Überstunden anordnen: Wann ist das erlaubt? Pflichten, Rechte und Grenzen – das müssen Arbeitnehmer wissen

Von Thomas Sesli, geprüft durch Melina Wandler (zertifizierte Lektorin)
Aktualisiert am 07.03.2024 | Lesezeit ca. Min.

Überstunden sind in vielen Betrieben keine Seltenheit. Im Jahr 2022 wurden in Deutschland insgesamt ca. 1,3 Milliarden Überstunden gemacht – etwa 702 Millionen davon sogar unbezahlt. Aber wann ist es eigentlich gerechtfertigt, Überstunden anzuordnen? Und wie sehen die konkreten Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer in diesem Bereich aus? Wir möchten Licht ins Dunkel dieser komplexen Thematik bringen und dich dabei unterstützen, angemessen und souverän auf Überstundenanordnungen zu reagieren.

In diesem Artikel

  • beleuchten wir die grundlegenden Aspekte von Überstundenanordnungen,
  • geben Tipps und Ratschläge für den Umgang mit Überstunden aus Arbeitnehmersicht und
  • präsentieren Empfehlungen zur Kommunikation und zum Konfliktmanagement bei Überstundenanordnungen.

Nutze unsere praxisnahen Informationen und Handlungsempfehlungen, um deine Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit Überstunden besser zu verstehen und zukünftig souverän damit umzugehen.

Überstunden anordnen: Grundlagen und Rahmenbedingungen

Um die Regeln für Überstundenanordnung zu verstehen, ist es wichtig, die gesetzlichen, arbeitsvertraglichen bzw. betriebsüblichen und tarifvertraglichen Rahmenbedingungen zu kennen. In diesem Abschnitt erfährst du alles Wissenswerte hierzu.

Gesetzliche Grundlagen für Überstunden

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) bildet die Basis für die Arbeitszeitgrenzen. Demnach darf die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers in der Regel nicht mehr als acht Stunden pro Tag betragen, wobei unter bestimmten Bedingungen eine Ausdehnung auf zehn Stunden möglich ist.

Eine Überstundenanordnung durch den Arbeitgeber ist unter Berücksichtigung der geltenden Gesetze und Regelungen zulässig. Allerdings müssen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Grenzen und Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes beachten.

Arbeitsvertragliche Regelungen

Der Arbeitsvertrag kann Regelungen zur Überstundenanordnung enthalten. Eine entsprechende Klausel kann beispielsweise die vertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers, mehr zu arbeiten, festlegen oder die Zustimmung des Betriebsrats vorsehen. Arbeitnehmer sollten daher den Arbeitsvertrag sorgfältig prüfen, um ihre Rechte und Pflichten bezüglich der Arbeits- und Überstundenregelungen zu kennen.

Tarifvertragliche Bestimmungen

Tarifverträge können ebenfalls Vorschriften zur Überstundenanordnung enthalten, die sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer verbindlich sind. Solche arbeitszeitlichen Regelungen im Tarifvertrag haben zumeist Vorrang vor individuellen Regelungen im Arbeitsvertrag. Die Tarifvertragsparteien – also die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände – können Festlegungen zur Arbeitszeit, zur Vergütung der Mehrarbeit und zu den Bedingungen für die Anordnung von Überstunden treffen.

Grenzen bei der Anordnung von Überstunden

Es gibt arbeitsrechtliche Beschränkungen, die sowohl den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer schützen. Eine Überstundenanordnung ist nur innerhalb dieser Grenzen zulässig.

  1. Zum einen muss die Anordnung verhältnismäßig sein, das heißt, es darf kein milderes Mittel zur Erreichung des Ziels geben.
  2. Zum anderen müssen die Interessen des Arbeitnehmers, etwa familiäre Verpflichtungen oder gesundheitliche Aspekte, berücksichtigt werden.
  3. Betriebsvereinbarungen oder die Beteiligung des Betriebsrats können ebenfalls Grenzen für die Anordnung von Überstunden setzen. So kann beispielsweise ein Betriebsrat auf die Einhaltung von Ruhezeiten und Freizeitausgleich bestehen.

