Was macht Kundenzufriedenheit aus? Dieser Frage ging Naroaki Kano nach. Der Professor der Universität Tokio setzte dafür bestimmte Eigenschaften der Produkte mit der Kundenzufriedenheit in Beziehung. Sein Modell erklärt, warum sich das Fehlen oder Vorhandensein von Produkteigenschaften unterschiedlich auf die Kundenzufriedenheit auswirkt.
Heute kommt das Kano-Modell zum Einsatz, um die Produkteigenschaften zu ermitteln, die sich stark auf die Kundenzufriedenheit auswirken. Beispielsweise, weil sie nicht vorhanden sind, aber durch Kunden vorausgesetzt werden, oder weil sie Käufer begeistern können. Daraus lassen sich wertvolle Erkenntnisse für Vertrieb und Marketing ableiten.
Das Kano-Modell: Vor- und Nachteile
Die Grundlage: Der Kunde erwartet, kommuniziert diese Erwartungen jedoch oft nicht
Die Grundlage dieses Modells ist das Konformations-/Diskonformations-Paradigma. Es beschreibt, dass der Kunde bestimmte Erwartungen an ein Produkt hat, die dieses erfüllen kann – oder eben nicht.
Wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden, ist der Kunde unzufrieden. Werden sie hingegen übertroffen, ist er begeistert. Das Problem für die Marktforschung ist dabei, dass ein Kunde nur rund fünf Prozent seiner Bedürfnisse kommuniziert. Die anderen sind ihm nicht bewusst oder er kennt sie sogar selbst (noch) nicht.
Um den Einfluss der Produkteigenschaften bewerten zu können, ging Kano einen Schritt weiter: Denn nicht jede Eigenschaft wirkt sich gleichermaßen aus. Hat beispielsweise ein Auto keinen Rückwärtsgang, so wären Kunden mit dem Fahrzeug unzufrieden. Hätte ein Auto hingegen zwei Rückwärtsgänge, würde sich das nicht positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirken.
Dementsprechend hat nicht jede Eigenschaft ähnliche Auswirkungen. Kenos Theorie: Die Eigenschaften eines Produktes können in fünf Ebenen der Qualität aufgeteilt werden, von denen drei für die Kundenzufriedenheit wichtig sind.
Basismerkmale: Fehlen wirkt sich negativ auf Kundenzufriedenheit aus
Basismerkmale sind für den Kunden selbstverständlich. Sie fallen nur auf, wenn sie nicht vorhanden sind, und wirken sich dann äußerst negativ auf die Kundenzufriedenheit aus.
Ein Graph veranschaulicht dies:
Die Erfüllung von Basismerkmalen macht aus einem Kunden also keinen sehr zufriedenen Kunden, das Fehlen hingegen einen sehr unzufriedenen Kunden. Hersteller können sich hierüber nicht gegenüber ihrer Konkurrenz abgrenzen.
So wäre beispielsweise „Rostfreiheit“ bei einem Auto ein Basismerkmal. Ein schnell rostendes Auto stimmt Kunden unzufrieden. Ein rostfreies Auto wird hingegen oft nicht bewusst wahrgenommen. Eine Übererfüllung ist dementsprechend aus Herstellersicht nur bedingt wünschenswert. Weil die Kundenzufriedenheit nicht steigt, lohnt es sich nicht, in diesen Bereich weiter zu investieren und die Eigenschaften zu verbessern.
Weil der Kunde erwartet, dass ein Produkt diese Eigenschaften erfüllt, ist es zudem nicht empfehlenswert, damit zu werben. Das würde eher das Misstrauen des Kunden wecken. Ein Lenkrad, ein Rückspiegel oder sogar funktionierende Bremsen: Wenn ein Autohersteller mit diesen Merkmalen werben würde, würde dies kein zusätzliches Kaufargument darstellen.
Leistungsfaktoren: Positive wie negative Auswirkungen möglich
Eine weitere Qualität eines Produktmerkmals sind Leistungsfaktoren. Bei ihnen können sich überdurchschnittlich erfüllte Eigenschaften positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirken – das Fehlen kann Kunden ebenso unzufrieden stimmen.
Bei technischen Produkten sind diese Leistungsdaten in der Regel im Produktdatenblatt aufgeführt: Benzinverbrauch, Motorleistung, Höchstgeschwindigkeit, CO2-Emmission und Co. bestimmen die wahrgenommene Qualität des Fahrzeugs maßgeblich. Hier zeigt sich, dass nicht jedes Produktmerkmal für jeden Käufer die gleiche Bedeutung hat. Negativ wirken sich vor allem Falschangaben oder falsche Werbeversprechen aus.
