Können Überstunden eigentlich verfallen? Auch im Jahr 2024 stellen sich viele verunsicherte Arbeitnehmer diese Frage. Unser ausführlicher Artikel erklärt dir die rechtlichen Aspekte rund um Überstunden und ihre Verfallsfristen:
- Arbeitsvertragliche Regelungen und Fristen bezüglich Überstunden
- Verjährungsfristen bei Entgeltforderungen
- Auswirkungen von Urlaub, Mutterschutz und Kündigung auf den Verfall von Überstunden
Sei nicht länger besorgt – hier findest du wertvolle Tipps und praktische Lösungsansätze, die dir helfen werden.
Wie lange darf man Überstunden mit ins neue Jahr nehmen?
Die Überstundenregelung beim Jahreswechsel hängt vom individuellen Arbeitsvertrag ab. In der Regel dürfen die Überstunden bis maximal drei Monate ins neue Jahr übertragen werden. Informiere dich in deinem Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag über die exakte Regelung zu Überstunden.
Überstunden verfallen: Die rechtlichen Grundlagen
Das Arbeitszeitgesetz und Überstundenregelungen
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) legt die zulässige Arbeitszeit fest und gewährleistet so, dass Arbeitnehmer keinen dauerhaften Überlastungen ausgesetzt sind.
In bestimmten Situationen, etwa bei vorübergehend erhöhtem Arbeitsaufwand, sind Überstunden aber unvermeidlich. In diesen Fällen spielt das Arbeitszeitkonto eine wichtige Rolle, da es dazu dient, die geleisteten Überstunden zu erfassen und entsprechend auszugleichen.
Lesetipp
Zum Thema Überstunden findest du bei acquisa zahlreiche weitere Artikel. Klick dich rein:
Ständig Überstunden wegen Personalmangel: Lösungsansätze für eine strategischere Personalplanung
Überstunden auszahlen oder lieber abfeiern? Gesetzliche Grundlagen und Tipps für 2024
Überstunden nach Kündigung: Auszahlen oder abfeiern? Gesetzliche Grundlagen und Tipps für 2024
Überstunden mit Gehalt abgegolten: Ist das zulässig? Alles zu gesetzlichen Regelungen in 2024
Arbeitsvertragliche Regelungen zum Verfall von Überstunden
Im Arbeitsrecht ist der Verfall von Überstunden vertraglich geregelt. Dabei kommen häufig sogenannte Ausschlussklauseln zum Einsatz, welche Fristen beinhalten, innerhalb derer Arbeitnehmer ihre Ansprüche aus Überstunden geltend machen müssen.
Diese Fristen können sowohl einstufig als auch zweistufig gestaltet sein:
- Einstufige Ausschlussfrist: Frist zur Geltendmachung der Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber
- Zweistufige Ausschlussfrist: Frist zur Geltendmachung der Ansprüche sowie eine zusätzliche Frist zur Klageerhebung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied in einem Urteil von 2018, dass solche Fristen zulässig sind, sofern sie nicht zu kurz bemessen sind und dem Arbeitnehmer genügend Zeit zur Durchsetzung seiner Ansprüche bieten. Unzulässig sind demnach Fristen, die weniger als drei Monate betragen.
Verjährungsfristen nach § 195 BGB
Die Verjährungsfrist für Überstunden ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und ist in § 195 BGB festgeschrieben:
- Verjährungsfrist: Entgeltforderungen aus dem Arbeitsvertrag unterliegen einer gesetzlichen Verjährungsfrist von drei Jahren, beginnend mit der Fälligkeit des Anspruchs.
- Beginn der Verjährungsfrist: Die Verjährungsfrist startet am ersten Tag des Folgejahres, nachdem die Überstunden geleistet wurden, und endet mit Ablauf des dritten Jahres nach Beginn der Verjährung.