Deine Rechte als Arbeitnehmer bei einer Überstundenanordnung

Als Arbeitnehmer hast du bei der Anordnung von Überstunden bestimmte Rechte, die du kennen solltest. Welche das sind, schauen wir uns nun an.

Zustimmung zu und Ablehnung von Überstunden

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ermöglicht ihm grundsätzlich die Anordnung von Überstunden. Deine Verpflichtung zur Ableistung von Überstunden ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem geltenden Tarifvertrag.

Allerdings gibt es auch Situationen, in denen du das Recht hast, Überstunden abzulehnen, etwa wenn die Anordnung unverhältnismäßig oder gesundheitsgefährdend wäre. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist ebenfalls zu berücksichtigen, wenn es darum geht, Überstundenregelungen für Mitarbeiter festzulegen.

Entschädigung für Überstunden

Geleistete Überstunden werden in der Regel mittels Überstundenvergütung abgegolten. Dieser Anspruch kann sich aus dem Grundgehalt oder der Grundvergütung ergeben und sollte im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem Tarifvertrag geregelt sein. In vielen Fällen beinhaltet die Entschädigung nicht nur die zusätzlichen Arbeitsstunden, sondern auch einen Überstundenzuschlag.

Sollte im Vertrag keine Vergütung für Überstunden vorgesehen sein und es auch sonst keine Regelungen diesbezüglich geben, können Überstunden auch in Form von Freizeitausgleich abgegolten werden. Das Bundesarbeitsgericht hat zudem entschieden, dass angestellten Fach- und Führungskräften, deren Vergütung deutlich über der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung liegt, keine gesonderte Überstundenvergütung zusteht.

Zeitliche Begrenzung von Überstunden

Überstunden dürfen nicht unbegrenzt angeordnet werden. Das Arbeitszeitgesetz gibt vor, dass die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten darf und in Ausnahmefällen auf bis zu zehn Stunden erhöht werden kann. In einer Kalenderwoche dürfen die Arbeitsstunden nicht mehr als 48 Stunden betragen, einschließlich der Überstunden. Die Personalabteilung ist für die Überwachung der Arbeitszeiten zuständig und muss darauf achten, dass das Arbeitszeitgesetz eingehalten wird.

Ruhezeiten und Freizeitausgleich

Die Einhaltung der gesetzlichen Ruhezeiten ist ein wichtiger Aspekt bei der Anordnung von Überstunden. Nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit steht dir eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu.

Der Freizeitausgleich stellt zudem sicher, dass die Zeit für geleistete Überstunden entsprechend kompensiert wird. Die Regelung hierfür ist in Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen festgelegt. Sie kann beispielsweise vorsehen, dass Überstunden durch freie Tage oder kürzere Arbeitszeiten ausgeglichen werden.

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Lesetipp

Wie Pausen im Arbeitszeitgesetz geregelt werden, haben wir hier für dich aufbereitet: Wie das Arbeitszeitgesetz Pausen vorschreibt: Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Deine Pflichten als Arbeitnehmer bei einer Überstundenanordnung

In diesem Abschnitt gehen wir auf die Pflichten ein, die für Arbeitnehmer bei der Anordnung von Überstunden relevant sind.

Einhaltung der Anweisungen

Wenn dein Betrieb Überstunden anordnet und dies im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben geschieht, solltest du die Anweisungen befolgen. Das Direktionsrecht (auch Weisungsrecht genannt) des Arbeitgebers beinhaltet die Anweisung von Mehrarbeit, solange sie sich im gesetzlichen Rahmen bewegt. Die Arbeitsleistung, die über die reguläre Arbeitszeit hinausgeht, sollte grundsätzlich arbeitsvertraglich geregelt sein.

Dokumentation der geleisteten Überstunden

Es ist in deinem eigenen Interesse, die tatsächlich geleisteten Überstunden genau zu dokumentieren. Trage alle notwendigen Informationen wie Datum, Dauer und Art der geleisteten Mehrarbeit in einem Überstundennachweis ein. So stellst du sicher, dass dir ein Ausgleich, zum Beispiel in Form von Freizeit oder Bezahlung, für die von dir erbrachte Arbeitsleistung gewährt wird.