Mit Leistungsfaktoren zu werben lohnt sich vor allem dann, wenn diese überdurchschnittlich sind, der Erfüllungsgrad also hoch ist. Sonst gilt das Gleiche wie bei den Basismerkmalen: Es handelt sich nicht um ein Kaufargument, sondern löst Skepsis bei den Interessenten aus. Ob es sich um eine Produkteigenschaft handelt, die in der Lage ist, zu begeistern, ist oft zielgruppenabhängig.
Begeisterungsmerkmale: Vorhandensein ist positiv
Bei Begeisterungsmerkmalen erwartet der Kunde die entsprechenden Produkteigenschaften nicht und weiß möglicherweise nicht einmal, dass sie existieren.
Ein Beispiel wären im Bereich Fahrzeug die kleinen Schritte in Richtung autonomes Fahren: Ein Einparkassistent, dem der Fahrer zuschauen kann, ist dafür ein Beispiel. Wer zum ersten Mal feststellt, dass diese Technik existiert, ist begeistert. Das Fehlen hätte jedoch keine Unzufriedenheit verursacht.
Oft können Unternehmen in diesem Bereich die entscheidenden Pluspunkte sammeln, welche die Kundenzufriedenheit stark steigen lassen. Sie ermöglichen auch, die Kundenloyalität zu erhöhen, und haben oft einen deutlich größeren Einfluss auf die Kundenzufriedenheit als Leistungsfaktoren.
Dementsprechend nutzen viele Unternehmen das Kano-Modell, um genau diese Produkteigenschaften herauszufiltern. Weil die Begeisterungsmerkmale wesentliche Erfolgsfaktoren bei der Kundenzufriedenheit sind, sind sie es, deren Verbesserung oder Integration sich für Unternehmen lohnen.
Auch in Vertrieb oder Marketing sind die Produkteigenschaften hilfreich: Sie wecken die Neugierde bei Kunden und begeistern sie.
Das Kano-Modell in der Übersicht
Werden diese drei Merkmale zusammengenommen, ergibt sich das folgende Bild:
Daraus lässt sich leicht ablesen: Basismerkmale können sich durch ihr Fehlen negativ auf die Kundenzufriedenheit auswirken. Zugleich können sie Kunden nicht begeistern. Leistungsfaktoren können die Kundenzufriedenheit in beide Richtungen beeinflussen. Begeisterungsmerkmale wirken sich hingegen nur positiv aus.
Kano hat zusätzlich zwei weitere Qualitätsebenen unterschieden:
Unerhebliche Merkmale: Bei ihnen wirkt sich weder ihr Fehlen noch ihr Vorhandensein auf die Kundenzufriedenheit aus. Ein solches Beispiel wäre beispielsweise ein Tasche auf der Rückseite des Fahrersitzes. Klar können solche Verstauungsmöglichkeiten praktisch sein, letztlich sind sie jedoch nicht von Belang. Oft sind es Merkmale, die – wenn überhaupt – nur für eine bestimmte Kundengruppe interessant sind.
Rückweisungsmerkmale: Sie haben Ähnlichkeit mit den Basismerkmalen, funktionieren jedoch andersherum: Hier ist das Auftreten der Merkmale ein Grund für Kundenunzufriedenheit.
Ein Beispiel hierfür wären Rostflecken beim Auto oder ein ausgefallenes Design, das nicht den Geschmack des Kunden trifft. Solche Merkmale können recht abstrakt und schwierig zu identifizieren sein. Sie sind deswegen im engeren Kano-Modell nicht aufgeführt, weil sie ein Grund dafür sind, einen Kauf nicht zu tätigen. Dementsprechend wirken sie sich nicht auf die Kundenzufriedenheit aus, weil die Interessenten gar nicht erst zu Kunden werden.
Wie ermittelst du, welche Eigenschaft welche Qualitätsebene nach Kano hat?
Einer der Vorteile des Kano-Modells ist die Tatsache, dass die Produkteigenschaften mit empirischer Forschung leicht entsprechend zugeordnet werden können. Dafür nutzt du die Einschätzung deiner Zielgruppe. Mit standardisierten Fragebogen kannst du leicht erheben, wie deine (potenziellen) Kunden ein Merkmal einordnen. Der Aufwand ist im Vergleich zu vielen anderen Methoden gering.
