Sinnfluencer: Was sich hinter den "besseren" Influencern verbirgt und wie dein Marketing davon profitieren kann

Von Steffen Grigori
Zuletzt überprüft am 05.01.2024 | Lesezeit ca. Min.

von Andrea Gruber und Veronika Zadoroznaja

Endlose Palmenstrände, Sonnenschein an 365 Tagen im Jahr und perfekt aussehende, glückliche Menschen, die in die Kamera lächeln und Produkte präsentieren: Dieses Bild haben viele vor Augen, wenn sie den Begriff Influencer-Marketing hören. Bestes Beispiel dafür ist etwa Fitness-Influencerin Pamela Reif:

Doch es geht auch anders. In unserem Artikel stellen wir Sinnfluencer vor. Sie sind – zumindest in der Eigenwahrnehmung – individuell, kritisch und ihre Produkte sowie Unternehmenskooperationen nachhaltig. Und vielleicht sind sie genau das, was deiner Marketingstrategie noch fehlt.

Ein einziger Post zum Thema Nachhaltigkeit reicht nicht aus, um ein Sinnfluencer zu sein. Meist sucht sich ein Sinnfluencer ein Thema aus, auf das er sich spezialisieren will, und bespielt Instagram und Co. hauptsächlich und regelmäßig mit entsprechenden Inhalten.

Die Authentizität ist dabei ein wesentlicher Faktor – auch, um ein glaubwürdiger Markenbotschafter zu sein. Doch wovon hängt ab, ob man als grüner Influencer überzeugen kann?

Eine Studie hat dies auf Basis des Glaubwürdigkeitsmodells von Howland in Anlehnung an das Quellen-Attraktivitätsmodell und die Celebrity Endorser Credibility Scale untersucht und folgende drei Faktoren identifiziert:

  • Sachkenntnis: Expertenwissen ist die Basis dafür, dass man zum Meinungsbildner wird und die Follower den Aussagen vertrauen.
  • Wohlwollen: Hierbei geht es um altruistische Werte, die monetären Werten vorgezogen werden. Integrität und Vertrauensbildung stehen im Vordergrund.
  • Attraktivität: Gerade bei einem visuell ausgerichteten Kommunikationskanal wie Instagram ist dieser Faktor von Bedeutung. Sympathie und Nahbarkeit spielen jedoch eine ebenso große Rolle wie die klassische Übereinstimmung mit Schönheitsidealen.

Welche Themen bewegen Sinnfluencer? Aktuelle Beispiele aus Deutschland

Die tiefgreifenden Themen, die Sinnfluencer in ihren Posts behandeln, bilden eine gute Basis für mögliche Kooperationen. Also wollen wir hier spezifischer werden und stellen die wichtigsten Inhalte und einige dazu postende Sinnfluencer näher vor. Teilweise gibt es natürlich Überschneidungen bei den Themen; die hier erwähnten Personen solltest du aber auf jeden Fall kennen.

Bewusste Ernährung & Veganismus

Im Zentrum stehen hier die Konsumgewohnheiten und ihre Auswirkungen. Welche Vorteile hat es, beim Einkauf regionale und ökologische Produkte zu bevorzugen? Und wie kann mit der Produktauswahl das Wohl von Tieren gefördert werden?

Philipp Steuer postet über diese Themen und kombiniert vegane Rezeptideen mit aktuellen Diskussionen und informativen Fakten.

Zero Waste & Minimalismus

Wie kann Müllvermeidung im Alltag am besten umgesetzt werden? Es geht hierbei nicht nur um den Verzicht auf eine Verpackung oder darum, alles zu verkochen – vom Stängel bis zum Blatt. Es geht um ein Bewusstsein für den Unterschied zwischen Gebrauch und Verbrauch. Vieles, was heute auf dem Müll landet, lässt sich noch gebrauchen – man kann es reparieren oder kreativ einer neuen Verwendung zuführen.

Sinnfluencer wie Laura Mitulla oder Shia Su zeigen, wie der Konsum nachhaltiger und umweltbewusster werden kann.

Nachhaltigkeit & Umweltbewusstsein

Was bedeutet es, nachhaltig zu leben? Und wo gibt es im Alltag noch Potenzial, um umweltbewusster zu handeln und den ökologischen Fußabdruck zu verringern?

Luisa Neubauer ist hier die berühmteste Sinnfluencerin, die sich auf Nachhaltigkeit und das Thema Klimakrise spezialisiert hat. Neben ihrem Engagement bei Fridays for Future nutzt sie ihre Social-Media-Präsenz, um auf die Themen aufmerksam zu machen, für die sie kämpft.

