Social Commerce: Definition, Beispiele & Best Practices für den Verkauf über die sozialen Medien

Von Uwe Roschmann
Aktualisiert am 05.01.2024 | Lesezeit ca. Min.

Schnell, schneller, Social Commerce. Die neue Abverkaufsform, auch Conversational Commerce oder Discovery Commerce genannt, ist das derzeit wohl spannendste Commerce-Thema und die nächste Zündstufe in der Verschmelzung von Handel und Internet.

Wer jedoch den Fehler macht, Social Commerce als Trend zu sehen, hat nicht begriffen, worum es hier im Kern geht. Social Commerce ist viel mehr als ein Trend. Das Prinzip von „sehen, klicken, kaufen“ ist eine Disruption des Abverkaufsmanagements, wie wir es bisher kennen. Produkte direkt über die sozialen Netzwerke zu verkaufen, wird den Handel über alle Branchen hinweg auf den Kopf stellen.

Denn anders als beim E-Commerce, bei dem sich das Einkaufserlebnis über eine Website, eine spezielle Marken-App oder einen Marktplatz definiert, wird es Social Commerce Kunden ermöglichen, Einkäufe innerhalb einer Social-Media-Erfahrung zu tätigen.

Diese Unterscheidung per Definition ist elementar wichtig: Social Commerce ist nicht wie herkömmlicher E-Commerce zu verstehen. Beim vollintegrierten Social Commerce findet das gesamte Einkaufserlebnis – von der Produktentdeckung bis hin zum Check-out-Prozess – nahtlos am gleichen Ort, auf einer einzigen Social-Media-Plattform und in kürzester Zeit statt.

China: Hier funktioniert Social Commerce schon

In China hat sich Social Commerce längst als umsatzstarke Handelsform etabliert. Scannen, PIN eingeben, kaufen – das ist hier schon Alltag. Für die meisten Chinesen ist es selbstverständlich, in den sozialen Netzwerken Produkte nicht nur zu entdecken oder empfohlen zu bekommen, sondern sie gleich an Ort und digitaler Stelle zu kaufen. Chinesische Händler richten dazu spezielle Apps oder Webshops in den Netzwerken ein.

Doch auch auf dem europäischen Market gewinnt Social Commerce massiv an Bedeutung. Weil sich Verbraucher immer stärker im digitalen und mobilen Bereich bewegen, werden eine hochwertige User Experience und digitale Services immer wichtiger. Das betrifft auch die Kommunikation an sich, sie wird situativer, spontaner und persönlicher. Wer hier den Anschluss verpasst, wird in Zukunft massive Probleme bekommen.

Aus der Consumer Journey wird der Consumer Moment

Doch gehen wir zunächst wieder einen Schritt zurück und betrachten, was Social Commerce so besonders macht. Das grundlegende Prinzip ist in seiner Einfachheit so elegant wie radikal: Der komplette Entscheidungs- und Verkaufsprozess wird auf das Wesentliche, auf den innersten Kern reduziert. Durch diese extrem verschlankten Prozesse wird Kunden der Einkauf leichter gemacht als je zuvor. Kunde ist da. Kunde sieht Produkt. Kunde kann nirgends anders hin als zur Kasse.

Im Kern geht es darum, den Punkt zu nutzen, an dem die Kaufabsicht und die Begeisterung für ein Produkt am höchsten ist. In den letzten Jahren hat eine Vielzahl von Medien und Kanälen die Customer Journey immer länger und komplizierter gemacht. Jetzt steht eine Kehrtwende an. Kunden werden ganz bewusst auf der Plattform gelassen. Hierin liegt der bedeutendste strategische Shift, den Social Commerce auslösen wird.

Social Commerce beseitigt außerdem die Reibungspunkte in der Customer Journey und damit auch gleich die große Schwachstelle des herkömmlichen Online-Shoppings: den Warenkorbabbruch. Allein 23 Prozent der Warenkorbabbrüche lassen sich darauf zurückführen, dass der Kaufprozess zu lang und zu umständlich ist. Damit übertrifft die Effizienz der Customer Journey von Social Commerce den typischen E-Commerce-Kauf um ein Vielfaches. Social-Media-Engagement kann in Zukunft direkt in Verkäufe umgewandelt werden.

Dabei ist nicht allein die riesige Anzahl an Nutzern ausschlaggebend, ein viel größerer Trumpf ist die Tatsache, dass diese mit Freunden und Gleichgesinnten eine Online-Community bilden. Markenwerbung und Verkaufskommunikation verschmelzen mit Bewertungen und Empfehlungen. Reach und Leads werden zu ein und derselben Erfolgswährung.

Social Commerce: Die kommerzielle Evolution

Social Commerce ist eine neue Antwort auf die Frage, wie Produkte zum Verbraucher gelangen. Getragen wird das neue Verkaufskonzept dabei hauptsächlich von zwei starken Säulen: der kommunikativen Sogwirkung und gigantischen Reichweite von Social Media und den ausgereiften logistischen und technischen Prozessen des E-Commerce. Für wirklich erfolgreiche Angebote muss man beide Disziplinen in Zukunft virtuos beherrschen.

