Sentiment-Analyse: Definition, Ziele, Methodiken und nützliche Tools

Von Steffen Grigori
Aktualisiert am 05.01.2024 | Lesezeit ca. Min.

Jedes Unternehmen möchte wissen, was die Kunden oder Mitbewerber denken. Das ist allerdings nicht ganz einfach, da es oft mehrere Kanäle gibt, wo Nutzer ihre Meinung hinterlassen können. Die Sentiment-Analyse ist eine Methode des Marketings, um die Haltung (positiv, negativ) von Kontaktpersonen herauszufinden. Auf dieser Grundlage lässt sich dann schlussendlich die Stimmungslage ablesen.

Ziele einer Sentiment-Analyse

Die Ziele der Sentiment-Analyse können sich je nach Branche und Unternehmen unterscheiden. Je nach Datenbasis kann der Fokus auf ganz verschiedenen Parametern liegen. Und auch die Fragen, die man beantworten möchte, sind höchst unterschiedlich:

  1. Die Überwachung von unzähligen Plattformen wie Twitter, Facebook oder YouTube ist heute ein übliches Ziel der Sentiment-Analyse. Hier hinterlassen die Kunden ungefilterte Meinungen und Kommentare. Für die Unternehmen eine wichtige Quelle, wenn es darum geht, zu bestimmen, wie gut ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung angenommen wird oder wie die aktuelle Stimmungslage gegenüber einer Marke ist. Wichtig ist dabei nicht nur, wie ein Kommentar geschrieben ist, sondern auch, wer ihn schreibt. So werden Bewertungen von Prominenten oder Influencern meist höher gewertet als solche von "normalen" Kunden.
  2. Die Analyse der Außenwahrnehmung ist ebenfalls ein großes Ziel. Hier werden als Quellen beispielsweise Interviews oder Zeitungsartikel herangezogen, um wichtige Kundenkontakte und Branchentrends zu finden.
  3. Im Marketing kann die Sentiment-Analyse eingesetzt werden, um herauszufinden, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung positiv oder negativ bewertet wird. Als Datenquellen können beispielsweise Produkt-Reviews oder Bewertungen auf Shopping-Portalen herangezogen werden. Tiefergehend lässt sich so auch beantworten, wie groß das Wissen über ein Produkt bzw. einer Produktserie ist.

Natürlich können Sentiment-Analysen nicht nur über das eigene Unternehmen, sondern auch über die Konkurrenz durchgeführt werden. Denn das Wissen darum, was die Kunden über die Konkurrenz denken, ist beinahe genauso wertvoll wie beim eigenen Unternehmen. Stellt man die richtigen Fragen, lässt sich möglicherweise sogar ein Vorteil schaffen.

Auch in der Politik kommen Sentiment-Analysen zum Einsatz. Tweets, Blogs und Social-Media-Plattformen werden akribisch untersucht, um herauszufinden, welche Präsidentin, welche Partei und welche Personen des öffentlichen Lebens bei der Bevölkerung besonders hoch im Kurs stehen.

Zusätzlich zu den klassischen Wahlumfragen wurden bereits bei der Bundestagswahl 2009 solche Analysen genutzt, um das Wahlergebnis schon vor dem Ausgang vorauszusagen, wobei die Prognose recht nah am tatsächlichen Endergebnis lag.

Das Wort "Sentiment-Analyse" wurde in diesem Zusammenhang zum ersten Mal in den 1950er-Jahren erwähnt. Allerdings ging es anfänglich noch darum, geschriebene Texte, beispielsweise aus Zeitungsartikeln, zu indexieren und in zwei verschiedene Kategorien einzuteilen: Subjektivität bzw. Objektivität oder Merkmale und Standpunkte.

Eine solche Einteilung erfordert jedoch ein großes Sprachverständnis, das zu dieser Zeit nur von Menschen aufgebracht werden konnte. Später hat man sich die heute gebräuchliche, simplifizierte Form einfallen lassen, die sowohl von Menschen als auch von Computern durchgeführt werden kann.

Methodiken einer Sentiment-Analyse

Manuelle Analyse

Die niedrigschwelligste Form der Sentiment-Analyse ist die manuelle Analyse. Hier werden zunächst Daten in Form von Texten, Kommentaren und Artikeln gesammelt und von den Mitarbeitern manuell ausgewertet.

