Reverse Mentoring: Beispiele, Themen und warum sich das ungewöhnliche Konzept lohnt

Von Sarah Kreilaus
Aktualisiert am 05.01.2024 | Lesezeit ca. Min.

Alt lernt von Jung, Kreativer von Ingenieur, Führungskraft von Newbie: Das Konzept Reverse Mentoring ermöglicht neue Arten des Wissensaustauschs – und vor allem neue Fließrichtungen dieses Transfers. Davon profitieren Führungskräfte genauso wie Auszubildende. Doch wie funktioniert es möglichst reibungslos?

Warum liegt Reverse Monitoring im Trend?

Reverse Monitoring ist derzeit so wichtig, weil sich die Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt hat. Durch das Internet und zahlreiche Technologien verändert sich die Lebensrealität vieler Menschen. Seien es KI-gestützte FinTechs, der neueste Trend auf TikTok oder andere Hypes: Gerade bei erfahrenen Führungskräften kommen Neuentwicklungen nicht immer so schnell an wie bei den Digital Natives.

Die Unternehmensspitze profitiert davon, diese Änderungen zu verstehen und entsprechend reagieren zu können. Das Wissen jüngerer Mitarbeiter ist deswegen ein Schatz für das Unternehmen, und es ist sinnvoll, es zu nutzen, um die Kompetenzen des Betriebs zu erweitern. Das zeigt sich gerade auch an typischen Reverse-Mentoring-Themen wie künstlicher Intelligenz, agilem Projektmanagement oder Augmented Reality.

Beim Reverse Mentoring muss zudem nicht immer ein Altersunterschied oder die Länge der Betriebszugehörigkeit entscheidend sein. Es kann auch genutzt werden, um unterschiedliche Abteilungen voneinander lernen zu lassen. Häufig nutzen Führungskräfte Reverse Mentoring für einen Perspektivwechsel, um die Lebensrealität von Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund oder LGBTQ* besser zu verstehen.

Bekannte und erfolgreiche Reverse-Mentoring-Beispiele gibt es inzwischen einige. Bekanntheit erlangte beispielsweise das Reverse Mentoring von BMW. Andere Unternehmen, die auf Reverse Mentoring setzen, sind unter anderem Bosch, Henkel, Telekom oder IBM.

Diese Vorteile hat Reverse Monitoring

Führungskräfte und Personaler, die erfolgreiches Reverse Mentoring in ihrem Unternehmen verzeichnen, berichten von den folgenden Vorteilen:

  • Transfer von sehr aktuellem Wissen: Junge Mitarbeitende sind häufig an aktuellen Trends interessiert und besitzen so ein Wissen, das sich oftmals noch nicht in Büchern oder Seminaren findet.
  • Unternehmenskultur wandelt sich: Reverse Mentoring ist ein wichtiger Baustein einer lernenden Organisation, bei der Wissen innerhalb des Unternehmens weitergegeben wird.
  • Verbesserung des Arbeitsklimas: Wenn Menschen zusammenarbeiten und Hierarchien auf diese Weise aufgebrochen werden, stärkt das den Teamgeist und das berufliche Miteinander.
  • Motivation junger Mitarbeitender: Wer sieht, dass er gefragte Kompetenzen besitzt, sieht sich eher auf Augenhöhe mit anderen und bringt sich stärker ein.
  • Netzwerk innerhalb des Unternehmens: Durch das Reverse Mentoring treten Menschen miteinander auf Augenhöhe in Kontakt, was das Herstellen und Erhalten flacher Hierarchien ermöglicht. Menschen lernen sich durch den Rollentausch anders und besser kennen und die Kompetenzen der anderen zu schätzen.
  • Selbstbewusstsein stärken: Junge Angestellte lernen, dass sie für das Unternehmen wertvolles Wissen besitzen, das ältere Führungskräfte nicht haben, und erleben sich so als selbstwirksam.
  • Perspektivwechsel: Sowohl Mentor als auch Mentee lernen die Perspektive des anderen kennen und können so Argumente und Informationen zukünftig besser nachvollziehen. Oder sich zumindest eigener blinder Flecken bewusst werden.
  • Verständnis: Vor allem dann, wenn das Mentoring unterschiedliche Abteilungen umfasst, gelingt es den Beteiligten häufig, mehr Verständnis füreinander und für ihre eigene Bedeutung im Unternehmenskontext zu entwickeln.
  • Attraktiverer Arbeitsplatz: Gerade High Potentials wollen sich so früh wie möglich stark in ihr Unternehmen einbringen. Reverse Mentoring ermöglicht, schnell Kontakte in die Chefetage zu knüpfen.
Reverse Mentoring verkörpert, was Arbeitnehmenden. Von den Top 10 Eigenschaften von Unternehmen, die Arbeitnehmenden wichtig sind, zahlt es auf die folgenden 4 an: Möglichkeiten, zu lernen und zu wachsen, Zugehörigkeit, Gelebte Unternehmenswerte, Change Management

Welche Herausforderungen warten beim Reverse Monitoring?

