Jobsharing: Definition, Vor- und Nachteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Von Sarah Kreilaus
Aktualisiert am 05.01.2024 | Lesezeit ca. Min.

Mehr als die Summe seiner Teile: Jobsharing ermöglicht es zwei oder mehr Arbeitnehmenden, eine Vollzeitstelle zu teilen. Was auf den ersten Blick aufwändig und konfliktreich erscheint, erweist sich für viele Unternehmen und Mitarbeiter als Glücksfall.

Erfahre, wie Unternehmen zu attraktiveren Arbeitgebern werden und welche Vorteile flexible Arbeitsmodelle außerdem haben.

Die Doppelspitze liegt im Trend: Bekannte Führungstandems

Jobsharing wird immer beliebter. Der Gedanke ist alles andere als neu: Schon in den 1980er Jahren kam Jobsharing in den USA vermehrt auf. In Hinblick auf Deutschland lässt sich jedoch erst seit den letzten fünf bis zehn Jahren davon sprechen, dass Konzerne Jobsharing standardmäßig anbieten.

Dabei gibt es gerade im Führungsbereich viele erfolgreiche Vorbilder:

  • Robert Habeck und Annalena Baerbock als Doppelspitze der Grünen
  • Ted Sarandos und Greg Peters als CO-CEOs von Netflix
  • Anke Helle und Mateja Mögel als Co-Chefredakteurinnen des Magazins Freundin
  • Jim Hagemann Snabe und Bill McDermott als langjährige Doppelspitze bei SAP
  • Janina Schönitz und Miriam Kotte als Heads of Digital Transformation bei der Deutsche Bahn AG
  • Nadine McBroom und Astrid Vettin-Wansart von Volkswagen Consulting

Diese Arten von Jobsharing gibt es

Jobsharing existiert heute bereits in unterschiedlichen Spielarten, die an unterschiedliche Anforderungen angepasst werden können und teils auch parallel existieren. Es ist zudem nicht immer notwendig, eine Stelle insgesamt mit den üblichen 40 Wochenstunden Arbeitszeit zu besetzen. Zwischen 20 und 100 Prozent Arbeitszeit für jeden ist möglich und wird praktiziert.
Zu den möglichen Varianten von Jobsharing gehören:

Job Splitting

Job Splitting bezeichnet die Aufteilung einer Vollzeitarbeitsstelle auf zwei oder mehr Teile. Die Arbeitnehmenden arbeiten unabhängig voneinander und haben sehr ähnliche Aufgaben.

Top Sharing

Hierbei teilen sich zwei Menschen eine Führungsposition. Häufig verstehen sich beide als eine Art Sparringspartner, die ihre Kompetenzen gleichberechtigt einbringen und zusammen bessere Entscheidungen treffen.

Job Pairing

Beide Tandempartner teilen sich die Verantwortung des Jobs und stimmen sich bei den einzelnen Aufgaben ab. Sie arbeiten also verstärkt miteinander und treffen wichtige Entscheidungen zusammen.

Peertandem

Benötigt eine Stelle besonders vielseitige Kompetenz, ist sie sehr schwer mit nur einer einzigen Person zu besetzen. Unternehmen können zwei Mitarbeitende mit unterschiedlichem Profil mit dieser Position betrauen.

Crossfunctional-Tandem

Hier arbeiten zwei Mitarbeitende aus unterschiedlichen Bereichen gemeinsam, um Synergieeffekte zu nutzen.

Succession- oder Nachfolge-Tandem

Das Nachfolge-Tandem ermöglicht das langsame Ausscheiden eines erfahrenen Mitarbeiters bei gleichzeitigem Erhalt des Wissens. Er arbeitet dabei mit einer Nachwuchskraft zusammen und bildet diese als seine Nachfolge aus.

Wann kommt Jobsharing zum Einsatz?

Jobsharing existiert bei vielen Unternehmen vor allem in den Führungsetagen. In den Hierarchieebenen unterhalb sind hingegen Teilzeitjobs noch deutlich gebräuchlicher und für das Unternehmen kosten- und ressourcensparender. Jobsharing wird oftmals vor allem dann angeboten, wenn es darum geht, besonders kompetente Mitarbeitende zu halten oder zu gewinnen.

Dadurch kommt Jobsharing vor allem in zwei Bereichen zum Einsatz:

  1. Wenn für das Unternehmen wichtige Arbeitnehmende Familie und Beruf miteinander vereinbaren möchten
  2. Wenn Führungskräfte sich langsam vom Unternehmen in die Rente verabschieden möchten

Bei beiden Gruppen besteht in der Regel ein großer Wunsch nach mehr Freizeit und sinkender Arbeitsbelastung im Vergleich zur alleinigen Vollzeitstelle. Zugleich ist es im Interesse des Unternehmens, das Wissen und die Arbeitsleistung so lange wie möglich im Unternehmen zu halten.