Body Positivity

Von der Gesellschaft und den Medien wird oft ein Schönheitsideal propagiert, das ungesund und übertrieben ist. Sogenannte Problemzonen werden zu übergroßen, lebensbelastenden Problemen. Für viele überwiegen daher Selbstzweifel anstelle der Selbstliebe.

Charlotte Kuhrt und Madeleine Daria Alizadeh machen sich dafür stark, ein Mensch mit Ecken und Kanten – oder wohl eher Rundungen – sein zu dürfen. Sie wollen dazu inspirieren, ein positives Körpergefühl zu entwickeln.

Feminismus

Ida Marie Sassenberg setzt sich in den Sozialen Medien nicht nur für Selbstbestimmung ein und spricht öffentlich über sexuelle Belästigung, sondern hat auch bei dem Gesetz gegen „Upskirting“ mitgewirkt. Auf ihrem Instagram-Account regt sie zum Austausch über Alltagssexismus, Frauenrechte und Selbstliebe an.

Politische Themen

Mirko Drotschmann alias „MrWissen2Go“ informiert in Zusammenarbeit mit funk – einem Netzwerk des ZDF und der ARD – über politische und gesellschaftliche Themen. Vor allem auf seinem YouTube-Kanal postet er Videos zu aktuellen Geschehnissen und schafft es dabei, Politik und Geschichte verständlich und alltagstauglich zu vermitteln.

Was Sinnfluencer anders machen als Influencer und wie dein Marketing davon profitieren kann

Ohne Selbstvermarktung geht gar nichts! Und sowohl Influencer als auch Sinnfluencer sind Meister darin. Der Unterschied liegt in den Inhalten und der Art und Weise, wie sie kommuniziert werden.

Sinnfluencer posten gerne informationsreichen Content, der Follower zum Nachdenken anregen soll. Normale Influencer sind hingegen in der Regel dadurch berühmt geworden, dass sie eine bestimmte Lifestyle-Sparte (etwa: Fashion, Autos, Fitness) bespielen und dazu Content posten.

Egal ob Influencer oder Sinnfluencer – Produktplatzierungen sind bei beiden an der Tagesordnung. Jedoch sind sich die grünen Influencer bewusst, dass Konsum auch Vermehrung von Müll bedeutet, weshalb sie auf Extra-Anreize wie Rabattcodes vielfach verzichten.

Die Vielfalt der Themen ist breit gestreut und der Zugang kritischer als bei klassischen Influencern. Wie kann dein Unternehmen nun trotz Konsumkritik von solchen Kooperationen profitieren? Das schauen wir uns jetzt an.

Sinnfluencer-Kooperationen: Die Vorteile für dein Marketing

  • Bewusstsein

Wenn du dir der Problematik bewusst bist, befindest du dich schon auf dem richtigen Weg. Indem du mit jemandem zusammenarbeitest, der selbst aktiv Konsumkritik betreibt, zeigst du, dass dein Unternehmen das jeweils behandelte Problem anerkennt.

Bist du dir der Kritik bewusst, kannst du sie klar adressieren und deiner Zielgruppe das Gefühl geben, gehört zu werden. Das stärkt nicht nur das Vertrauen in deine Marke, sondern auch deine Authentizität.

Marie Nasemann, Fair-Fashion-Sinnfluencerin und Buchautorin aus Deutschland, beweist hier, wie das geht:

„Konsumiert wird sowieso. Ich möchte nur dafür sorgen, dass bewusst konsumiert wird, und wenn gekauft wird, dann auch die sinnvolleren Produkte. Die, die unter fairen Bedingungen entstanden sind.“
  • Branchen

Ein Vorteil für das Marketing ergibt sich auch aus den breit gestreuten Themenbereichen der Sinnfluencer. Bei den klassischen Influencern profitieren hauptsächlich Kosmetik- und Modefirmen von der Zusammenarbeit. Sinnfluencer eröffnen nun auch anderen Branchen die Möglichkeit, die Vorteile des Influencer-Marketings für sich zu nutzen.

  • Content

Da Sinnfluencer nicht nur Fotos, sondern auch informationsreichen, oft textlastigen Content posten, ergibt sich für dein Unternehmen die Möglichkeit, nähere Informationen über firmenspezifische Nachhaltigkeitsprojekte oder Auszüge aus dem Nachhaltigkeitsbericht über die Posts zu präsentieren.

