Kundenbindung im E-Commerce: Wem sind Kunden treu – und warum?

Von Christiane Richters
Zuletzt überprüft am 29.02.2024 | Lesezeit ca. Min.

Jeder kennt die Faustregel: „Neukunden zu akquirieren ist fünfmal teurer, als Bestandskunden zu halten.“ Meist wird sie als Argumentationsgrundlage verwendet, um Kundenbindungsprogramme in Unternehmen zu pushen.

Doch wie steht es um die Kundenloyalität im E-Commerce? Gibt es überhaupt noch treue Kunden im Onlinehandel – und lohnt es sich, in diese zu investieren? Oder ist es ein Kampf gegen Windmühlen, denn digitalen Kunden ist es egal, wo sie einkaufen?

Eine aktuelle internationale Studie von Open Text zeigt: 52 Prozent der Online-Shopper glauben, dass es „lebenslange“ – also dauerhafte – Kundenbindung im E-Commerce nicht gibt. Mit dem Aufstieg von Amazon haben sich Kaufgewohnheiten enorm geändert, die Kundenloyalität wurde auf den Prüfstand gestellt.

Gründe, weshalb Kunden früher Händlern treu geblieben sind, etwa

  • einfaches Einkaufen,
  • guter Kundenservice,
  • zuverlässige Lieferung oder
  • ein breites Sortiment,

werden als selbstverständlich hingenommen. Fehlen dürfen sie auch nicht, sonst würde ein Kauf überhaupt nicht stattfinden. Aber sie bewirken nicht mehr, dass ein Kunde automatisch wieder zurückkehrt. Schon 2017 berichteten Studien, dass selbst zufriedene Online-Kunden nur in ca. 30 Prozent der Fälle wieder zum Online-Shop zurückkehren.

Und trotzdem verzeichnen einige Shops, Marktplätze und Plattformen, allen voran Amazon, hohe Kundenbindungsraten. Mehr als die Hälfte aller Deutschen bezahlt für ein Amazon-Prime-Konto. Es gibt sie also, erfolgreiche Kundenbindung, doch unter anderen Vorzeichen als früher.

Warum sind Stammkunden so attraktiv?

Nicht umsonst investiert Amazon Milliarden in sein Prime-Programm, um seinen Kunden ständig neue Vorteile zu verschaffen. Nach wie vor sind Stammkunden die lukrativsten Kunden, wie der Adobe Digital Index bestätigt. Warum? Weil sie …

  • … einen höheren Warenkorbwert erzielen: Der Adobe Digital Index besagt, dass es fünf bis sieben Neukunden braucht, um den Umsatz eines Bestandskunden zu kompensieren.
  • … häufiger einkaufen: 41 Prozent des Umsatzes wird mit 8 Prozent Bestandskunden erreicht.
  • … eine höhere Conversion Rate erzielen.
  • … schneller zum Kaufabschluss kommen.

Wem sind Kunden treu?

Der diesjährige Emarsys Customer Loyalty Index befragte unter den mehr als 7.000 Personen auch rund 1.000 Deutsche nach ihrem Verständnis von Kundentreue. Zunächst lohnt es sich, zu differenzieren, in welchen Branchen, für welche Shop-Szenarien und Sortimente Loyalität eine Rolle spielt. Die Studie liefert dazu folgende Ergebnisse:

  • Stationäre Läden haben treuere Kunden als Online-Shops: Egal ob es sich um Einzelhändler oder Einkaufszentren handelt, durch die Bank fühlen sich rund 30 Prozent der befragten Kunden stationären Händlern verbunden, während nur um die 10 Prozent gegenüber Online-Shops Loyalität ausdrücken würden.
  • Treue ist in der Mode-Branche am stärksten ausgeprägt: Laut der Emarsys-Studie führt der Bereich Mode mit 60 Prozent die Kundentreue an, was zurückzuführen ist auf die emotionale Bindung zu bestimmten Marken.
  • Treue gegenüber Marken ist wesentlich stärker als gegenüber Händlern: Während 66 Prozent der Befragten angeben, dass sie einer Marke vertrauen und verbunden sind, würden nur 20 Prozent Händlern von Marken treu bleiben. Im Umkehrschluss bedeutet das: wenn meine Marke an anderer Stelle für mich attraktiver angeboten wird, kaufe ich sie da.