Ist Jobsharing vor allem ein Frauenthema?

Jobsharing-Vorteile: Darum lohnt es sich für Unternehmen

Jobsharing bringt sowohl für Arbeitgeber als auch -nehmer diverse Vorteile mit sich:

  • Zufriedenheit und Motivation: Weil Arbeitnehmende eine bessere Work-Life-Balance erreichen, sind sie zufriedener und fühlen sich dem Unternehmen zugehörig.
  • Innovation und Kompetenz: Wenn in ein Tandem unterschiedliche Kompetenzen einfließen, erweitert sich der Blickwinkel und ermöglicht, Probleme ganzheitlicher zu betrachten und innovativer zu lösen.
  • Produktivität und Engagement: Wenn eine Stelle so aufgeteilt wird, dass jeder seine Kompetenzen einbringen kann, erhöht dies die Produktivität und Qualität der Arbeit.
  • Weniger Ausfallzeiten: Urlaubs- und Krankheitszeiten können besser kompensiert werden. Zugleich sinkt das Risiko für Burnout und andere stressinduzierte Krankheiten.
  • Gesteigerte Attraktivität als Arbeitgeber: Wer flexible Arbeitsmodelle bietet, verbessert sein Arbeitgeberimage und findet bessere Bewerber. Gerade Jobs auf Führungsebene sind oft nur so mit dem Familienleben vereinbar.
  • Verbessertes Teamwork: Wenn die Führungskräfte Teamarbeit vorleben, wirkt sich dies häufig auf das gesamte Team aus.
  • Leichtere Eingliederung: Wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, kann der Tandempartner leichter Nachfolger einarbeiten.
  • Wissenstransfer: Egal ob Altersteilzeit oder Topsharing – jeder Mitarbeitende besitzt Kompetenzen, die der andere nicht hat. Wer eng zusammenarbeitet, lernt vom anderen und vermeidet Silodenken.
  • Gleichberechtigung: Auch heute noch arbeiten deutlich mehr Frauen als Männer in Teilzeit. Jobsharing ermöglicht die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit.

Jobsharing-Nachteile: Diese 4 Gründe sprechen dagegen

Jobsharing kann auch schief gehen. Wenn sich die Tandempartner nicht verstehen, ein zu großer Konkurrenzkampf herrscht oder die gemeinsame Führung aus anderen Gründen nicht gelingt, hat Jobsharing deutliche Schwächen.

Darüber hinaus hat Jobsharing folgende Nachteile:

  1. Erhöhter Organisationsaufwand für die Personalverwaltung
  2. Höhere Lohn- und Nebenkosten: Doppelt besetzte Stellen kosten zwischen 120 und 200 Prozent einer einfachen Stelle
  3. Herausforderung und Notwendigkeit, passende Partner zu finden
  4. Hindernisse, die durch typische Organigramme entstehen, beispielsweise bei der Rollenverteilung in ERP-Systemen

Grundsätzlich unterscheiden sich die Jobsharing-Nachteile genauso wie die Vorteile auch danach, wie das Jobsharing genau gestaltet wird. Job Splitting birgt beispielsweise weniger Risiken für zwischenmenschliche Konflikte, kann jedoch auch die Vorteile in Bezug auf die Kompetenzen nicht gleichermaßen erzielen.

Jobsharing ist ineffizient: Was ist dran?

Eines der häufigsten Argumente gegen Jobsharing ist der Verdacht, dass durch die vielen notwendigen Absprachen zu viel Arbeitszeit verloren geht. Es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass es Zeit kostet, Entscheidungen gemeinsam zu treffen und über die Arbeit des Gegenübers informiert zu bleiben. Doch inwiefern das die Produktivität einschränkt, ist durchaus umstritten.

Durch Untersuchungen lässt sich diese Befürchtung bislang nur eingeschränkt stützen. Eine Studie der Hochschule Heilbronn (HHN) in Kooperation mit zwei Tandempartner-Vermittlungen kommt zu einem gegenteiligen Schluss. Demnach schätzen zwei Drittel von 50 befragten Führungskräften die Tandems als produktiver als eine Einzelperson in Vollzeit ein. Nur 8 Prozent gehen hingegen davon aus, dass sie unproduktiver arbeiten.

Allerdings fließen in diese Bewertung Eigenschaften ein, die sich ggf. nicht als reine Produktivität bewerten lassen würden; darunter beispielsweise Agilität, Kollaboration und Kompetenzspektrum. Beim Zeitaufwand für einwandfreie Ergebnisse bewerten aber immerhin noch rund drei Viertel der Befragten Jobsharing und Einzelpersonen als gleichwertig, allerdings sieht hier nur jeder Zehnte einen Vorteil. Bei mindestens 120 Prozent Kosten ist das nicht optimal.

