Prospect Theory: Definition, Ursprung und praktische Anwendung im E-Commerce

Von Alexandra Lennarz
Aktualisiert am 08.02.2024 | Lesezeit ca. Min.

Die Prospect Theory bietet bahnbrechende Einsichten in das menschliche Entscheidungsverhalten unter Unsicherheit und Risiko. In unserem Artikel stellen wir die zentralen Konzepte dieser wegweisenden Theorie vor und zeigen, wie du sie effektiv im E-Commerce einsetzen kannst, um das Kundenverhalten besser zu verstehen und gezielte Strategien zu entwickeln.

Du wirst im Folgenden erfahren …

  • … wie die Prospect Theory das Verständnis von Entscheidungen unter Risiko revolutioniert hat.
  • … welche Bedeutung die Wertfunktion und das Konzept der Verlustaversion fĂĽr die Theorie haben.
  • … wie du die Erkenntnisse der Prospect Theory fĂĽr die Preissetzung, Kundenbindung und Webseitenoptimierung nutzt.

Entdecke die faszinierenden Möglichkeiten, die die Anwendung der Prospect Theory im E-Commerce bereithält!

Prospect Theory: Definition und Ursprung

Um ein tieferes Verständnis von Entscheidungen unter Risiko und Unsicherheit zu erlangen, werfen wir einen Blick auf die Ursprünge und Kernkonzepte der Prospect Theory.

Die Anfänge: Daniel Kahneman und Amos Tversky

Die Prospect Theory wurde in den 1970er Jahren von den Psychologen Daniel Kahneman (seines Zeichens auch Nobelpreisträger) und Amos Tversky entwickelt – als eine Alternative zur damals vorherrschenden Erwartungsnutzentheorie. Diese konnte nicht immer das tatsächliche Entscheidungsverhalten von Menschen abbilden.

Die Prospect Theory untersucht Verhaltensanomalien, die beispielsweise durch Verlustaversion und Risikoverhalten erklärt werden können, und erweitert damit die klassische Nutzentheorie um kognitive Aspekte, die bei der Entscheidungsfindung relevant sind.

Risikoverhalten und Entscheidungsfindung

Eine in der Zeitschrift Nature Human Behaviour im Jahr 2020 veröffentlichte Studie zeigt, dass Menschen unter Unsicherheit nicht rational entscheiden. Dies bestätigt die ursprünglichen Erkenntnisse der Prospect Theory, die bereits in den 1970er Jahren von Kahneman und Tversky aufgestellt wurden.

Laut der Studie gewichten Menschen Verluste stärker als Gewinne, sind bei Gewinnen eher risikofreudig und bei Verlusten eher risikoscheu. Zudem neigen sie dazu, geringe Wahrscheinlichkeiten zu überschätzen. Die Studie unterstreicht somit die Relevanz der Prospect Theory und zeigt, dass sie auch 40 Jahre nach ihrer Entstehung in Anwendung findet, beispielsweise bei Entscheidungen unter Unsicherheit oder bei der Gestaltung von Aufklärungs- und Interventionsprojekten.

Wertfunktion: Eine detaillierte Betrachtung

In unserer Auseinandersetzung mit der Prospect Theory haben wir bereits einen Einblick in die Grundlagen und den Ursprung dieser Theorie erhalten. Nun widmen wir uns einer vertieften Analyse der Wertfunktion und untersuchen, wie sie das Entscheidungsverhalten beeinflusst.

Verlustaversion und Wahrnehmung von Gewinnen

Ein zentrales Merkmal der Wertfunktion ist die Verlustaversion. Diese bezeichnet die Neigung, Verluste intensiver wahrzunehmen als gleich große Gewinne. Dies kann dazu führen, dass man in Entscheidungssituationen Vorsicht walten lässt, um mögliche Verluste zu vermeiden. Im Gegensatz dazu neigst du im Gewinnbereich möglicherweise zu risikofreudigerem Verhalten, um potenzielle Gewinne zu nutzen.

Der Referenzpunkt ist dabei von entscheidender Bedeutung für die Bewertung von Verlusten und Gewinnen. Abhängig von diesem subjektiven Punkt beurteilst du Handlungsalternativen und deren möglichen Einfluss auf deine derzeitige Situation. Verluste erhalten in der Regel eine höhere Gewichtung als Gewinne – dies variiert jedoch in Abhängigkeit von den zugrundeliegenden Wahrscheinlichkeiten.

