Mehrarbeit vs. Überstunden: Gibt es einen Unterschied? Definition, Bedeutung, Gesetze

Von Thomas Sesli
Aktualisiert am 26.08.2024 | Lesezeit ca. Min.

Mehrarbeit oder Überstunden – wo liegen die Unterschiede und wie wirken sie sich auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus?

Erfahre mehr über die feinen Differenzen dieser beiden Begriffe und mache dich mit den gesetzlichen Regelungen zur Arbeitszeit vertraut. Nutze unser Wissen und erhalte Einblicke in folgende Themen:

  • Definition und Bedeutung von Mehrarbeit und Überstunden
  • Rechtsgrundlagen und gesetzliche Bestimmungen
  • Rolle der Arbeitnehmervertretung und Regelungen für besondere Arbeitszeiten

Mehrarbeit vs. Überstunden: Eine Unterscheidung

In diesem Kapitel werden die Unterschiede zwischen Mehrarbeit und Überstunden beleuchtet und erläutert, wie diese Begriffe sowohl auf Arbeitnehmer als auch auf Arbeitgeber Auswirkungen haben.

Begriffliche Abgrenzungen

Obwohl Mehrarbeit und Überstunden häufig als Synonyme betrachtet werden, gibt es wesentliche Unterschiede.

  1. Mehrarbeit wird gemäß dem Arbeitszeitgesetz definiert als Arbeitsstunden, die über die tägliche Höchstarbeitszeit von 8 Stunden hinausgehen und innerhalb von 24 Wochen ausgeglichen werden müssen. Diese Mehrarbeitsstunden sind gesetzlich reguliert und betreffen sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber.
  2. Überstunden beziehen sich hingegen auf die Arbeitszeit, die über die vertraglich vereinbarte oder tarifrechtliche Regelarbeitszeit hinausgeht und vom Vorgesetzten angeordnet oder geduldet wird. Zu beachten ist, dass Überstunden nur dann verpflichtend geleistet werden müssen, wenn sie im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag festgelegt wurden oder wenn dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist. In vielen Fällen existiert eine Klausel im Arbeitsvertrag, durch die der Arbeitgeber berechtigt ist, Überstunden anzuordnen.

Praktische Beispiele

Um ein besseres Verständnis der Unterschiede zwischen Mehrarbeit und Überstunden zu ermöglichen, geben wir dir hier einige praktische Beispiele an die Hand:

  • Mehrarbeit: Ein Arbeitnehmer hat eine Normalarbeitszeit von 8 Stunden pro Tag. Aufgrund eines erhöhten Arbeitsaufkommens arbeitet er an mehreren Tagen 10 Stunden. Die zusätzlichen 2 Stunden pro Tag stellen Mehrarbeit dar, da sie die gesetzliche Regelung von 8 Stunden pro Tag überschreiten.
  • Überstunden: Ein Arbeitnehmer hat eine Regelarbeitszeit von 35 Stunden pro Woche, also 7 Stunden pro Tag. Sein Arbeitsvertrag beinhaltet eine Klausel, die besagt, dass er gelegentlich bis zu 10 Stunden an einem Tag arbeiten muss. In diesem Fall gelten die zusätzlichen Stunden über die Regelarbeitszeit hinaus als Überstunden.

Es ist wichtig zu wissen, dass die Unterscheidung zwischen Mehrarbeit und Überstunden für die Frage der zusätzlichen Vergütung oder des Freizeitausgleichs von entscheidender Bedeutung sein kann. Daher sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Regelungen und gesetzlichen Bestimmungen bezüglich Arbeitszeiten, Mehrarbeit und Überstunden genau kennen.

Rechtsgrundlagen für Mehrarbeit und Überstunden

Allgemeine Gesetze und Bestimmungen

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) bildet den zentralen Bezugspunkt in der Gesetzgebung zu Mehrarbeit und Überstunden.

