Psychologische Sicherheit: Warum sie so wichtig ist, wie du sie fördern kannst

Von Thomas Sesli, geprüft durch Juliane Becker (zertifiziert von Google)
Aktualisiert am 15.01.2025 | Lesezeit ca. Min.

Wie schaffst du eine Arbeitsatmosphäre, in der sich dein Team sicher genug fühlt, Risiken einzugehen und innovativ zu denken? Die Antwort liegt in der Förderung von psychologischer Sicherheit am Arbeitsplatz und im gesamten Unternehmen.

In diesem Artikel zeigen wir dir, wie du psychologische Sicherheit definieren, erkennen und im Unternehmen fördern kannst. Wir bieten dir detaillierte Informationen, praxisnahe Anleitungen und wertvolle Beispiele, um dir den nötigen Durchblick im komplexen Feld der psychologischen Sicherheit zu ermöglichen.

Entdecke, wie du ein Fundament für eine offene, vertrauensvolle und leistungsstarke Arbeitskultur legst, indem du psychologische Sicherheit in den Fokus rückst und deinen Mitarbeitern den Raum gibst, den sie zum Wachstum brauchen.

Entstehung und Hintergründe des Konzepts

Das Konzept der psychologischen Sicherheit wurde erstmals in den 1960er Jahren von Edgar Schein und Warren Bennis erwähnt, die es im Kontext von Organisationen und Veränderungsprozessen diskutierten. Sie beschrieben es als entscheidend, damit Mitarbeiter neue Verhaltensweisen ausprobieren können, ohne Angst vor negativen Konsequenzen bzw. einer Bestrafung zu haben.

Wichtige Meilensteine

  1. 1965 – Einführung des Begriffs: Schein und Bennis definieren psychologische Sicherheit als Voraussetzung für erfolgreiche organisatorische Veränderungen. Sie sahen es als eine Art „Puffer“, der Individuen hilft, mit Unsicherheiten und Risiken umzugehen.
  2. 1990er Jahre – Weiterentwicklung durch Amy Edmondson: Amy Edmondson, Professorin an der Harvard Business School, griff das Konzept auf und präzisierte es in ihren Studien über Teamdynamiken. Sie definierte psychologische Sicherheit als „den Glauben, dass das Team ein sicherer Raum ist, um Risiken einzugehen“.
  3. 2000 – Publikation bahnbrechender Forschung: Edmondson veröffentlichte ihre Arbeit Psychological Safety and Learning Behavior in Work Teams, in der sie die Bedeutung psychologischer Sicherheit für Teamlernen und Innovation nachwies.
  4. 2015 – Popularisierung durch Google-Studie: Googles Projekt Aristotle identifizierte psychologische Sicherheit als den wichtigsten Faktor für erfolgreiche Teams. Teams, in denen Mitglieder offen miteinander kommunizieren und Risiken eingehen konnten, waren produktiver und kreativer.
  5. Heute: Psychologische Sicherheit ist ein zentrales Thema in den Bereichen Führung, Teamdynamik und Unternehmenskultur. Es wird als entscheidender Faktor für Innovation, Mitarbeiterengagement und Resilienz betrachtet.

Das Konzept hat sich von einer Theorie in der Organisationsforschung zu einem praktischen Leitprinzip für moderne Unternehmen entwickelt.

Psychologische Sicherheit: 4 Schlüsselelemente für produktive Teams

Vorteile der psychologischen Sicherheit

Förderung von Innovation und Kreativität

In Arbeitskontexten, in denen Kreativität und Sinnstiftung gefragt und Aufgaben komplexer Natur sind, ist psychologische Sicherheit besonders wichtig. Die Ergebnisse von Googles Project Aristotle unterstreichen, dass psychologische Sicherheit ein Prädiktor für den Erfolg von Hochleistungsteams ist. Sie ermöglicht es den Beteiligten, ihre Ideen offen zu äußern, und fördert so Innovationskraft und Kreativität in der Teamarbeit und der gesamten Organisation.

Du willst dich näher mit Project Aristotle befassen? Ein kurzweiliger Beitrag dazu ist dieser hier:

Verbesserte Kommunikation und Zusammenarbeit

Ein weiterer Vorteil der psychologischen Sicherheit ist die Verbesserung von Kommunikation und Zusammenarbeit innerhalb eines Teams. Indem ein Umfeld geschaffen wird, in dem sich jeder sicher fühlt, seine Gedanken und Meinungen offen zu teilen, wird die Teamkommunikation begünstigt – in der Folge maximiert sich der Teamerfolg.