Social Commerce Screenshot

Denn: Soziale Medien sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen und ein nahezu unvermeidlicher Teil des modernen Lebens geworden. Vernetzt und online ist das neue Normal. In der Welt der Technologie gibt es seit Telefon oder Fernsehen eigentlich nichts, das diesen Grad an Attraktivität und globaler Durchdringung erreicht hätte. Als kulturelles Phänomen betrifft Social Media das Individuum genauso wie die Gesellschaft und die Wirtschaft.

Das Momentum von Social Media ist im Marketing daher entsprechend riesig. Und das aus gutem Grund. Die Plattformen der GAFAs – Google, Amazon, Facebook und Apple – bieten Marken die Möglichkeit, sich online zu präsentieren und schnell bekannt zu werden. Dazu kommt das Potenzial, User direkt online anzusprechen und im Gegenzug auch immer für geneigte Kunden erreichbar zu sein. Unternehmen können so genau den Menschen begegnen, die sie suchen – und umgekehrt.

Die Möglichkeiten sind – genau wie die Reichweiten – nahezu grenzenlos. Für Werbungtreibende bietet Social Media ein noch nie da gewesenes Potenzial, Verbindungen zwischen Konsumenten und Brands zu schaffen. Social Commerce ist somit die einzig logische Maßnahme, die sich das hier vorherrschende Verhalten gewinnbringend zunutze macht.

Für jeden Touchpoint die richtige Benutzeroberfläche: Headless macht’s möglich

Mit dem nächsten Wandel im Kundenverhalten werden neue organisatorische und technologische Strategien erforderlich. Marken und Handel müssen in der Lage sein, ihr digitales Geschäft in einer Zeit auszubauen, in der die Customer Journeys zunehmend fragmentiert sind und in der immer wieder – und immer schneller – neue Touchpoints entstehen.

In Anbetracht dieser neuen Komplexität und ihrer Herausforderungen müssen technische Strukturen und Prozesse flexibler werden. Die Zeiten monolithischer Software, die vorschreibt, wie ein Frontend aufgebaut sein muss, sind vorbei. Dank neuer Headless-Lösungen müssen sich Unternehmen nicht länger an ein festes Template halten. Stattdessen lässt sich für jeden Touchpoint die richtige Art von Benutzeroberfläche aufbauen. Oder anders gesagt: jedes Frontend kann in Zukunft Commerce-tauglich gemacht werden.

Für Unternehmen bietet das große Vorteile. Ändert sich beispielsweise eine Produktinformation, lässt sich diese mit nur einem Klick an jedem Touchpoint direkt aktualisieren. Ein vom Backend getrenntes Frontend verschlankt zudem die IT-Infrastruktur deutlich und macht sie beliebig skalierbar.

Neue Kanäle oder neue Features wie Chatbots oder Voice Commerce lassen sich ohne großen Aufwand integrieren. Somit können Unternehmen auch einfacher testen, was bei ihren Kunden gut ankommt, ohne dafür immer wieder die gesamte Backend-Logik testen zu müssen.

Social Commerce: Komplex, aber zukunftsweisend

Der Mix aus strategischer Weitsicht und technischer Machbarkeit macht Social Commerce für Marketingtreibende und Strategieverantwortliche zu einem extrem komplexen Handlungsfeld. Damit die Rechnung buchstäblich aufgeht, müssen diverse Makro- und Mikrotrends von Influencern, Live Shopping, Empfehlungsmarketing und neuen Ansprüchen an Kundenkommunikation, aber eben auch das technische Handwerkszeug – vom Headless-System, CMS oder Bezahldienstleistungen bis zu reibungslosen Vertriebsstrukturen – auf den Punkt genau sitzen.

Aber wenn alles sitzt, ist die Zukunft golden: Social Commerce wird Unternehmen völlig neue Ansätze in punkto Customer Relations, Engagement oder Targeting ermöglichen. Marken werden in die Lage versetzt, Kunden zu zeigen, was sie interessiert – noch bevor diese selbst danach suchen. Mit einem Klick oder einer einzigen Nachricht wird Bedarf geschaffen und im selben Moment auch bedient.

Die GAFAs haben die Tragweite dieser Entwicklung längst erkannt und sich bereits in Startposition gebracht. Ebenso ihre chinesischen Gegenstücke, die BATs:

  • Baidu
  • Alibaba
  • Tencent

Dass hier gerade so immens viel Zeit und Geld investiert wird – Amazon und Google-Mutter Alphabet gehören zu den Firmen mit den weltweit höchsten Forschungsausgaben – ist ein Zeichen dafür, dass Social Commerce rasant wachsen wird. Alle arbeiten an Lösungen, die die Nutzer ohne Umwege dort erreichen, wo sie ohnehin schon einen Großteil ihrer Zeit verbringen: in den Social-Media-Netzwerken.