Darin ist die Arbeitszeitgrenze für die Höchstarbeitszeit pro Tag festgelegt, die nicht mehr als acht Stunden betragen darf. In Ausnahmefällen kann sie auf bis zu zehn Stunden ausgedehnt werden, solange innerhalb von sechs Kalendermonaten im Durchschnitt die acht Stunden pro Tag nicht überschritten werden.

Wichtig ist: Die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes sowie die Ruhezeiten müssen auch bei Überstunden beachtet werden. Andernfalls drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 30.000 Euro.

Sonderregelungen und Ausnahmen

Der Arbeitgeber darf in Notfällen ohne vorherige Vereinbarung Mehrarbeit oder Überstunden anordnen. Allerdings gelten für Jugendliche gemäß dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JarbSchG) besondere Arbeitszeitregelungen, und es gibt diverse Ausnahmeregelungen für bestimmte Berufsgruppen, beispielsweise für ärztliches Personal.

Nacht- und Wochenendarbeit erfordert eine genauere Betrachtung. Das ArbZG ermöglicht Nachtarbeit nur unter bestimmten Voraussetzungen, während das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) die Ansprüche auf Freizeitausgleich oder Vergütung für Sonn- und Feiertagsarbeit regelt.

Einfluss des Arbeitsvertrags

Arbeitsverträge sind entscheidend, wenn es um Mehrarbeit und Überstunden geht. Der Mindestlohn für Überstunden, die über die Höchstarbeitszeitgrenze hinausgehen, ist gemäß § 612 BGB vorgeschrieben und muss eingehalten werden.

In Einzelarbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen können jedoch Regelungen festgelegt werden, die besagen, dass mit dem vereinbarten Gehalt bis zu vier Überstunden pro Woche abgegolten sind.

  • Ein Verstoß gegen die für Arbeitnehmer geltende Treuepflicht kann zu Schadensersatzansprüchen seitens der Arbeitgeber führen.
  • Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat eine bedeutende Rolle bei der Umsetzung und Interpretation der gesetzlichen Regelungen inne.

Arbeitnehmervertretung und ihre Rolle

Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht, wenn es um die Regelung von Arbeitszeiten und Überstunden geht. Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ist dem Betriebsrat ein Mitspracherecht bei der Verlängerung oder Verteilung der Arbeitszeiten zugesprochen. Er übernimmt eine Kontrollfunktion bei der Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitvorschriften.

Vergütung und Freizeitausgleich

Die Kompensation für Überstunden und Mehrarbeit ist im Arbeitszeitgesetz nicht vorgegeben, sondern wird durch verschiedene Regelungen, wie Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträge bestimmt. Hierbei kommen verschiedene Kompensationsmöglichkeiten wie die Zahlung von Mehrarbeitsvergütung, Mehrarbeitszuschlägen oder Überstundenzuschlägen sowie der Einsatz von Freizeitausgleich in Betracht.

Gesetzliche Vorgaben zur Vergütung

Obwohl es keine gesetzliche Verpflichtung gibt, Überstunden höher zu vergüten als die reguläre Arbeitszeit, sollten Arbeitnehmer darauf einen Anspruch haben. Hierbei ist es wichtig, die in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträgen bestehenden Regelungen zu berücksichtigen. Dabei gilt:

  • Pauschale Regelungen, die besagen, dass Überstunden generell mit dem Arbeitsentgelt abgegolten sind, sind nicht zulässig.
  • Arbeitsverträge können jedoch eine Obergrenze für die Vergütung von Überstunden enthalten, etwa: "Mit dem Gehalt sind maximal 10 Überstunden pro Kalendermonat abgegolten."
  • Die Höchstzahl an Überstunden sollte 10 Prozent der vereinbarten Arbeitszeit im Monat nicht überschreiten.
  • Leitende Angestellte sind oftmals von der Pflicht zur Vergütung einfacher Überstunden befreit.
  • Die Ansprüche auf Vergütung bereits geleisteter Überstunden verjähren nach drei Jahren.

