Ankereffekt im Marketing: Definition, Beispiele und die Psychologie dahinter

Von Steffen Grigori, geprüft durch Melina Wandler (zertifizierte Lektorin)
Aktualisiert am 07.03.2024 | Lesezeit ca. Min.

Der Ankereffekt ist eine psychologische Taktik, die im Marketing häufig angewendet wird, um Kaufentscheidungen zu beeinflussen. Sie macht sich den Effekt zunutze, dass Menschen einen zuerst gesehenen Wert als Referenzpunkt betrachten und auf dieser Grundlage ihre Entscheidungen ausrichten. Konkret lässt sich dies zum Beispiel für die Darstellung von Produktpreisen nutzen.

In diesem Artikel nehmen wir den Ankereffekt genau unter die Lupe und zeigen dir, wie du sein Potenzial optimal nutzen kannst.

Du wirst wertvolle Einblicke in folgende Aspekte erhalten:

  • Die Wirkungsweise des Ankereffekts bei Preisfindung und Produktpräsentation
  • Strategien zur optimalen Umsetzung des Ankereffekts in deinem Marketing
  • Wie du Fallstricke vermeidest und ethische Grenzen bei der Anwendung des Ankereffekts einhältst

Die Grundlagen des Ankereffekts im Marketing

Der Ankereffekt ist ein Phänomen aus der Kognitionspsychologie und lässt sich im Marketing gewinnbringend nutzen. Im folgenden Abschnitt betrachten wir die psychologischen Hintergründe und wie verschiedene Aspekte kognitiver Verzerrungen und Framing die Wirkung des Ankereffekts beeinflussen können.

Psychologische Hintergründe des Ankereffekts

Der Ankereffekt, auch als Ankerheuristik bezeichnet, ist ein psychologisches Phänomen, das auf die renommierten Psychologen Amos Tversky und Daniel Kahneman zurückgeht. Die Ankerheuristik ist eine Art mentale Abkürzung, die das menschliche Gehirn verwendet, um Entscheidungen auch unter Unsicherheit zu treffen. Dabei spielt ein initialer Vergleichswert, der Anker, eine zentrale Rolle bei der Einschätzung von Informationen und der Urteilsbildung.

Weil der Mensch dazu neigt, sich an dem Anker als Bezugspunkt zu orientieren, obwohl dieser in vielen Fällen keinen rationalen Grund für die Entscheidungsfindung darstellt, entsteht eine irrationale Verzerrung. Ankereffekte gewinnen daher zunehmend an Bedeutung im Marketing, da sie zeigen, wie leicht das menschliche Urteilsvermögen beeinflusst werden kann.

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Die Rolle kognitiver Verzerrungen

Kognitive Verzerrungen, wie sie im Zusammenhang mit dem Ankereffekt auftreten, wirken sich auf die Einschätzungen und Entscheidungen aus, die dein Kunde trifft. Der Mensch neigt dazu, Informationen, die nach dem Anker wahrgenommen werden, in Bezug zum Anker zu interpretieren. Dabei kann es zu Verzerrungen in der Einschätzung kommen, insbesondere wenn der Anker keine objektive Grundlage hat oder von geschicktem Marketing in ein besonderes Licht gerückt wurde.

Insbesondere in Preisverhandlungen und bei der Preisgestaltung spielt der Ankereffekt eine zentrale Rolle. Beispielsweise kann eine hohe Zahl, die als Anker dient, dazu führen, dass sich ein Kunde einem höheren Preisniveau annähert und dieses als angemessen betrachtet.

Erstanbieter und Framing

Der Erstanbieter, also die Person oder das Unternehmen, das den Anker setzt, beeinflusst maßgeblich das Urteil und die Entscheidungen des Kunden. Durch geschicktes Framing – die Art und Weise, wie Informationen präsentiert werden – können Unternehmen Zahlen oder Informationen als Anker nutzen, um ihre Kunden gezielt zu beeinflussen.

Doch erfolgreiches Framing beeinflusst nicht nur die Entscheidungen, sondern fördert auch das Verständnis des Kunden für ein Produkt oder eine Dienstleistung. Professionelles Framing berücksichtigt die Zielgruppe und kommuniziert die Informationen auf eine Weise, die die gewünschte Wirkung erzielt.

Entwicklung einer erfolgreichen Ankerstrategie

Um den Ankereffekt als Marketinginstrument zu nutzen, müssen einige Faktoren berücksichtigt und in einer gut durchdachten Strategie zusammengefasst werden.