Wichtig zu beachten ist, dass seit dem 01.10.2016 Regelungen im Arbeitsvertrag, welche eine schriftliche Geltendmachung der Ansprüche verlangen, gemäß § 309 Nr. 13 BGB unwirksam sind. Daher genügt die Geltendmachung der Ansprüche in Textform.
Sind die Verjährungsfristen abgelaufen, so sind die Überstundenansprüche verjährt und können nicht mehr geltend gemacht werden. Deshalb ist es für Arbeitnehmer essentiell, ihre Arbeitszeiten und rechtlichen Ansprüche bezüglich der Überstunden sorgfältig zu dokumentieren und fristgerecht zu beantragen.
Anordnung und Vergütung von Überstunden
Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind gleichermaßen daran interessiert zu wissen, unter welchen Bedingungen Überstunden angeordnet werden dürfen und wie sie vergütet werden. Dabei spielen mehrere Schlüsselfaktoren eine entscheidende Rolle.
Wann darf der Arbeitgeber Überstunden anordnen?
Arbeitsverträge und Tarifverträge bieten üblicherweise einen klaren Rahmen für das Anordnen von Überstunden, indem sie Regelungen zu diesem Thema enthalten. Solche Regelungen können spezifische Voraussetzungen und Grenzen für zusätzliche Arbeitsstunden festlegen.
In der Regel ist der Arbeitgeber berechtigt, Überstunden anzuordnen, wenn betriebliche Notwendigkeiten dies erfordern. Dabei müssen jedoch sowohl die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes als auch die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt werden.
Die Rolle des Arbeitszeitkontos bei Überstunden
Durch ein Arbeitszeitkonto wird die Transparenz der geleisteten Arbeitsstunden für Arbeitnehmer und Arbeitgeber sichergestellt. Beide Seiten können so stets den aktuellen Stand der Überstunden und deren Vergütung im Blick behalten.
Insbesondere bei flexiblen Arbeitszeitmodellen, wie etwa Gleitzeit, ist ein Arbeitszeitkonto unerlässlich, um den Überblick zu behalten und gesetzlichen Bestimmungen gerecht zu werden.
Auszahlung und Abgeltung von Überstunden
Arbeits- und Tarifverträge regeln häufig die Vergütung von Überstunden. Dabei existieren verschiedene Entlohnungsoptionen:
- Überstundenvergütung: Ein zusätzlicher Betrag zur regulären Vergütung für geleistete Mehrarbeit
- Überstundenzuschlag: Ein Prozentsatz, der als Zuschlag auf den normalen Verdienst für die Mehrarbeit gezahlt wird
- Freizeitausgleich: Anstelle einer finanziellen Entlohnung können erworbene Überstunden durch Freizeit ausgeglichen werden (meist in Absprache mit dem Arbeitgeber)
- Ausgleichsquittung: Durch den Ausgleich des Arbeitszeitkontos am Monatsende lassen sich Überstunden abgelten. Dennoch beginnt die Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB erst nach dem Ausgleich des Kontos.
- Lebensarbeitszeitkonten oder Jahreskonten: Bei dieser Vorgehensweise werden Überstunden auf einem Arbeitszeitkonto gesammelt. Daraus resultierend können längerfristige Freizeitphasen oder eine vorzeitige Rente finanziert werden.
Gemäß § 614 BGB richtet sich die Auszahlung oder der Abgeltungszeitpunkt von Überstunden nach der Fälligkeit des Gehalts, also bei einem Monatslohn am Monatsende. Abweichende Fälligkeiten können jedoch auch in Arbeits- und Tarifverträgen vereinbart werden.
Laut einem Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 09.03.2010 verjähren Ansprüche auf Überstundenvergütung gemäß § 195 BGB nach drei Jahren. Daher ist es wichtig, dass Arbeitnehmer ihre Ansprüche innerhalb dieser Frist geltend machen.