Sensibilität und Entscheidungsgewichtung

Ein weiteres wichtiges Element der Wertfunktion ist die Sensibilität bezüglich Gewinnen, Verlusten und deren Wahrscheinlichkeiten. Die Sensibilität beschreibt, wie stark du Veränderungen in diesen Bereichen wahrnimmst. Je größer eine Veränderung ist, desto höher ist die Sensibilität. Allerdings verringert sich die Sensibilität bei fortlaufenden Veränderungen.

Darüber hinaus spielt die Wahrscheinlichkeitsgewichtungsfunktion eine bedeutende Rolle im Entscheidungsprozess. Diese Funktion zeigt, wie du Wahrscheinlichkeiten im Entscheidungsverhalten berücksichtigst und verarbeitest. Dabei kommt es häufig vor, dass niedrige Wahrscheinlichkeiten übergewichtet und hohe Wahrscheinlichkeiten untergewichtet werden. Dies kann zur Folge haben, dass du sowohl risikoscheuem als auch risikofreudigem Verhalten ausgesetzt bist.

Anwendung der Prospect Theory im E-Commerce

Die Prospect Theory ist im E-Commerce nützlich, um das Kundenverhalten besser zu verstehen und daraus Strategien abzuleiten, die auf den menschlichen Entscheidungsprozess ausgerichtet sind. Im Folgenden werden einige Anwendungsmöglichkeiten dargestellt.

Preissetzung und Verkaufsförderung

Die Gestaltung von Preisen und Verkaufsaktionen ist ein wichtiger Bereich, in dem die Prospect Theory zum Einsatz kommen kann. Um das empfundene Risiko für die Kunden zu minimieren und Entscheidungen unter Unsicherheit zu erleichtern, sollten die Preisgestaltung und Angebote entsprechend angepasst werden. So kaufen Kunden tendenziell lieber bei vertrauenswürdigen Händlern ein, was durch Verkaufsförderungen wie Rabatte oder Sonderangebote zusätzlich verstärkt werden kann.

Ein konkretes Beispiel hierfür liefert eine Studie zum Einfluss der Rabattgestaltung auf die Kaufentscheidung und das tatsächliche Verhalten von Online-Kunden während der COVID-19-Pandemie in Indonesien. Dabei wurde festgestellt, dass eine gut durchdachte Rabattgestaltung die Markenreputation und Kaufabsicht der Kunden positiv beeinflusst und sogar zu mehr Käufen führt.

Kundenbindung und Vertrauensbildung

Auch bei der Kundenbindung und Vertrauensbildung im E-Commerce lässt sich die Prospect Theory sinnvoll einsetzen. Um den Entscheidungsprozess unter Unsicherheit zu erleichtern, ist es wichtig, den Kunden ein Gefühl der Sicherheit und Verständlichkeit zu vermitteln. Vertrauen kann zum Beispiel durch eine offene Kommunikation, Transparenz und einen umfassenden Kundenservice aufgebaut werden.

Situationen und Ereignisse, die Unsicherheiten abbauen, werden von Kunden positiv wahrgenommen und fördern Entscheidungen, die mit dem "homo oeconomicus" einhergehen. Dazu zählt auch die Entwicklung von Vertrauen gegenüber Händlern oder Marken. So sind Kunden eher geneigt, erneut bei demselben Anbieter einzukaufen und diesen weiterzuempfehlen.

Optimierung von Webseiten und Conversion-Rate

Die Prospect Theory kann auch dazu beitragen, die Conversion-Rate von E-Commerce-Webseiten zu optimieren. Indem die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Menschen bei der Entscheidungsfindung sowie die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Ereignissen berĂĽcksichtigt werden, lassen sich Webseiten so gestalten, dass Kunden proaktiver durch den Kaufprozess gefĂĽhrt werden und ihr subjektives Risiko reduzieren.

Die Anpassung von Webseitenelementen – etwa die Präsentation von Produktbewertungen, klare Kommunikation von Versandbedingungen oder die Sichtbarkeit von Sicherheitszertifikaten – kann dazu beitragen, die Unsicherheit der Kunden zu verringern und sie eher zum Kauf zu bewegen.