Warum sind Kunden treu?

Was motiviert Kunden zum Wiederkauf? Je nach Branche, Alter und Zielgruppe variieren die Gründe, warum Kunden wiederkommen:

  • Große Produktauswahl: Kunden, die das One-Stop-Shopping-Erlebnis wollen
  • Rabatte / Treuepunkte: Kunden wollen für ihre Treue belohnt werden
  • Guter Kundenservice: Kunden, die Beratung oder besondere Lieferkonditionen schätzen
  • Günstige Preise: für die Schnäppchenjäger
  • Emotionale Bindung: Aufgrund positiver Erfahrungen in der Vergangenheit
  • Vertrauenswürdiger Ruf: durch Testergebnisse oder positive Bewertungen, Siegel und Zertifikate
  • Soziale / ethische Werte: Nachhaltigkeit, Ethik-Codex, transparente Herstellkette

Laut der Emarsys-Studie spielt die Größe der Produktauswahl die wichtigste Rolle. Kunden sind Rabatte und Treuepunkte wichtiger als Discount-Preise. Im Detail unterscheiden sich die weiteren Gründe für Kundentreue. So verhalten sich vor allem junge Menschen Händlern gegenüber loyaler, die ethische Werte vertreten, während das der Generation 55+ egal ist.

Wie kann ich Kundentreue messen?

So vielfältig die Gründe für Kundentreue sind, so unterschiedlich sind die Geschäftsmodelle. Um für dein Business herauszufinden, ob es sich lohnt, in Bestandskunden zu investieren, bedarf es einer genauen Datenanalyse. Je präziser die Bestandsaufnahme, desto besser die Grundlage, auf die dann individuelle Kundenbindungsmaßnahmen folgen.

Technologische Grundlagen

Die Grundlage ist eine einheitliche Datenbasis, die eine Gesamtsicht auf den Kunden ermöglicht – samt Kaufhistorie in Verbindung mit Kampagnen und den zu bestimmten Preisen angebotenen Produkten auf allen Kanälen.

Dabei gilt es, die erste Hürde der Datenmigration zu überwinden, nämlich die Qualität der Daten zu prüfen. Sind alle wichtigen Daten vorhanden (Completeness-Check) und in den richtigen Datenfeldern abgelegt?

Wenn Kunden- und Auftragsdaten in unterschiedlichen Systemen gehalten werden, müssen zunächst Datendubletten identifiziert und bereinigt werden. Können Käufe über den Gastzugang oder im Laden von ein und demselben Kunden mit dem später angelegten Kundenprofil in Einklang gebracht werden? Nur dann werden Wiederkäufe als solche auch ein und derselben Kundennummer zugeordnet und bilden das reelle Kundenverhalten ab.

Kennzahlen der Kundenbindung

Aufbauend auf qualitativ hochwertigen Daten helfen folgende Kennzahlen als KPIs (Key Performance Indicators), um die Loyalität der Kunden mitzuverfolgen:

Wiederkaufrate

Die Wiederkaufrate misst den Anteil an Kunden am gesamten Kundenstamm, die zum wiederholten Male einkaufen. Interessant wird es, wenn die Wiederkaufrate pro Kundengruppe, Produktkategorie, Kampagne oder Kanal angesehen wird bzw. Segmente miteinander verknüpft werden. Dann könnte man Fragen beantworten wie: Wie haben meine treuesten Kunden auf die Weihnachtskampagne reagiert und in welcher Produktkategorie am meisten gekauft?