Die optimale Platzierung von Ankern

Die Platzierung von Ankern ist entscheidend, um von ihrer Wirkung zu profitieren. In einem Verkaufsgespräch sollte der Ankerpunkt beispielsweise frühzeitig gesetzt werden, um einen Fokus auf die Dringlichkeit des Angebots zu legen und die Aufmerksamkeit des Kunden in die gewünschte Richtung zu lenken.

Bei Preisverhandlungen ist es ratsam, den Anker so zu platzieren, dass der Kunde seine erste Preisvorstellung abhängig von diesem Richtwert bildet und somit die Verhandlungen tendenziell zu deinen Gunsten beeinflusst werden.

Anpassung des Ankers an deine Zielgruppe

Je nach Zielgruppe können unterschiedliche Anker sinnvoll sein, um den Denkprozess und das Kaufverhalten der Kunden zu beeinflussen. Daher ist es wichtig, die Anker anzupassen, um die jeweilige Situation und Zielgruppe bestmöglich zu berücksichtigen. Dazu gehören zum Beispiel Preis- und Produktanker, die auf die finanzielle Situation, die Bedürfnisse und die Erwartungen der Kunden zugeschnitten sind. Die Anpassung der Anker ist eine kritische Variable, um die Wahrscheinlichkeit von erfolgreichen Verkaufsgesprächen zu erhöhen.

A/B-Tests zur Identifizierung effektiver Anker

Um die Wirksamkeit verschiedener Ankerpunkte zu evaluieren, bieten A/B-Tests eine geeignete Methode. Bei A/B-Tests werden verschiedene Variationen von Werbebotschaften, Preisen oder Produktdarstellungen parallel geprüft, um herauszufinden, welche am erfolgreichsten bei der Zielgruppe sind. Die Ergebnisse können dazu genutzt werden, die Ankerstrategie zu optimieren und anschließend auf weitere Marketinginstrumente und -kanäle zu übertragen. Dies ermöglicht es, stetig die beste Kombination aus den verschiedenen Ankern zu ermitteln und so die Verkaufschancen nachhaltig zu erhöhen.

Ankereffekt: 4 erfolgsversprechende Praktiken
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Anwendungsbeispiele und Best Practices

Der Ankereffekt ist in verschiedenen Szenarien anwendbar, um eine optimale Wirkung in Marketing und Verkauf zu erzielen. In diesem Abschnitt präsentieren wir dir konkrete Anwendungsbeispiele und bewährte Vorgehensweisen.

Preisgestaltung und Preisanpassung

Im Bereich der Preisgestaltung bietet der Ankereffekt vielfältige Möglichkeiten, um die Wahrnehmung und die Entscheidungen von Kunden zu beeinflussen. Hier einige Ansätze, um diesen Effekt bei der Preisgestaltung zu nutzen:

  • Anker setzen, indem ein höherer Preis zuerst präsentiert wird
  • Einen höheren Ankerpreis für Premium-Produkte setzen, um den Wert der restlichen Produkte zu steigern
  • Einen Preisrahmen nutzen, der eine tatsächliche Preisfestlegung oder -verhandlung einschränkt
  • Preisvergleiche mit Konkurrenzprodukten herstellen, um den Wert deiner Produkte herauszustellen
  • Rabatte und Sonderaktionen gezielt einsetzen, um von einem ausgewählten Preisanker aus zu agieren
Ankereffekt Screenshot Ankerpreis
Beispiel: Eigentlicher Produktwert als Ankerpreis wird dem tatsächlichen Preis vorangestellt.

Verhandlungsstrategien

Gerade in Verhandlungssituationen, beispielsweise in einem Verkaufsgespräch, kann der Einsatz von Ankereffekten Vorteile bringen und sollte nicht unterschätzt werden. Untersuchungen, bei denen Probanden in einer simulierten Glücksrad-Verhandlung einen Preis erzielen sollten, haben gezeigt, dass ein höherer Ankerwert in der Verhandlung zu einem höheren Endpreis führt. Hier einige Strategien für die Verwendung von Ankereffekten in Verhandlungen:

  • Positiv aufgeladene Informationen und Zahlen zu Beginn der Verhandlung platzieren
  • Den ersten Angebotswert selbst setzen, um als Erstanbieter aufzutreten und somit die Richtung der Verhandlung zu steuern
  • Ambitionierte, jedoch realistische Preise und Ziele anstreben, um Spielraum für Verhandlungen zu bieten

Produktpräsentation und -bewertung

Bei der Präsentation und Bewertung von Produkten spielen kognitive Verzerrungen eine wichtige Rolle. Der Ankereffekt lässt sich hier nutzen, um die Produkte attraktiver erscheinen zu lassen.