Die wirklichen Vorteile des Jobsharings entstehen jedoch für die Unternehmen auch nicht unbedingt durch ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Stelle. Wichtiger ist die Qualität der Entscheidungen, die in der Studie von 42 Prozent der Befragten als besser bewertet wurde.  

Außerdem gelingt es angesichts des Wandels zum Arbeitnehmermarkt und dem immer stärker werdenden Fachkräftemangel häufig nur noch durch alternative Arbeitsmodelle, die gewünschten Kompetenzen im Unternehmen zu (er)halten.

Jobsharing-Voraussetzungen: Das solltest du beachten

Damit Jobsharing funktionieren kann, reicht es nicht, es lediglich zu erlauben. Es ist sehr ratsam, dass Personaler sich vor der Einführung intensiv damit beschäftigen. Jobsharing bedeutet einen Wandel in der Arbeitskultur, der moderiert und sorgsam eingeführt werden muss. Personaler sollten Grundregeln etablieren und im Anschluss Stellen gezielt für Jobsharing öffnen. Im Optimalfall betrifft dies alle Stellen, zumindest aber alle neu geschaffenen.

Unternehmen sollten Jobsharing nicht ausschließlich von Frauen nutzen lassen und so unbewusst als Frauenmodell darstellen. Denn dadurch werden sich weniger Männer für Jobsharing bewerben, obwohl es möglicherweise zu ihren Lebensentwürfen und den Bedürfnissen des Unternehmens besser passen würde.

Ein entscheidende Voraussetzung ist, dass die im Tandem beschäftigten Partner zueinander passen und entsprechende soziale Kompetenzen mitbringen:

  1. Sie benötigen viel Kommunikationstalent für Absprachen und müssen sich untereinander gut organisieren können.
  2. Kritikfähigkeit und Offenheit sind unbedingte Voraussetzungen für Jobsharing.
  3. Außerdem sind ein ähnliches Level an Ambition und Kompromissbereitschaft sowie gemeinsame Ziele sinnvoll.
  4. Die Löhne müssen nicht zwangsweise gleich, sollten jedoch transparent und gut begründet sein.

Um es Unternehmen zu erleichtern, Menschen zu finden, die sich eine Vollzeitstelle teilen möchten und die richtigen Charaktereigenschaften dafür mitbringen, wurden inzwischen diverse Matching-Agenturen gegründet, darunter beispielsweise twise, jopsharing hub, Tandemploy, JobTwins und phenom.

Organisatorische und rechtliche Grundlagen

Wenn du Jobsharing in deinem Unternehmen anbieten möchtest, funktioniert dies üblicherweise über zwei (oder noch mehr) Einzelarbeitsverträge, denen du Klauseln hinzufügen solltest. Die beiden Angestellten befinden sich nicht in einem Rechtsverhältnis, sie sind aber gemeinsam verantwortlich und haften solidarisch für Schäden. Es sei denn, einer von beiden verursacht einen Schaden, während er ohne das Einverständnis des Partners allein arbeitet.

Wenn einer der beiden aus dem Unternehmen ausscheidet, besteht ein Sonderkündigungsschutz für den verbleibenden Mitarbeiter. Die Vertretungspflicht ist knifflig: Du kannst entsprechende Vereinbarungen treffen, diese sind jedoch nicht immer gesetzeskonform. Es ist also eine gute Idee, den Vertrag in engem Kontakt mit juristischem Fachpersonal auszuarbeiten.

Es ist sinnvoll, die Mitarbeiterbewertung gleichzeitig für beide Angestellte auf Grundlage der zuvor gemeinsam gesteckten Ziele vorzunehmen. Bestimmte Aspekte wie Kompetenzen und Weiterbildungsbedarf können jedoch auch einzeln besprochen werden.

Für das Tandem können teilweise ungeahnte Hindernisse auftreten, weil die meisten Organisationen auf klare Hierarchien ausgelegt sind. Unternehmen müssen deswegen Faktoren wie Datenschutz, den autorisierten Zugriff auf Software und Daten sowie Konten und Zuständigkeiten bei Freigaben beachten.

Fazit

Jobsharing ist für viele Unternehmen ein Weg, dringend benötigte Kompetenzen und Wissen zu erhalten. Es ermöglicht eine bessere Work-Life-Balance und ist gerade für junge Menschen ein Weg, Karriere und Familie zu vereinen, ohne in die Teilzeitfalle zu geraten.

Damit sich dies für das Unternehmen rentiert, müssen jedoch die richtige Partner gematcht werden und die Unternehmenskultur für Jobsharing offen sein.

FAQ

Quellen:

Weitere Artikel