  • Zielgruppe

Gerade wenn du die Generation Z als Zielgruppe erreichen willst, stellen Marketingkooperationen mit Sinnfluencern einen wichtigen Ansatzpunkt dar. Ausschlaggebend sind dafür vor allem zwei Faktoren:

  1. Erstens achten Konsumenten der Generation Z bei den Produkten, die sie kaufen, verstärkt auf die ethischen und nachhaltigen Aspekte.
  2. Zweitens sind sie Digital Natives – ihr Zuhause sind das Netz und die sozialen Medien. Hier informieren sie sich, hier vernetzen sie sich und hier fallen ihre Kaufentscheidungen.
  • Kundenbindung

Ein weiterer Pluspunkt von Sinnfluencer-Marketing ist das hohe Nachhaltigkeits- und Qualitätsbewusstsein der Kunden. Hat es dein Unternehmen oder dein Produkt erst einmal geschafft, ihren strengen Kriterien zu entsprechen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass eine längerfristige Kundenbindung zustande kommt.

Sinnfluencer-Marketing: Herausforderungen und wie du damit umgehst

Für viele Unternehmen ist das Influencer-Marketing inzwischen ein wichtiger Bestandteil ihres Marketing-Mix. Und der Trend der Neo-Ökologie wird dem Zukunftsinstitut zufolge die 2020er Jahre weiterhin stark prägen. Nachhaltigkeit und Ökologie sind also immer bedeutsamere Auswahlkriterien beim Einkauf. Somit bietet sich der Wechsel zu „Greenfluencern“ statt Influencern als Werbefiguren natürlich an.

Dennoch gibt es hier natürlich auch eine Kehrseite: erfolgreiche Kooperationen mit Sinnfluencern setzen ein besonderes Maß an Planung und Bedacht voraus. Das liegt vor allem daran, dass das Publikum besonders kritisch ist und Unternehmen schon für die kleinsten Fehler schwer verurteilt.

Wer also einen Shitstorm vermeiden will, sollte sich genau überlegen, wen er für sich werben lässt. Auf die folgenden Aspekte solltest du besonders Acht geben.

Greenwashing

Von Greenwashing ist immer dann die Rede, wenn einem Unternehmen vorgeworfen wird, mit Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein zu werben, ohne diese Ansprüche tatsächlich zu erfüllen.

Um einen solchen Skandal zu verhindern, kannst du natürlich einige Vorkehrungen treffen:

  • Sei stets ehrlich und transparent
  • Betreibe Recherche und finde heraus, was sich deine Zielgruppe von deinem Unternehmen wünscht
  • Setze dir realistische Nachhaltigkeits-Ziele und halte deine Community über neue Entwicklungen auf dem Laufenden
  • Lasse deine Nachhaltigkeitsberichte im Zweifelsfall extern prüfen

Da du bei einer Kooperation jedoch nicht allein für den Ruf deiner Marke bürgst, sollte deine Recherche nach glaubwürdigen und authentischen Sinnfluencern mit qualitativ hochwertigem Content sorgfältig ausfallen.

Schließlich gibt es auch Influencer, die sich zu Sinnfluencern gemausert haben. Louisa Dellert zum Beispiel ist heute eine der bekanntesten deutschen Influencerinnen mit Sinn. Angefangen hat sie jedoch mit Fitnessvideos – heute postet sie zu Themen wie Feminismus, Akzeptanz von Problemzonen und hat einen eigenen Podcast (louklaert).

Annemarie Imgrund wurde ebenso als Influencerin berühmt. Nach dem Unglück im Rana Plaza Textilgebäude in Bangladesch ist ihr Zugang zum Konsum ein anderer. Heute trägt sie hauptsächlich Secondhand-Kleidung, propagiert Müllvermeidung und ist Werbebotschafterin für umweltbewusste Unternehmen.

Nicht jeder aus ihrer alten Fangemeinde wird den beiden auf ihrem neuen Weg gefolgt sein, doch diejenigen, die es tun, sorgen für eine breit gestreute Basis an Followern – die wiederum fürs Marketing besonders vielversprechend ist.

Um dir also bei der Auswahl potenzieller Kooperationspartner zu helfen, ist hier eine Checkliste:

  • Welche Themen werden auf dem Social-Media-Profil behandelt?
  • Wie hochwertig sind die Themen aufbereitet?
  • Welche Kommunikationsmittel werden verwendet?
  • Gibt es einen Nachweis für die Expertise?
  • Was sind die KPIs der Sinnfluencer?
  • Welche Posting-Arten finden sich im Feed?
  • Wird mit der Community auf Augenhöhe kommuniziert?
  • Gibt es Kritik aus der Community? Wenn ja: Welche?
  • Wird auf Fragen und Bedenken der Community eingegangen?