Prospect Theory: Learnings fĂĽr deinen E-Commerce-Erfolg

Kritische Stimmen zur Prospect Theory

Im Folgenden möchten wir dir einige häufig genannte Kritikpunkte näher bringen.

Zu starke Fokussierung auf Verhaltensanomalien

Ein Kritikpunkt bezieht sich darauf, dass die Prospect Theory ihren Fokus möglicherweise zu sehr auf Verhaltensanomalien legt. Es wird argumentiert, dass das Modell eventuell nicht in der Lage ist, alle Entscheidungen und Verhaltensweisen von Konsumenten in jeder Situation zu erklären. Der Grund dafür ist, dass sie primär auf die Analyse von Verlustaversion und daraus resultierenden Anomalien konzentriert ist.

Die Rolle der Verlustaversion

Die Verlustaversion ist ein zentrales Prinzip der Prospect Theory und hilft dabei, das Verhalten von Individuen zu erklären. Dennoch gibt es einige Studien, die die tatsächliche Bedeutung der Verlustaversion infrage stellen. Diese Forschungen legen nahe, dass der Stellenwert der Verlustaversion in manchen Fällen eventuell geringer ausfällt als zunächst gedacht.

Unrealistische Annahmen ĂĽber das Maximieren des Nutzens

Ein weiteres kritisches Element betrifft die Annahmen der klassischen Theorien, welche von einer steten Maximierung des persönlichen Nutzens ausgehen. Gegner der Prospect Theory führen an, dass Menschen in der Realität nicht immer auf die ausschließliche Maximierung ihres Nutzens bedacht sind. Eine übermäßige Konzentration auf dieses Modell könnte somit zu unzureichenden Prognosen und Schlussfolgerungen führen, insbesondere wenn es darum geht, Entscheidungen und Verhaltensmuster im E-Commerce zu erfassen.

Nur begrenzte Anwendbarkeit auf makroökonomischer Ebene

Es ist wichtig zu beachten, dass die Prospect Theory ursprünglich entwickelt wurde, um das Entscheidungsverhalten von einzelnen Personen zu untersuchen. Dementsprechend ist ihre Anwendbarkeit auf makroökonomische Phänomene und Erkenntnisse eingeschränkt. Obwohl es einige Erweiterungen des Modells gibt, sollte die Verwendung der Prospect Theory auf globaler Ebene kritisch hinterfragt werden.

Fazit: Optimierung von E-Commerce-Strategien durch Prospect Theory

Die von Daniel Kahneman und Amos Tversky entwickelte Prospect Theory bietet ein tieferes Verständnis des Entscheidungsverhaltens in unsicheren und risikoreichen Situationen. Sie ergänzt die klassische Nutzentheorie und trägt dazu bei, Verhaltensanomalien wie die Verlustaversion und das Risikoverhalten besser zu erklären. Im E-Commerce hilft dieses Wissen dabei, das Kundenverhalten zu analysieren und Strategien gezielt zu optimieren.

Die wichtigsten Punkte, die dieser Artikel hervorhebt, sind:

  • Wertfunktion: Sie modelliert die subjektive Wahrnehmung von Gewinnen und Verlusten und offenbart Verhaltensmuster wie die Verlustaversion und unterschiedliches Risikoverhalten.
  • Kundenbindung und Vertrauensbildung: Die Prospect Theory unterstĂĽtzt beim Aufbau von Vertrauen in Händler und Marken, was zu höherer Kundenbindung fĂĽhrt.
  • Webseiten-Optimierung und Conversion-Rate: Mithilfe der Prospect Theory können Webseiten so gestaltet werden, dass Kunden aktiv durch den Kaufprozess geleitet werden und das subjektiv empfundene Risiko minimiert wird.

Jetzt bist du bestens gerĂĽstet, um deine E-Commerce-Strategie mithilfe der Erkenntnisse aus der Prospect Theory weiterzuentwickeln. Nutze das erlangte Wissen, um Aspekte wie die Preisgestaltung, Kundenbindung, Vertrauensbildung und Webseiten-Optimierung in deinem Unternehmen gezielt anzugehen!

FAQ

Nachfolgend sind einige Antworten auf häufig vorkommende Fragen zusammengestellt.

Quellen:

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