Überstundenabbau und Arbeitgeberentscheidungen
Ein strukturierter Überstundenabbau ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen wichtig. Dabei sind arbeitsvertragliche oder betriebliche Regelungen sowie rechtliche Bestimmungen von Bedeutung, um einen geordneten Ablauf sicherzustellen und Probleme wie den Verfall von Überstunden zu vermeiden.
Arbeitnehmerrechte beim Abbau von Überstunden
Arbeitnehmer haben das Recht, ihre Überstunden abzubauen. Dabei müssen einige Fristen und Regelungen berücksichtigt werden:
- Ausschlussklauseln in Arbeits- und Tarifverträgen: Solche Klauseln können den Verfall von Überstunden regeln, dürfen allerdings nicht zu kurz bemessen sein. Die Frist muss mindestens drei Monate betragen. In Tarifverträgen sind fristverkürzende Klauseln aufgrund der Tarifautonomie wirksam.
- Betriebsvereinbarungen: Ausschlussklauseln sind generell zulässig, dürfen jedoch nicht gegen bestehende Tarifverträge verstoßen.
Gleitzeit-Regelungen und der Verfall von Überstunden
Gleitzeitregelungen können eine flexible Verwaltung von Überstunden gewährleisten und deren Verfall verhindern:
- Arbeitnehmer können je nach individueller Arbeitszeitgestaltung ihre Überstunden abbauen.
- Arbeitnehmer haben häufig die Möglichkeit, Überstunden in Freizeit umzuwandeln oder sich auszahlen zu lassen.
- Kündigung: Im Falle einer Kündigung hat der Arbeitnehmer das Recht, offene Überstunden gutgeschrieben oder in Freizeit umgewandelt zu bekommen, sofern sie vom Arbeitgeber genehmigt wurden. Dabei sind die jeweilige frist- und arbeitsvertragliche Regelung zu beachten.
Besondere Situationen für Überstunden und deren Verfall
Verfall von Überstunden bei Krankheit
Der Verfall von Überstunden im Krankheitsfall kann für Arbeitnehmer relevant sein, insbesondere wenn die Überstunden durch Freizeitausgleich abgegolten werden sollen.
Nehmen wir an, Überstunden aus dem August 2021 verfallen nach dem 31.12.2024 – das Risiko des Verfalls durch Krankheit liegt beim Arbeitnehmer selbst. Die Ausschlussfrist gemäß Betriebsvereinbarungsgesetz (BetrVG) ist für unstreitige und vom Arbeitgeber anerkannte Überstunden nicht anwendbar.
Kurz zusammengefasst:
- Mehrarbeitsansprüche können während einer Krankheit verfallen
- Das Risiko für den Verfall trägt der Arbeitnehmer
- Unstreitige Überstunden unterliegen nicht den BetrVG-Ausschlussfristen
Einfluss von Urlaub und Mutterschutz auf den Verfall von Überstunden
Auch Urlaubs- und Mutterschutzzeiten können den Verfall von Überstunden beeinflussen. Um einen möglichen Verfall abzuwenden, sollten Arbeitnehmer ihre Ansprüche auf unbezahlte Überstunden rechtzeitig geltend machen. Dennoch gilt die tarifvertragliche Regelung von Mehrarbeit und Überstunden inklusive der jeweiligen Ausschlussfristen für diese Ansprüche als entscheidend.
Auswirkungen von Betriebsübergängen und Kündigungen auf Überstunden
Bei Betriebsübergängen und Kündigungen können sich die Regelungen zu Überstunden und deren Verfall ändern. Zwar bleibt der Arbeitsvertrag bestehen, aber er kann hinsichtlich Überstunden anderen Regelungen unterliegen. Dabei sind der jeweilige Tarifvertrag, betriebliche Vereinbarungen und das Arbeitsrecht von Bedeutung.