Wer Reverse Monitoring in seinem Unternehmen etablieren möchte, muss mit diversen Herausforderungen rechnen:

  • Wissenserhebung: Nicht jeder Jungspund ist ein Crack für Social Media, nicht jeder Auszubildende kennt das neuste FinTech. Um zu wissen, welche Kenntnisse im Unternehmen schlummern und Wissenslücken beheben können, ist es notwendig, das Wissen erst einmal zu entdecken und auch hinsichtlich seiner Qualität zu prüfen.
  • Ablehnung: Es kann für Führungskräfte schwer sein, sich einzugestehen, dass sie Wissen haben, das auch frische Uni-Absolventen besitzen.
  • Festgefahrene Hierarchien: Wenn Unternehmen sehr strikt organisiert sind und ein starkes hierarchisches Denken präsent ist, kann es besonders herausfordernd sein, wenn sich Machtverhältnisse temporär umkehren. Berührungsängste können dadurch verstärkt werden, zumal Konkurrenzsituationen kaum aufzuheben sind.
  • Mangelndes didaktisches Wissen: Viele Führungskräfte sind erfahrene Mentoren und haben oft selbst zahlreiche Coachings besucht. Junge Menschen wissen hingegen oft noch nicht, wie sie Inhalte verständlich und nachvollziehbar vermitteln können. Das ist natürlich auch eine Chance, dazuzulernen. Es kann jedoch den Erfolg für beide Seiten schmälern, wenn Auszubildende direkt ins kalte Wasser geworfen werden und nicht wohlwollend genug aufgefangen werden.
  • Fehlende Neugier: Wenn Führungskräfte nicht bereit sind, sich auf Reverse Mentoring einzulassen und nicht von den jüngeren Generationen lernen möchten, wird der Rollentausch für beide Seiten unzufriedenstellend ablaufen.

So gelingt Reverse Mentoring

Wer Mentoring plant, sollte sicherstellen, dass die Menschen, die voneinander lernen, zusammenpassen. Diese Grundvoraussetzung gilt umso stärker beim Reverse Mentoring, bei dem ähnliche Werte und Arbeitsweise fast genauso wichtig sind wie grundsätzliche Sympathie.

  • Auch wenn Hierarchiegefälle beim Reverse Mentoring kaum zu vermeiden sind, sollte jedoch kein Abhängigkeitsverhältnis bestehen. Der Mentee sollte also in diesem Fall nicht direkt weisungsberechtigt sein, nicht zum Team gehören und auch nicht am Erstellen eines Arbeitszeugnisses oder Ähnlichem beteiligt sein.
  • Sinnvoll ist ein Mentoring zudem nur dann, wenn hier Wissen transferiert wird, das dem Mentee auch in seinem Job als Führungskraft weiterhilft. Nur dann ist die Lernbereitschaft groß und das Mentoring wird von beiden Seiten als Gewinn gewertet.
  • Im Optimalfall erlaubt die Unternehmenskultur ohnehin den ständigen Wissensaustausch zwischen älteren und jüngeren Mitgliedern in Expertenvorträgen und Schulungen. Das erleichtert es, dass Mentees das Wissen der jüngeren Mentoren von vornherein als wertvoll erachten und ihre Expertise akzeptieren.
  • Führungskräfte, die Reverse Mentoring für Zeitverschwendung halten, sollten nicht in das Programm inkludiert werden. Etwas Skepsis ist durchaus in Ordnung, aber bei kategorischer Ablehnung wartet hier sonst nur ein unangenehmes Erlebnis für den Mentor.

Im Anschluss helfen qualitative Befragungen dabei, die Qualität des Mentoring zukünftig noch zu verbessern. Außerdem helfen einige Grundregeln, die bei jedem Mentoring hilfreich sein können:

  • Neutralität: Das erste Treffen findet an einem neutralen Ort außerhalb der üblichen Arbeitsumgebung statt.
  • Diskretion: Alles, was im Rahmen des Mentorings gesagt wird und nicht rein sachlich ist, ist vertraulich.
  • Respekt: Sowohl Mentee als auch Mentor sollten sich verpflichten, pünktlich zu Treffen zu erscheinen.
  • Eigenverantwortung: Der Mentee ist der Verantwortliche für seinen eigenen Lernerfolg: Er gestaltet seine Lernzeit und bleibt offen für den Input des Mentors.
  • Erfolge festhalten: Nach jeder Sitzung sollten die Key Takeaways schriftlich fixiert werden.
  • Konstruktivität: Nach jedem Treffen hilft ein offenes Feedback dabei, dass das Mentoring sich in die gewünschte Richtung entwickelt.

Fazit

Reverse Mentoring kann Führungskräften und alten Hasen dabei helfen, neue Kompetenzen zu erlernen und Blickwinkel zu erweitern. Gerade ambitionierte Mentoren erweitern dadurch auch ihr Netzwerk und sind durch die erlebte Selbstwirksamkeit motivierter.

Moderne Führung profitiert nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Digitalisierung davon, Wissensaustausch nicht länger auf die altgewohnte hierarchische Weise zu denken.

Häufig gestellte Fragen

Quellen:

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