Positive Fehlerkultur und lernende Organisation

Psychologische Sicherheit trägt auch dazu bei, eine positive Fehlerkultur in Organisationen zu entwickeln. Wenn Teammitglieder sich sicher fühlen, Fehler zuzugeben und aus ihnen zu lernen, statt sie zu verbergen, entsteht eine lernende Organisation, die kontinuierliches Lernen und Wachstum ermöglicht. Die Teamleistung und Erfahrung der Mitglieder werden gesteigert, indem sie Fehler als Lernchancen erkennen und diese nutzen.

Einfluss von Verletzlichkeit, Vertrauen und Verantwortung

Verletzlichkeit, Vertrauen und Verantwortung spielen im Kontext der psychologischen Sicherheit eine zentrale Rolle. Eine Arbeitsumgebung, die Personen dazu ermutigt, sich verletzlich zu zeigen und Fehler eingestehen zu können, fördert das Vertrauen untereinander. Die Bereitschaft, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und aufeinander einzugehen, wird dadurch ebenfalls gesteigert.

  • Verletzlichkeit: Bei Fehlern oder Unsicherheiten offen und ehrlich um Hilfe bitten.
  • Vertrauen: Anderen Mitarbeitern Vertrauen schenken, indem sie unterstützt, bestärkt und wertgeschätzt werden.
  • Verantwortung: Eigenverantwortung für Fehler übernehmen und gemeinsam Lösungen erarbeiten.

Führungskräfte wirken als Schlüsselfiguren, um Vertrauen unter den Mitarbeitern zu stärken. Es liegt in ihrer Verantwortung, eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, die von Wertschätzung und Offenheit geprägt ist. Daher müssen Führungskräfte aktiv psychologische Sicherheit fördern und ein Vorbild für ihre Mitarbeiter sein.

Methoden zur Stärkung der psychologischen Sicherheit

Empathie aufbauen und wertschätzenden Umgang pflegen

Eine wichtige Methode zur Stärkung der psychologischen Sicherheit ist das Schaffen einer respektvollen und wertschätzenden Atmosphäre, die den Aufbau zwischenmenschlicher Beziehungen im Team fördert. Empathie ist grundlegend, um andere Teammitglieder besser zu verstehen und ein unterstützendes Arbeitsumfeld zu schaffen.

Hier einige empfehlenswerte Vorgehensweisen:

  • Eigeninitiative zeigen und an den Meinungen und Emotionen der anderen interessiert sein.
  • Redeanteile fair verteilen und jedem die Möglichkeit bieten, seine Ideen und Gedanken auszudrücken.
  • Einen respektvollen und einfühlsamen Umgang vorleben, um die Teamdynamik günstig zu beeinflussen.

Agile Arbeitsweisen und Risikomanagement einführen

Agile Arbeitsmethoden begünstigen die Verbesserung der psychologischen Sicherheit, da sie Flexibilität und Anpassungsfähigkeit fördern. Gemeinsame Ziele und Verantwortlichkeiten stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl und schaffen ein transparentes Arbeitsumfeld.

Wichtig ist außerdem auch Folgendes:

  • Eine offene Kommunikation von Misserfolgen, um sie als Lernchancen wahrzunehmen.
  • Eine Fehlerkultur zu etablieren, in der konstruktives Feedback gegeben und angenommen wird.
  • Teammitglieder zu ermuntern, auch unkonventionelle oder möglicherweise erfolglose Ideen einzubringen und umzusetzen.

Spielregeln festlegen

Ein klarer Rahmen und definierte Spielregeln bieten Orientierung und ermöglichen gleichzeitig Autonomie und Entscheidungsfreiräume:

  • Transparente und nachvollziehbare Prozesse entwickeln, die Teammitgliedern Sicherheit vermitteln.
  • Erwartungen und Ziele unmissverständlich kommunizieren, um Verständnis und Vertrauen im Team zu fördern.
  • Regelmäßige Team-Check-ins etablieren, um den Fortschritt zu beurteilen und eventuelle Bedenken zu adressieren.

Verantwortung übernehmen und Feedback fördern

Verantwortungsbewusstsein stärkt das Vertrauen und Zusammengehörigkeitsgefühl im Team. Für kontinuierliches Lernen und Weiterentwicklung ist außerdem Feedback von zentraler Bedeutung:

  • Anerkennung und Wertschätzung für geleistete Arbeit und erreichte Erfolge ausdrücken.
  • Konstruktives Feedback geben und annehmen, um voneinander zu lernen und gemeinsam zu wachsen.
  • Offene und transparente Kommunikation unterstützen, um Missverständnissen vorzubeugen und Prozesse zu optimieren.
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Lesetipp

Bei acquisa findest du zahlreiche weitere Artikel, die dich dabei unterstützen, am Arbeitsplatz empathischer zu kommunizieren. Schau rein in unsere Themenrubrik Kommunikation. Besonders diesen Beitrag möchten wir dir empfehlen: Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg: So geht empathisches Miteinander am Arbeitsplatz. Das Lesen lohnt sich!