- Im Falle eines Betriebsübergangs bleiben Arbeitsverträge bestehen, können jedoch bezüglich Überstunden abweichenden Regelungen folgen
- Eine Kündigung kann dazu führen, dass Überstundenansprüche innerhalb von Monaten verfallen, wobei die genaue Frist vom jeweiligen Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag abhängt
- Vor einem Betriebsübergang oder einer Kündigung sollten Arbeitnehmer ihre Rechte bezüglich Überstunden kennen und gegebenenfalls geltend machen
Fazit: Überstunden verfallen nicht unwiederbringlich
Um den Verfall von Überstunden zu verhindern, ist es entscheidend, die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, Arbeits- und Tarifverträge genau zu kennen und geleistete Überstunden sorgfältig zu dokumentieren. Die Anordnung und Vergütung von Überstunden sind von verschiedenen Aspekten abhängig, wobei arbeitsvertragliche und betriebliche Regelungen eine bedeutende Rolle einnehmen.
Deine zentralen Erkenntnisse des Artikels:
- Ausschlussfristen: In Arbeits- und Tarifverträgen können Fristen enthalten sein, innerhalb derer Arbeitnehmer ihre Ansprüche auf Überstunden geltend machen müssen.
- Verjährungsfristen: § 195 BGB sieht eine gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren für Überstundenansprüche vor, die ab dem folgenden Jahr der geleisteten Überstunden beginnt.
- Strategien zum Abbau: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten gemeinschaftlich eine strukturierte Vorgehensweise zum Abbau von Überstunden erarbeiten, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit zu gewährleisten.
Die frühzeitige und effektive Identifikation der eigenen Überstundenregelungen trägt maßgeblich dazu bei, unerwünschte Verfallsszenarien zu vermeiden. Proaktives Handeln und offene Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bilden die Grundlagen, um gemeinsam einen guten Ansatz zur Vermeidung unnötiger Belastung und ungenutzter Überstunden zu entwickeln.
Dieser Beitrag ist nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig zusammengestellt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit und Ausschließlichkeit der Inhalte gestellt. Die in diesem Beitrag zur Verfügung gestellten Informationen sind unverbindlich, ersetzen keine juristische Beratung und stellen keine Rechtsauskunft dar.
FAQ
Nachfolgend sind die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengefasst.
Wann müssen Überstunden nicht bezahlt werden?
Überstunden müssen nicht bezahlt werden, wenn im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ausdrücklich geregelt ist, dass sie abgegolten sind. Klare Kommunikation mit dem Arbeitgeber und genaue Dokumentation der geleisteten Stunden sind empfehlenswert.
Wer entscheidet, was mit Überstunden passiert?
Überstundenregelungen werden vom Arbeitgeber festgelegt, können aber durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung beeinflusst werden. Kläre deine persönliche Situation, indem du Verträge prüfst und Gespräche mit Vorgesetzten führst. Offene Kommunikation hilft, Missverständnisse zu vermeiden.
Kann mein Arbeitgeber mich zwingen, meine Überstunden abzubauen?
Ja, dein Arbeitgeber kann dich zum Abbau von Überstunden auffordern, wenn dies vertraglich oder betrieblich geregelt ist. Eine Absprache zur Vermeidung von Überlastung ist empfehlenswert. Bei Problemen hilft die Betriebsvereinbarung oder der Tarifvertrag weiter.
Müssen Arbeitnehmer auf den Verfall ihrer Überstunden hingewiesen werden?
Arbeitnehmer müssen grundsätzlich auf den Verfall ihrer Überstunden hingewiesen werden. Ein klarer, rechtzeitiger Hinweis ermöglicht die rechtzeitige Inanspruchnahme oder Auszahlung. Kommunikation und Transparenz stellen faire Bedingungen für beide Seiten sicher.
Gibt es Ausnahmen bei Schwangerschaft, Elternzeit oder Krankheit für den Verfall von Überstunden?
Ja, Ausnahmen bei Schwangerschaft, Elternzeit oder Krankheit können den Verfall von Überstunden beeinflussen. Ein Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag kann individuelle Regelungen enthalten. Erkundige dich bei deinem Arbeitgeber oder Betriebsrat für konkrete Informationen.