Freizeitausgleich als Alternative

Statt einer finanziellen Kompensation besteht auch die Möglichkeit, für Überstunden und Mehrarbeit einen Freizeitausgleich zu gewähren. Dies bedeutet, dass die investierte Zeit für Überstunden als zusätzlicher Freizeitanspruch angerechnet wird. Folgende Aspekte sind dabei zu beachten:

  • Die Option für einen Freizeitausgleich muss ausdrücklich im Tarifvertrag, in der Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag geregelt sein.
  • Die Grundlage zur Berechnung des Freizeitausgleichs sind die tatsächlichen geleisteten Überstunden.
  • Der Freizeitausgleich sollte in der Regel innerhalb einer festgelegten Frist, meist innerhalb einer Abrechnungsperiode, gewährt werden.

Arbeitnehmervertretung und ihre Rolle

Arbeitnehmervertretungen, insbesondere der Betriebsrat, nehmen eine wichtige Stellung ein, wenn es darum geht, Mehrarbeit und Überstunden zu regeln. Dabei ist es von großer Bedeutung, gesetzliche Vorgaben mit betrieblichen Interessen in Einklang zu bringen.

Mitspracherechte des Betriebsrats

Der Betriebsrat verfügt über ein Mitbestimmungsrecht, das im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verankert ist. Dieses betrifft etwa die vorübergehende Verlängerung oder Verkürzung der Arbeitszeit und gewährleistet, dass Fragen zur Arbeitszeitgestaltung angemessen behandelt werden. Hierzu gehören beispielsweise:

  • Die Bedingungen für die Anordnung von Überstunden oder Mehrarbeit
  • Die Entlohnung von Mehrarbeit oder Überstunden im Arbeitsentgelt
  • Spezielle Regelungen für Nacht- und Wochenendarbeit
  • Der Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer

Einfluss auf die Regelung von Mehrarbeit

Der Betriebsrat nutzt seine Einflussmöglichkeiten, um gemeinschaftliche Lösungen bei der Regelung von Mehrarbeit und Überstunden zu finden. Dabei sollten die betrieblichen Interessen ebenso wie die Bedürfnisse der Arbeitnehmer beachtet werden. Hier ist das Mitbestimmungsrecht von entscheidender Bedeutung:

  • Sicherstellung der Einhaltung gesetzlicher und tariflicher Vorschriften zur Arbeitszeit
  • Ausarbeitung von Betriebsvereinbarungen, die ausführliche Regelungen zur Arbeitszeit umfassen
  • Unterstützung von Arbeitszeitmodellen, die den Bedürfnissen der Arbeitnehmer gerecht werden (z. B. Gleitzeit, Teilzeit, Jobsharing)
  • Überprüfung der korrekten Umsetzung von Regelungen zu Überstunden und Mehrarbeit innerhalb des Unternehmens

Bei Auseinandersetzungen muss der Arbeitnehmer nachweisen, dass er über die gesetzlich oder tariflich erlaubte Arbeitszeit hinaus tätig war und die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder geduldet wurden. In solchen Fällen können Dokumentationen, etwa Arbeitszeitnachweise oder Stundenzettel, als Basis dienen, um dem Betriebsrat Fälle von möglichen Rechtsverletzungen bei Arbeitnehmerrechten aufzuzeigen und konstruktive Lösungen einzufordern.

Mehrarbeit: 4 Tipps für effektives Management
Gern darfst du diese Infografik auf deiner Webseite einbinden.

Besondere Arbeitszeiten

In diesem Kapitel widmen wir uns eingehend den Regelungen für besondere Arbeitszeiten und untersuchen dabei die Aspekte von Bereitschaftsdienst, Nacht- und Wochenendarbeit.