Brand Fit

Sollte die Kooperation Zweifel an ihrer Authentizität aufwerfen, hast du nicht nur Ressourcen in eine nutzlose Maßnahme investiert, sondern im schlimmsten Fall auch einen Skandal am Hals, der dich das Vertrauen in deine Marke sowie deinen Ruf kosten könnte.

Die Authentizität einer Sinnfluencer-Kampagne kann nicht nur durch Greenwashing-Vorwürfe gefährdet werden; ebenso entscheidend ist der Brand Fit.

Diese Aspekte solltest du deshalb unbedingt berücksichtigen:

  • Themen: Angesichts der großen Bandbreite an Themen, die Sinnfluencer behandeln, wird nicht jeder von ihnen für eine Kooperation mit deinem Unternehmen infrage kommen. Um also nicht den Anschein zu erwecken, die Zusammenarbeit erfolge nur aus kommerziellen Gründen, achte darauf, dass ihr gemeinsame Werte teilt.
  • Zielgruppe: Dein Kooperationspartner sollte außerdem eine Fanbase haben, die deiner Zielgruppe entspricht. Dafür musst du dir natürlich zuerst darüber im Klaren sein, wen du mit deinem Marketing erreichen willst, um dich dann auf die Suche nach einem entsprechenden Influencer zu begeben.

Kommunikation

Um sicherzugehen, dass die Kooperation so abläuft, wie du es dir erhoffst, ist gute Kommunikation unentbehrlich. Vergewissere dich, dass du und dein Werbepartner

  • dieselben Interessen verfolgt,
  • offen und ehrlich über Wünsche und Probleme sprecht,
  • euch über Inhalte und Formate einig seid und
  • regelmäßig miteinander in Kontakt steht.

Rechtliches

Auch rechtliche Vorkehrungen solltest du bei deiner Sinnfluencer-Kampagne treffen, um für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen und Bußgelder oder schlimmstenfalls Rechtsverfahren zu vermeiden.

  • Kennzeichnungspflicht: Beachte, dass Werbebeiträge in Deutschland laut Gesetz als solche gekennzeichnet werden müssen.
  • Urheberrechte: Sorge für entsprechende Nutzungsrechte an Bildern und Videos, die du für deine Kampagne verwenden möchtest.
  • Datenschutz: Berücksichtige aktuelle Bestimmungen der derzeit geltenden Datenschutzgrundverordnung.
  • Vertragliche Vereinbarungen: Halte Vereinbarungen, beispielsweise zur Vergütung, der Dauer und Art der Zusammenarbeit sowie Pflichten und Rechte beider Parteien schriftlich fest.

Sinnfluencer-Marketing: Beispiele für erfolgreiche Kampagnen

Natürlich ergibt es auch Sinn, sich von gut umgesetzten Sinnfluencer-Kampagnen inspirieren zu lassen. Anina Mutter und ihre Kooperation mit RRREVOLVE zeigt, wie ein guter Brand Fit aussieht.

Aber auch die Zusammenarbeit von Jess&Flo mit Tartex ist als Best-Practice erwähnenswert.

Und dass dabei nicht immer der Mensch im Fokus stehen muss, zeigt uns Annemarie Imgrund mit ihrem Kooperationspartner GRAU generation pet.

Fazit

Auch wenn sich manche Sinnfluencer der Kritik stellen müssen, als Werbebotschafter tätig zu sein, stellt sich doch die Frage, ob von diesen Kooperationen nicht alle profitieren können. Die Zusammenarbeit mit den Greenfluencern stellt eine Chance für nachhaltige Unternehmen dar, und vielen Menschen wird aufgezeigt, dass auch umweltbewusste Alternativen möglich sind.

Besonders jüngere Zielgruppen wie die Generation Z erreicht man über digitale Medien. Sie lieben Nachhaltigkeit, Individualität, das Gefühl, vernetzt zu sein und etwas zu bewirken. All das findet sich perfekt im Sinnfluencer-Marketing wieder.

Häufig gestellte Fragen

An dieser Stelle möchten wir auf einige Fragen, die im Zusammenhang mit dem Thema Sinnfluencern häufig gestellt werden, eingehen.

Quellen:

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