Zuerst ist es jedoch sinnvoll, mit Voranalysen die Produktanforderungen und Bedürfnisse zu identifizieren. Das ist mit Gruppen- oder Einzelinterviews leicht möglich. So stellst du sicher, dass du relevante Produkteigenschaften mit dem Kano-Modell bewertest und deine anschließende Datenerhebung entsprechend effizient ist.
Kano hat eine dazu passende bipolare Befragung entwickelt. Die Befragten müssen also eine Produkteigenschaft jeweils zweimal bewerten: Einmal positiv formuliert (funktional) und einmal negativ formuliert (dysfunktional).
Der Befragte kann die Auswahl zwischen fünf Bewertungen treffen:
- Das würde mich sehr freuen.
- Das setze ich voraus.
- Das ist mir egal.
- Das nehme ich gerade noch hin.
- Das würde mich sehr stören.
Beispiel: Würde der Befragte nach einer Ruffunktion gefragt werden, könnten die Fragen beispielsweise „Was würden Sie sagen, wenn das Fahrzeug eine Ruffunktion hat und auf ihren Ruf automatisch vorfährt?“ und „Was würden Sie sagen, wenn das Fahrzeug nicht vorfährt, wenn Sie es rufen? “
Aus der Kombination lassen sich nun die entsprechenden Merkmale leicht ableiten. In unserem Beispiel wäre es vermutlich: „Das würde mich freuen“ bei der funktionalen Frage und „Das ist mir egal“ bei der dysfunktionalen Fragestellung.
Dementsprechend würde es sich um ein Begeisterungsmerkmal handeln:
Funktional: | Dysfunktional: | Merkmal: |
---|---|---|
Das setze ich voraus | Das würde mich sehr stören | Basismerkmal |
Das würde mich sehr freuen | Das würde mich sehr stören | Leistungsmerkmal |
Das würde mich sehr freuen | Das ist mir egal | Begeisterungsmerkmal |
Das ist mir egal | Das ist mir egal | Unerhebliches Merkmal |
Das würde mich sehr stören | Das setze ich voraus | Rückweisungsmerkmal |
(Tabelle übernommen von Wikipedia)
Sollten Kombinationen keinen Sinn ergeben, werden sie bei der Auswertung nicht berücksichtigt.
Eine Herausforderung bei der Auswertung können unterschiedliche Zielgruppen sein. Deswegen ist es fast schon unabdingbar, demographische Daten zu erheben. Auf diese Weise können Vorlieben oder Abneigungen von bestimmten Zielgruppen direkt ermittelt werden. Nur so ergeben die erhobenen Daten bei der Auswertung ein aussagekräftiges Bild.
Beispiel: So richtet sich beispielsweise Tesla mit vielen Features an eine junge, technikbegeisterte Zielgruppe mit hohem Einkommen. Einem Frührentner ist es vermutlich egal, dass 10 Terraflops Rechenleistung das Auto zu einer leistungsstarken Spielekonsole machen, und fühlt sich womöglich von den vielen Bildschirmen gestört. Für ihn wäre diese Möglichkeit ein unerhebliches Merkmal, bei der Zielgruppe hingegen ein Begeisterungsmerkmal.
Entsprechend wichtig ist es, die Merkmalsbewertung in Bezug auf die demographischen Merkmale der Befragten zu analysieren. Nur so ergibt sich ein sinnvolles Bild.
Dadurch, dass du weißt, welche Produkteigenschaft welches Merkmal ist, hast du noch keine Antwort dazu, wie hoch die Kundenzufriedenheit ist. Hierfür kannst du zusätzlich Fragen nach der Beurteilung mit Zufriedenheitswerten ermitteln.
Daten richtig deuten: Zeit und Zielgruppe als Herausforderung
Es ist wichtig zu beachten, dass sich Einstufungen der Merkmale nicht nur über Zielgruppen hinweg, sondern auch über die Zeit verändern. Viele Merkmale, die zu Beginn ihrer Einführung eindeutige Begeisterungsmerkmale sind, werden im Laufe der Zeit sogar zur Basismerkmalen.
Der oben schon genannte Einparkassistent ist beispielsweise von einem Begeisterungsmerkmal zu einem Leistungsfaktor geworden und für manche Zielgruppen schon jetzt ein Basismerkmal. Die Herausforderung ist, Merkmale richtig zu betrachten, die je nach Zielgruppe und im zeitlichen Verlauf unterschiedliche Qualität haben. Die Einschätzung ist nicht unveränderlich.