Social Commerce wird in der gesamten Handelslandschaft für einen fundamentalen Paradigmenwechsel sorgen. Auf diese Zukunft gilt es, sich heute vorzubereiten. Technisch und infrastrukturell. Wer sich jetzt bereits strategisch, technisch und kommunikativ im Social Commerce aufstellt, wird mittelfristig zu den Gewinnern zählen.

Doch die Wenigsten sind schon heute technisch im Backend bereit, das Potenzial von Headless – und damit die Reichweiten und Konvertierungschancen von Social Commerce – zu nutzen. Genau das aber gilt es heute anzupacken, um morgen noch mitspielen zu können.

Die 3 ersten Schritte in Richtung Social Commerce

Grundlage für den Einstieg in den Social Commerce ist – neben einem bestehenden Social-Media-Auftritt – eine ausgefeilte strategische, inhaltliche und kreative Planung.

Fragen wie

  • „Kann bereits nach Produkten gesucht werden?“
  • „Was ist nötig, um eine Kaufoption einzuführen?“
  • „Welche KPIs sollen zugrunde gelegt werden und wie werden sie gemessen?“

sollten grundsätzlich geklärt sein.

Gerade dann, wenn man mit Social Commerce Neuland betritt, ist es entscheidend, mit dem richtigen Mindset an das Thema heranzugehen, nämlich „Test – Learn – Improve“, denn nicht alles wird immer gleich auf Anhieb gelingen.

Handlungsempfehlungen für Phase 1 – Einführungsphase

Zum Start sämtlicher Social-Commerce-Aktivitäten sollte der Fokus zunächst auf der wichtigsten Zielgruppe liegen, um gewonnene Erkenntnisse aus einer möglichst starken Basis heraus später skalieren und auf weitere Zielgruppen und zum Beispiel Look-A-Likes ausweiten zu können.

Auch sollte darauf geachtet werden, dass die Funktionalitäten wie das Produkt-Tagging in eigenen Assets wie Posts, Stories oder auch Werbemitteln grundlegender Standard sind und Preisangaben und Produktdetails etc. innerhalb der sozialen Netzwerke eingesetzt werden. Eingesetzte Call-to-Actions sollten ohne Umwege direkt zur Produktseite oder mindestens zur Kauf-Website führen. Mit Hilfe von automatisiertem Social Listening können im Verlauf Trends bereits früh erkannt und die Zufriedenheit von Kunden sowie Kundenbewertungen geprüft und überwacht werden.

Das Wichtigste jedoch ist bereits hier, den Kaufabwicklungsprozess so einfach wie nur möglich zu gestalten.

Handlungsempfehlungen für Phase 2 – nach erfolgreicher Einführungsphase

Spätestens jetzt sollte ein Community-Management für die direkte Kommunikation mit Konsumenten etabliert werden: Das Community-Management hat sämtliche Aktivitäten auf den Kanälen direkt im Blick, ist die jederzeit erreichbare Anlaufstelle für Konsumenten und kommuniziert auch proaktiv direkt mit den Zielgruppen.

Zusätzlich sollten nun für alle Nutzer digitale Kataloge und/oder Kollektionen bereitstehen – auf allen sozialen Medien, wo dies möglich ist. Alle gezeigten Produkte sollten standardmäßig und möglichst automatisiert bei allen Posts vertaggt werden.

Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist: Funktioniert die Shop-Anbindung mit allen sozialen Plattformen ohne Probleme? Wenn nicht, sollte hier zwingend nachgebessert werden. In dieser Phase sollten, ggf. zusätzlich, auch native Shop-Angebote der sozialen Netzwerke, zum Beispiel Facebook Shops, ausgetestet und mit den „eigenen Ergebnissen“ verglichen werden. Auch erste Schritte beim Live Shopping, beim Einsatz von zum Beispiel Messengern oder Influencer-Kooperationen, sollten spätestens in dieser Phase getestet werden und erste Erkenntnisse erzielt haben.

Handlungsempfehlungen für Phase 3 – die ersten Umsätze mit Social Commerce sind erzielt und erfolgversprechend

Nun gilt es, die eigene Strategie stetig zu optimieren und vor allem auch zu skalieren. Das bedeutet, die Consumer Journey immer weiter zu verkürzen, etwa mit cleveren Absprüngen oder Integrationen, sodass echte Consumer Moments entstehen können.

Die Stärke der sozialen Netzwerke in Sachen Customer-Relationship-Management (CRM) sollte optimal ausgereizt werden. Kundenbindung ist das entscheidende Momentum, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Und last but not least: die Media Spendings sollten ständig, insbesondere auf „Post Klick“-KPIs hin, überprüft werden.

FAQ

An dieser Stelle möchten wir einige häufige Fragen zum Thema Social Commerce beantworten.

Quellen:

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