Häufig benutzt man dabei ein eher simples Schema. Zum Beispiel ist es üblich, Texte lediglich "positiv" bzw. "negativ" zu bewerten und keine weiteren Abstufungen zu nutzen, da dies die Analyse erheblich vereinfacht. Für die Bewertung wird der Text nach positiven bzw. negativen Schlüsselwörtern durchforstet, die am Ende gegeneinander aufgewogen werden.

Gibt es mehr positive als negative Schlüsselwörter, wird der Text als positiv angesehen. Aufgrund der schieren Menge an Daten, die gesichtet werden müssen, ist es in den meisten Fällen nicht besonders wirtschaftlich, eine manuelle Sentiment-Analyse durchzuführen.

Aus diesem Grund ist es nicht unüblich, diese Arbeiten von Crowd- oder Clickworkern durchführen zu lassen. Durch die große Menge an Arbeitern kann selbst eine große Datenmenge zeitnah analysiert werden. Da es sich um Menschen handelt, sollte es zudem eine hohe Präzision bei den Ergebnissen geben. Darüber hinaus wird in den letzten Jahren aber auch die automatische Analyse immer mehr bevorzugt.

Automatische Analyse

Die Textanalyse, die dem Menschen nicht schwerfällt, ist für den Computer eine komplexe und aufwendige Aufgabe. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens werden die meisten Sprachen nicht formal eindeutig geschrieben und zweitens sind sie kontextsensitiv. Rhetorik, Mehrdeutigkeit, Ironie – für einen Computer sind diese Konzepte völlig fremd. Um trotzdem ein haltbares Ergebnis zu erzielen, werden heute zwei Methoden angewandt:

Die linguistische Analyse

Die Computerlinguistik ist eine Unterart des Data-Minings und gehört zum Text-Mining. Hierbei wird ein Text systematisch nach vorgegebenen "Token" durchsucht. Das können Schlüsselwörter, Phrasen oder auch Strings wie ":-)" sein. Für jedes positive Token bekommt der Text einen Pluspunkt, für negative Token einen Minuspunkt. Wie das Aussehen kann, möchten wir anhand der folgenden Infografik erläutern.

Sentiment-Analyse - Die linguistische Analyse

Gefundene Token könnten hier sein: "Leider" (-1 Punkt), "nicht gefallen" (-1 Punkt), "gut gestaltet (+1 Punkt), "schnell zurechtfinden" (+1 Punkt), "blitzschnell" (+1 Punkt), "sehr gefreut" (+1 Punkt). 

Am Ende würde der Computer die Pluspunkte und Minuspunkte zusammenrechnen und in diesem Beispiel zu einem positiven Ergebnis kommen.

Komplexere Programme beherrschen nicht nur die Tokenisierung, sondern auch die morphologische Analyse. Sie können also unterscheiden, ob das Wort in seiner Grundform verwendet wird oder ob es sich um konjugierte Verben, nominalisierte Partizipien oder Flexionen handelt. Zudem ist es möglich, Wörtern eine Gewichtung zu geben, wodurch diese einen höheren Ausschlag haben.

Ein großer Nachteil: Ironie oder nicht ernst gemeinte Texte werden vom Computer möglicherweise falsch interpretiert. Diese können das Ergebnis verfälschen. Man geht davon aus, dass diese bei einer entsprechend großen Datenbasis nur einen kleinen Teil ausmachen. Dennoch möchte man natürlich möglichst genaue Ergebnisse, weswegen die linguistische Analyse in den letzten Jahren immer öfter mit einer weiteren Methode gepaart wird.

Natural Language Processing

Beim Natural Language Processing nutzt man die Vorteile des maschinellen Lernens, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass der Computer Feinheiten der Sprache eher erkennt. Ein intelligenter Algorithmus, dem eine entsprechende Datenbasis zur Verfügung steht, ist in der Lage, auch die höheren Schichten des "Saarbrücker Pipelinemodells" der Computerlinguistik analysieren zu können.