Kaufhäufigkeit

Mit dem KPI Kaufhäufigkeit oder Time between Purchase (TBP) können Muster entdeckt werden, in welchen Intervallen besonders häufig wieder gekauft wird. Die Kaufhäufigkeit errechnet sich aus der Anzahl der Bestellungen / Anzahl der Unique Customers in einem bestimmten Zeitraum. Häufige Kaufintervalle lassen sich durch Kohortenanalysen ermitteln. Das Ergebnis ist wertvoller Input für Trigger in der Customer Journey, wann ein Kunde zum Wiederkauf angeregt werden soll.

Beispiel einer Kohortenanalyse eines Kunden von Hublify, das zeigt, dass Folgekäufe vor allem kurz nach dem Erstkauf und in der Vorweihnachtszeit stattgefunden haben.

Kundenbindungsrate und Kundenverlustrate

Die Customer Retention Rate oder Kundenbindungsrate misst die „Haltbarkeit“ deiner Kundenbeziehungen, also wie viele Kunden, die am Anfang eines Zeitraums Kunde waren, dies auch noch am Ende und nicht abgesprungen sind.

Die Kundenverlustrate ist also das Pendant zur Kundenbindungsrate und misst, wie viele Kunden anteilig am Kundenstamm verlorengegangen sind. Beide sind jedoch darauf angewiesen, dass ein Zeitpunkt definiert werden kann, zu dem ein Kunde verloren wird. Das ist bei Abo-Modellen oder Zeitverträgen wie Telefonverträgen einfach, bei E-Commerce-Shops nicht so leicht.

Kundenwert

Stammkunden sind nur dann interessant, wenn sie den Unternehmensgewinn steigern. Dafür eignen sich mehrere Kennzahlen. Zunächst geht es ganz einfach um den Bestellwert, den Average Order Value (AOV). Dabei sind nicht nur hohe Bestellwerte per se attraktiv. Genauso kann ein Stammkunde, der häufig geringere Summen bestellt, über die Zeit ein lukrativer Kunde sein.

Gleichzeitig sollte pro Bestellung die Profitabilität berücksichtigt werden, und zwar mit dem KPI Profitability per Order (PPO). Handelt es sich um Artikel mit einer hohen Gewinnspanne? Die Retourenquote gibt Auskunft, welche deiner Kunden besonders viel retournieren und so den AOV wieder geschmälert haben.

Last but not least lässt sich der Kundenwert nicht nur in Bezug auf vergangenes Kaufverhalten messen. Mithilfe des Customer Lifetime Values (CLV) werden Kosten für die Kundenbindung auf die gesamte, also auch zukünftige Beziehung zum Kunden kalkuliert.

Welche Ansätze für Kundenbindungsstrategien gibt es?

Diese KPIs sind eine wichtige Grundlage dafür, bestimmte Kundensegmente als interessante Stammkunden zu identifizieren und für sie passende Maßnahmen zum passenden Zeitpunkt zu entwickeln. Wenn beispielsweise ein Kunde, der in einem Zeitraum häufig bestellt hat, seit einigen Monaten nicht mehr kauft, solltest du handeln.

Welches Kundenbindungsinstrument dann das richtige ist, bleibt Kernaufgabe des Marketings. Je nach Persona können unterschiedliche Register gezogen werden: besondere Rabattsysteme und Gutscheine für den Schnäppchenjäger, extra Bonuspunkte im Loyalty-Programm (Kundenclubs) für die Jäger und Sammler, limitierte Produktauflagen oder personalisierbare Produkte für den Individualisten, Extra-Informationen zum Herstellprozess für Umweltbewusste etc.

Das A und O bleibt, dass der Kunde die Kundenbindungsmaßnahme als einen Mehrwert empfinden muss. Deshalb ist es so wichtig, seinen Kunden mit seinen Bedürfnissen zu kennen und Vorlieben aus Daten zu erkennen oder abzufragen.

FAQ

Quellen:

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