Innere Einstellungen ändern

Hier geht es darum, dass du damit beginnst, auf dem Weg zum Growth Mindset bestimmte Dinge anders zu betrachten.

  1. Herausforderungen sind keine unüberwindbaren Hindernisse. Du wirst in jedem Fall hinzulernen, wenn du dich damit auseinandersetzt. In jedem Fall steht am Ende eine Win-Win-Situation: Du hast dein Ziel erreicht oder etwas Wertvolles dazugelernt.
  2. Erfolg und Misserfolg werden neu definiert. Wenn du dein Ziel nicht erreicht hast, würdigst du dennoch deine harte Arbeit, deine Bemühungen, deine positive Einstellung und das, was du hier dazugelernt hast.
  3. Erfolg und Misserfolg sind nur Momentaufnahmen. Sie sind nicht im Zusammenhang mit deinem Talent zu sehen, sondern mit deinen momentanen Fähigkeiten. Wenn du heute etwas nicht erreichst, kannst du es morgen durch Training und Lernen erreichen.
  4. Schaue auf vorangegangene Erfolge zurück. Was hast du alles schon erreicht? Welchen Schwierigkeiten bist du begegnet und wie hast sie überwunden? Hier helfen auch Vorbilder, die dich besonders beeindrucken.

SOS-Maßnahmen bei Rückfällen

Du wirst zwischendrin immer wieder einmal in deine fixe Einstellung zurückfallen. Bleibe aufmerksam gegenüber deinen Gedanken. Stellst du einen Rückfall fest, steuere sofort mit einem Wachstumsgedanken dagegen.

Du denkst etwa:

Meine Kollegin ist viel besser als ich darin, Marketingkonzepte zu erstellen. Ich lerne das nie.

Jetzt denkst du mit dem Growth Mindset:

Meine Kollegin ist schon seit zehn Jahren in diesem Bereich tätig, ich erst seit zwei. Ich kann viel von ihr lernen und werde mich gut weiterentwickeln.

Geduld und Entspannung

Setze dich nicht unter Druck, wenn du auf den Weg zum Growth Mindset bist. Betrachte deine Weiterentwicklung immer als ein Spiel, bei dem du nur gewinnen kannst. Das Growth Mindset ist kein Zwang, sondern eine Chance. Nimm es dir nicht übel, wenn du ab und an auch einmal wieder in ein statisches Selbstbild zurückfällst. Nach einiger Zeit und Übung werden die statischen Denkansätze immer weniger und du denkst öfter wachstumsorientiert.

Häufig gestellte Fragen zum Growth Mindset

An dieser Stelle möchten wir häufig gestellte Fragen zum Growth Mindset beantworten.

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