Daten richtig nutzen: Anwendungsbeispiele für erhobene Daten
Oft wollen Unternehmen mit der Kano-Analyse verstecktes Potenzial entdecken. Das ist möglich, weil die Kano-Analyse Fragen beantwortet wie:
- In welche Produkteigenschaften sollen wir investieren, um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen?
- Welche Produkteigenschaften verursachen die hohe Unzufriedenheit der Kunden?
- Welche Produkteigenschaften dürfen wir nicht verändern, damit unsere Kernzielgruppe zufrieden bleibt?
- Wie wichtig ist welcher Zielgruppe ein höherer Erfüllungsgrad bei einem bestimmten Leistungsmerkmal?
Ein essentieller Schritt ist das Ermitteln von Rückweisungsmerkmalen. Auch wenn sie im Kano-Modell oft vernachlässigt werden, sind diese wichtig. Denn hier geht eine Menge Marktpotenzial verloren, obwohl viele dieser Produkteigenschaften relativ leicht verändert werden könnten. Oft handelt es sich hier nicht um Qualitätsmängel, sondern um Features, die unerwünscht sind. Und selbst dann, wenn es aufwändiger ist, das Merkmal zu vermeiden, lohnt es sich oft. Wenn sie ganze Zielgruppen einen Kauf verleiden, können sie mit nur wenigen Änderungen erschlossen werden.
Natürlich muss hier eine zusätzliche Marktanalyse ermitteln, ob sich das tatsächlich lohnt. Mit der Kano-Analyse sind Unternehmen in der Lage, Licht ins Dickicht zu bringen und die Produkteigenschaften entsprechend zu bewerten.
Doch nicht nur die (Weiter-)Entwicklung kann von der Kano-Analyse profitieren. Vertrieb und Marketingabteilung erhalten wertvolle Informationen darüber, welche Argumente sie bei welcher Zielgruppe nutzen können – oder welche besser nicht. Wer Begeisterungsmerkmale kennt und Basismerkmale meidet, kann Vertrieb und Werbung zielgruppengerecht gestalten.
Fazit: Das Kano-Modell hilft dabei, Potenzial zu entdecken
Das Kano-Modell ist gut geeignet, wenn die Kundenzufriedenheit aus unerklärlichen Gründen niedrig ist, die Absatzzahlen nicht mit Prognosen übereinstimmen oder über die Einführung neuer Features entschieden werden muss. Dann hilft es unkompliziert, das Potenzial zu heben.
Es ist wichtig, die erhobenen Daten sinnvoll zu verwerten. Darunter fällt vor allem die Zuordnung zu Zielgruppen, da sich je nach Anforderungen und Bedürfnissen der Käufer völlig unterschiedliche Merkmalqualitäten ergeben können.
Häufig gestellte Fragen zum Kano-Modell
An dieser Stelle beantworten wir häufig gestellte Fragen zum Kano-Modell.
Wie funktioniert die Kano-Methode?
Um die Kundenzufriedenheit festzustellen, müssen zunächst die von Kano bestimmten Merkmale identifiziert werden. Dabei helfen diverse Analysen, Interviews, Umfragen usw. Mit den Analyseergebnissen bewertest du dann die Merkmale.
Was sind Basismerkmale?
Basismerkmale beschreiben die Merkmale eines Produktes oder einer Dienstleistung, die für deinen Kunden selbstverständlich sind. Sie müssen vorhanden sein, sonst ist dein Kunde unzufrieden. Basismerkmale erfüllen das Minimum der Kundenerwartung.
Was sind Begeisterungsfaktoren?
Begeisterungsfaktoren sind die Merkmale eines Produktes oder einer Dienstleistung, die ein Kunde nicht erwartet. Durch Begeisterungsfaktoren steigt die Kundenzufriedenheit überproportional an. Sie führen dazu, dass dein Produkt oder deine Dienstleistung die Erwartungen deines Kunden übertreffen.
Wie kann ich Kunden langfristig binden?
Du bindest einen Kunden, indem du ihn zufriedenstellst. Um die Kundenzufriedenheit zu steigern, musst du sicherstellen, dass die Basismerkmale deines Produkts oder deiner Dienstleistung immer gegeben sind. Gleichzeitig solltest du die Leistungs- und Begeisterungsmerkmale verstärken.
Wie gehe ich mit schwierigen Kunden um?
Schwierige Kunden sind oft unzufriedene Kunden. Du solltest also herausfinden, woher die Unzufriedenheit stammt. Untersuche, ob und weshalb dein Produkt die Basismerkmale nicht erfüllt. Behebe das Problem und biete zusätzlichen Service an, sodass die Zufriedenheit deines Kunden wieder steigt.