Bereitschaftsdienst und Mehrarbeit

Der Bereitschaftsdienst stellt eine spezielle Form der Arbeitsleistung dar, bei der Arbeitnehmer außerhalb ihrer Regelarbeitszeit am Arbeitsplatz präsent sein müssen. Dies impliziert keine durchgehende Arbeitsbelastung, jedoch die Notwendigkeit, kurzfristig einsatzbereit zu sein.

Im Kontext des Bereitschaftsdienstes kann Mehrarbeit entstehen, falls die tatsächlich erbrachten Stunden über die vereinbarte Arbeitszeit hinausreichen. Hierbei gilt es, Folgendes zu berücksichtigen:

  • Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer haben grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Überstundenzuschlag, es sei denn, es besteht eine gesonderte Vereinbarung
  • Für die erbrachten Stunden ist eine präzise Arbeitszeiterfassung essentiell, um den gesetzlichen Vergütungs- oder Freizeitausgleichsanforderungen gerecht zu werden
  • Üblicherweise besitzt der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte bei der Regelung von Mehrarbeit in Verbindung mit Bereitschaftsdienst

Nacht- und Wochenendarbeit

Auch Nacht- und Wochenendarbeit zählen zu den Arbeitsleistungen, die außerhalb der regulären Arbeitszeiten anfallen. Für bestimmte Personengruppen gelten hier spezielle Regelungen:

  • Jugendliche, Schwangere, Stillende und Schwerbehinderte unterliegen Sonderbestimmungen und genießen besonderen Schutz im Rahmen ihrer nächtlichen oder wochenendlichen Arbeitsstunden
  • Um einen Ausgleich für die Tätigkeit in solch ungewöhnlichen Zeitfenstern zu schaffen, müssen gesonderte Regelungen für die Arbeitszeitgestaltung innerhalb von Kalendermonaten berücksichtigt werden

Darüber hinaus ist eine maximale Arbeitszeit pro Woche einzuhalten, um den Schutz der Arbeitnehmer bei besonderen Arbeitszeiten sicherzustellen. Arbeitgeber sind dazu angehalten, die Arbeitszeit im Verlauf der Woche entsprechend anzupassen. Hierbei sind folgende Aspekte wichtig:

  1. Eine akkurate Erfassung der geleisteten Stunden, um eine Übersicht über die Nacht- oder Wochenendarbeit zu gewährleisten
  2. Die Sicherstellung eines angemessenen Zeitausgleichs oder einer Vergütung für die abweichenden Arbeitszeiten
  3. Die Einbeziehung von Arbeitnehmervertretungen wie dem Betriebsrat bei der Regelung der Arbeitszeit

Fazit

Deine drei zentralen Erkenntnisse aus diesem Artikel:

  • Unterschiede: Mehrarbeit erstreckt sich über die tägliche Höchstarbeitszeit hinaus, während Überstunden den vertraglich festgelegten Arbeitszeitrahmen übertreffen.
  • Rechtsgrundlagen: Das Arbeitszeitgesetz dient als grundlegender Referenzpunkt, jedoch sind auch Arbeitsverträge, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen von Bedeutung.
  • Vergütung und Freizeitausgleich: Diese Aspekte können individuell geregelt sein, doch das Beachten von gesetzlichen Vorgaben und speziellen Vereinbarungen ist essentiell.

Setze dieses Wissen ein, um transparente und faire Regelungen im Arbeitsalltag umzusetzen und somit einen positiven Beitrag zum Arbeitsklima und zur Ausgewogenheit zwischen Berufs- und Privatleben zu leisten.

Disclaimer

Dieser Beitrag ist nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig zusammengestellt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit und Ausschließlichkeit der Inhalte gestellt. Die in diesem Beitrag zur Verfügung gestellten Informationen sind unverbindlich, ersetzen keine juristische Beratung und stellen keine Rechtsauskunft dar.

FAQ

Nachfolgend sind die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengefasst.

Quellen:

Weitere Artikel