Psychologische Sicherheit messen und überprüfen

Instrumente zur Erfassung der psychologischen Sicherheit

Es gibt verschiedene Instrumente, um psychologische Sicherheit in Teams oder Organisationen zu erfassen. Die Methoden reichen von validierten Fragebögen bis zu qualitativen Ansätzen wie Interviews.

Psychologische Sicherheits-Skala (Amy Edmondson)

Amy Edmondson entwickelte eine siebenstufige Skala, die häufig in wissenschaftlichen Studien verwendet wird. Beispiele für Aussagen, die dafür abgefragt werden, sind:

  • „Es ist sicher, in meinem Team Fehler zuzugeben.“
  • „In meinem Team kann ich schwierige Themen ansprechen.“
  • „Niemand in meinem Team würde mich absichtlich bloßstellen.“

Die Antworten werden oft auf einer Likert-Skala (z. B. von 1 = „stimme überhaupt nicht zu“ bis 5 = „stimme voll zu“) bewertet. Der Durchschnittswert gibt das Level der psychologischen Sicherheit an.

Einen viel beachteten TedTalk von Amy Edmondson zum Thema psychologische Sicherheit findest du hier:

Team-Workshops und Interviews

Qualitative Methoden wie moderierte Workshops oder Einzelinterviews sind nützlich, um ein tieferes Verständnis für die psychologische Sicherheit in einem Team zu gewinnen. Dabei können offene Fragen wie diese gestellt werden:

  • „Wie sicher fühlen Sie sich, Ihre Meinung zu äußern?“
  • „Was könnte Ihnen helfen, offener mit Risiken oder Fehlern umzugehen?“

Pulse Checks

Kurze, regelmäßige Befragungen (z. B. monatlich oder quartalsweise) bieten einen schnellen Überblick über das aktuelle Klima. Tools wie Officevibe, Peakon oder TinyPulse ermöglichen anonymes Feedback zu Themen wie Sicherheit, Kommunikation und Teamklima.

Weiterentwicklung und kontinuierliches Lernen

Eine zentrale Herausforderung im Umgang mit psychologischer Sicherheit ist die kontinuierliche Weiterentwicklung innerhalb des Unternehmens. Dabei geht es darum, aus Fehlern zu lernen, Verantwortung zu übernehmen und veränderte Bedingungen als Chance zu sehen. Einige Ansätze, um solche Ziele zu erreichen, sind:

  • Förderung von regelmäßigem Feedback zwischen Teammitgliedern und konstruktive Nutzung von Kritik
  • Schaffung von Offenheit für Risiken und das Eingestehen von Fehlern
  • Ermutigung der Teammitglieder, offen und ehrlich über Unsicherheiten oder Sorgen zu sprechen

Indem psychologische Sicherheit als integraler Bestandteil der Unternehmenskultur verstanden wird, kann kontinuierliches Lernen auf allen Ebenen gefördert werden. Dies führt zu einer positiven Fehlerkultur, die auch in schwierigen Zeiten ein stabileres Team und eine bessere Zusammenarbeit bewirkt.

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Lesetipp

Wie sieht die perfekte Teamzusammensetzung aus? Unser Beitrag liefert wissenschaftlich fundierte Antworten: Teamrollen nach Belbin: Mit dieser Methode förderst du harmonische Teams. Schau rein!

Fazit: Psychologische Sicherheit als Treiber für Erfolg und Zusammenarbeit

Die psychologische Sicherheit bezeichnet die Überzeugung eines Individuums, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zwischenmenschliche Risiken eingehen zu können. Sie trägt zur Förderung einer dynamischen Unternehmenskultur bei, die Lernmöglichkeiten, Innovation und Kreativität begünstigt und eine positive Fehlerkultur etabliert. Unternehmen können die psychologische Sicherheit durch Empathie, agile Arbeitsweisen, klare Strukturen und gegenseitiges Feedback stärken.

Die aktive Förderung der psychologischen Sicherheit bildet das Fundament für ein widerstandsfähiges, engagiertes und erfolgreiches Unternehmen, das den stetig steigenden Herausforderungen der heutigen Zeit gewachsen ist.

FAQ

Nachfolgend eine Liste mit Antworten auf häufig gestellte Fragen.

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