Mithilfe des maschinellen Lernens sollte das Programm in der Lage sein, die strukturelle Funktion eines Satzes zu erkennen (Subjekte, Objekte, Kasus, Modalität, Artikel), eine semantische Analyse durchzuführen und die Bedeutung der Sätze bzw. Satzteile zu erkennen. Schließlich ist es sogar in der Lage zu erkennen, ob es sich um Dialoge oder Diskurse handelt, und kann diese entsprechend bewerten.

Bei der Sentiment-Analyse ist dies vor allem dann hilfreich, wenn es sich nicht um Kommentare oder einfache Meinungsäußerungen handelt, sondern möglicherweise um Interviews oder Gespräche, in denen das Unternehmen oder das Produkt zur Sprache kommt. Letztendlich ist es so möglich, mehr Quellen zu verwenden und gleichzeitig die Geschwindigkeit und die Präzision der Analyse zu erhöhen.

Tools für die Sentiment-Analyse

Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe mehr oder weniger spezialisierter Tools, mit denen man eine Sentiment-Analyse durchführen kann. Manche dieser Werkzeuge wurden nicht zwingend für diesen Zweck geschaffen, eignen sich aber dennoch für eine Analyse, auch wenn diese möglicherweise nicht so differenziert durchgeführt werden kann.

Talkwalker - Quick Search

Sentiment-Analyse Screenshot Talkwalker

Talkwalker hat mit Quick Search eine "Social-Media-Suchmaschine" geschaffen, welche die Posts auf den verschiedenen Plattformen indexiert und nach verschiedenen Merkmalen, unter anderem auch dem Sentiment, analysiert.

Die kostenpflichtige Software hat eine starke Datenbasis, aber der Funktionsumfang beschränkt sich darauf, verschiedene Begriffe miteinander zu vergleichen und sich die Sentiment-Werte als Graph anzeigen zu lassen. Zudem lässt sich herausfinden, ob ein besonderes Ereignis (wie ein Posting oder Video) für einen Umschwung verantwortlich ist.

unitQ

Sentiment-Analyse Screenshot unitQ

unitQ ist ein Tool für die automatisierte Überwachung von Feedback-Kanälen. Neben den üblichen Social-Media-Plattformen ist auch eine Integration von Google Play, Zendesk, Jira oder die Salesforce Service Cloud möglich.

Es ist eine kostenpflichtige, spezialisierte Branchensoftware für das Marketing, die laut Hersteller Analysen in über 100 Sprachen beherrscht. Zum großen Funktionsumfang zählen auch die Sentiment-Analysen. Damit die möglichst präzise sind, nutzt die Software das "Natural Language Processing".

Hootsuite

Sentiment-Analyse Screenshot Hootsuite

Vom Kundenverhalten bis zum Markenschutz verspricht die Hootsuite einen großen Funktionsumfang, der natürlich auch eine Sentiment-Analyse beinhaltet. Und das in Realzeit, denn angeblich schafft es die Software, Gespräche, die beispielsweise online geführt werden, ebenso schnell zu analysieren, wie sie geschrieben werden. 

Wie ist die Meinung zu unserer Marke? Wann ist der bestmögliche Zeitpunkt, um ein neues Produkt einzuführen und was treibt die Konkurrenz eigentlich gerade? Diese Fragen lassen sich mit dem Werkzeug mit Leichtigkeit beantworten.

Lexalytics

Sentiment-Analyse Screenshot Lexalytics

Die Software Lexalytics wird als "Business Intelligence Solution" angesehen und ist in der Lage, jegliche Form von geschriebenen Inhalten – also Umfragen, Testberichte, Interviews, Kommentare und schlichte Textdokumente – zu analysieren und anhand einer Reihe von Parametern in nützliche Informationen zu verwandeln.

Der Fokus des Programms liegt in der Textanalyse und der Darstellung der gewünschten Quantitäten. Die eigentliche Interpretation muss das Unternehmen selbst durchführen. Der große Vorteil ist aber, dass jeder Datenpunkt mit Querverweisen versehen wird und auch über mehrere Ebenen kontextuell nachvollzogen werden kann.

FAQ

An dieser Stelle möchten wir auf einige Fragen, die im Zusammenhang mit dem Thema Sentiment-Analyse häufig gestellt werden, eingehen.

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