Berücksichtigung von Gesetzesvorgaben

Wenn du mehr arbeitest, als vereinbart, musst du die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) beachten. In bestimmten Situationen, zum Beispiel in Notsituationen, gelten Ausnahmeregelungen. Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, in welchen Fällen das ArbZG Anwendung findet, um nicht gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu verstoßen. Achte beispielsweise auf die ordnungsgemäße Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhezeiten nach der Arbeit und der maximal zulässigen Arbeitsstunden.

Überstunden anordnen: 4 praxisnahe Tipps für Arbeitnehmer
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Konfliktmanagement bei einer Überstundenanordnung

Das angemessene Vorgehen bei der Bewältigung von Konflikten, die durch die Anordnung von Überstunden entstehen, kann entscheidend sein, um deine Rechte zu wahren und faire Arbeitsbedingungen zu erhalten.

Klärung mit dem Vorgesetzten

Im Falle von Unstimmigkeiten bezüglich angeordneter Überstunden ist der erste Schritt, das Gespräch mit dem Arbeitgeber oder Vorgesetzten zu suchen. Versuche, die Situation in einem offenen Dialog zu klären, und stelle dabei Fragen zu den Gründen und Konditionen der Überstundenanordnung.

Überprüfe auch, ob die Überstunden im Einklang mit dem Arbeitsvertrag, dem Tarifvertrag oder den gesetzlichen Regelungen stehen. Vereinbarungen zur Höchstarbeitszeit pro Woche sowie Regelungen zu Pausen- und Ruhezeiten sollten beachtet und eingehalten werden.

Unterstützung durch Betriebsrat oder Personalvertretung

Wenn die Situation trotz direkter Kommunikation mit dem Vorgesetzten nicht geklärt werden kann, wende dich an den Betriebsrat oder die Personalvertretung. Diese Instanzen haben die Aufgabe, die Interessen der Mitarbeiter zu vertreten und können helfen, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Sie sind auch für die kontinuierliche Überwachung der Einhaltung arbeitsrechtlicher Vorschriften verantwortlich und können daher wertvolle Informationen zu deinen Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit der Anordnung von Überstunden liefern.

Einholen von externem juristischen Rat

Unter Umständen kann es sinnvoll sein, externen juristischen Rat einzuholen, um deine Rechte und Pflichten als Arbeitnehmer besser einschätzen zu können. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann klären, ob die Anordnung von Überstunden in deinem speziellen Fall rechtens ist, und dich darüber informieren, wie du weiter vorgehen solltest.

Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Arbeitgeber wiederholt Überstunden anordnet, die gegen Höchstarbeitszeitregelungen verstoßen, oder wenn die angeforderten Stunden ohne angemessene Entschädigung, sei es in Form von Gehalt oder Freizeitausgleich, verlangt werden. In solch einem Fall kann auch ein Gerichtsurteil notwendig sein, um die Situation abschließend zu klären.

Fazit

Überstunden sind in vielen Unternehmen ein kontroverses Thema, da sie den Arbeitsalltag der Arbeitnehmer stark beeinflussen können. Bei der Anordnung von Überstunden gilt es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sich an gesetzliche Vorgaben, arbeitsvertragliche Regelungen und tarifvertragliche Bestimmungen zu halten, um Probleme und Konflikte zu vermeiden.

  • Informiere dich als Arbeitnehmer über deine Rechte und Pflichten, um bei der Anordnung von Überstunden angemessen zu handeln und deine Interessen zu vertreten.
  • Achte auf die gesetzlichen Regelungen zur Entschädigung von Überstunden und für korrekten Freizeitausgleich, um Ansprüche geltend machen zu können und deine Work-Life-Balance sicherzustellen.
  • Nutze im Falle von Unklarheiten oder Konflikten bei der Anordnung von Überstunden das Gespräch mit dem Vorgesetzten, wende dich an den Betriebsrat oder hole externen juristischen Rat ein, um eine angemessene Lösung zu finden.
Disclaimer

Dieser Beitrag ist nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig zusammengestellt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit und Ausschließlichkeit der Inhalte gestellt. Die in diesem Beitrag zur Verfügung gestellten Informationen sind unverbindlich, ersetzen keine juristische Beratung und stellen keine Rechtsauskunft dar.

FAQ

Nachfolgend sind einige Antworten auf häufig vorkommende Fragen zusammengestellt.

Quellen:

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