Ein häufiges Beispiel sind Vergleichstests, bei denen das eigene Produkt oder Angebot gegenüber Konkurrenzprodukten herausgestellt wird. Hier einige Ansätze für den Einsatz des Ankereffekts in der Produktpräsentation:

  • Positive Produktbewertungen und Testergebnisse an prominenter Stelle platzieren, um eine entsprechende Erwartungshaltung zu erzeugen
  • Strukturierte Darstellung von Produktdaten und -informationen, um die Orientierung zu erleichtern und Vertrauen zu schaffen
  • Hervorhebung von Alleinstellungsmerkmalen und besonderen Eigenschaften
Ankereffekt Screenshot Gegenüberstellung Produktmerkmale
Beispiel: Gegenüberstellung der besonderen Produktmerkmale eines Schutzglases der Marke Flexischutz. Quelle: Amazon

Mögliche Fallstricke und Grenzen des Ankereffekts

Obwohl der Ankereffekt in vielen Bereichen des Marketings zur Steigerung von Umsatz und Kundenzufriedenheit beitragen kann, gibt es auch Fallstricke und Grenzen, die beachtet werden sollten.

Über- oder Unterbewertung von Produkten

Ein Risiko bei der Verwendung des Ankereffekts besteht darin, dass Produkte oder Dienstleistungen über- oder unterbewertet werden könnten. Die Anpassungsheuristik – unser menschliches Bestreben, unsere Einschätzung eines Wertes an den Anker anzupassen – kann dazu führen, dass Kunden eine irrationale und ungenaue Bewertung eines Produkts vornehmen. Die Psychologie hinter dieser Verzerrung lässt sich nicht immer genau vorhersagen und kann zu unerwünschten Ergebnissen führen. Daher ist es wichtig, den Ankereffekt mit Bedacht einzusetzen und die Reaktionen der Kunden genau zu beobachten.

Rechtliche Aspekte und ethische Grenzen

Der Ankereffekt kann in manchen Fällen dazu benutzt werden, Kunden gezielt zu manipulieren, indem etwa unrealistische Preisanker gesetzt werden. Solche Praktiken können rechtliche Konsequenzen haben und ethische Grenzen überschreiten.

Um dies zu vermeiden, solltest du sicherstellen, dass die eingesetzten Anker realistisch und transparent sind, sodass sie nicht als irreführend oder unethisch wahrgenommen werden. Eine offene und ehrliche Kommunikation gegenüber Kunden ist entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und langfristig erfolgreich zu sein.

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Lesetipp

Mehr zu den ethischen Grundsätzen im Marketing kannst du hier nachlesen: Marketingethik: Anleitung für ethisches Verhalten in Vertrieb & Marketing für 2024

Risiken durch kulturelle Unterschiede

Die psychologischen Prozesse, die dem Ankereffekt zugrunde liegen, sind universell menschlich. Allerdings können kulturelle Unterschiede einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Ankerpreisen und Werbemaßnahmen haben. In manchen Kulturen könnte der Einsatz bestimmter Anker als unangemessen oder unpassend empfunden werden. Daher ist es wichtig, die Zielgruppe und ihre kulturellen Präferenzen genau zu kennen und die Ankerstrategie entsprechend anzupassen. Durch die Berücksichtigung kultureller Besonderheiten kannst du sicherstellen, dass der Ankereffekt seine volle Wirkung entfaltet und die Kundenbindung gefördert wird.

Fazit

Der Ankereffekt, der von den Psychologen Kahneman und Tversky beschreiben wurde, ist im Marketing ein machtvolles Instrument zur Beeinflussung von Kundenentscheidungen.

  • Ziel: Optimal platzierte Anker und die Anpassung an die Zielgruppe steigern die wahrgenommene Wertigkeit von Produkten und Dienstleistungen.
  • Anwendungsbeispiele: In Preisgestaltung, Verhandlungen und Produktpräsentation ermöglichen Anker eine gezielte Lenkung der Kundenwahrnehmung.
  • Grenzen und Fallstricke: Falsch eingesetzte Anker, rechtliche und ethische Aspekte sowie kulturelle Unterschiede sind potenzielle Hürden und Risiken.

Die richtige Anwendung des Ankereffekts kann den Erfolg von Marketingkampagnen deutlich steigern. Um jedoch seine volle Wirkung zu entfalten, sind eine sorgfältige Planung und eine kontinuierliche Anpassung der Strategie erforderlich.

FAQ

Im Folgenden ist eine Auflistung von häufigen Fragen und den dazugehörigen Antworten zu finden.

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