Vertikalisierung des Vertriebs: Ab wann lohnt es sich?

Von Alison Tierney
Aktualisiert am 12.03.2024 | Lesezeit ca. Min.

Vertriebsmitarbeiter sind für das Produkt, das sie verkaufen, absolute Experten. Sie können mit allen wichtigen Zahlen jonglieren und wissen um jeden einzelnen Vorteil, den es potenziellen Kunden bietet. Doch häufig endet ihre Kompetenz dort, wo branchenspezifische Bedürfnisse beginnen – und im schlimmsten Fall führt das dazu, dass kein Vertragsabschluss zustande kommt. 

Um dieses Risiko zu minimieren, kann es sich lohnen, den Spieß umzudrehen und statt eines horizontalen einen vertikalen Ansatz zu verfolgen. 

Das bedeutet, dass die Vertriebsbemühungen sich nicht am Produkt, sondern viel eher an den Kunden orientieren sollten. Am Ende bietet das nicht nur deinen Zielkunden viele Vorteile – auch du selbst kannst aus dem Meer an Anbietern herausstechen.

Wer kann von einem vertikalen Ansatz profitieren?

In erster Linie trägt ein vertikaler Vertriebsansatz dazu bei, dem potenziellen Kunden ein besseres Verkaufserlebnis zu bieten. So können produzierende Unternehmen ganz andere Bedürfnisse haben als Einzelhandelsunternehmen. Hier eine gemeinsame Basis zu finden, ist nicht leicht, wenn die Vertriebsmitarbeiter nicht die Sprache der einzelnen Sektoren sprechen. Und umso schwerer wird es für sie, ein Geschäft erfolgreich abzuschließen. 

Auf Augenhöhe mit dem Kunden

Verfügen sie jedoch über fachspezifische Kenntnisse, sieht das anders aus: In diesem Fall ist Kommunikation auf einer ganz anderen Ebene möglich – nämlich auf Augenhöhe. Der Kunde hat hierdurch die Chance, tiefgreifende Fragen zu stellen und Sorgen zu äußern, die in anderen Sektoren nicht im selben Ausmaß oder eventuell auch gar nicht bestehen. So können Lösungen aufgezeigt werden, die exakt den bestehenden Herausforderungen entsprechen. Eine solche individuelle Beratung schafft Kundennähe und -vertrauen, was im besten Fall in einer langfristigen Partnerschaft resultiert.

Wettbewerbsvorteile für Unternehmen

Doch nicht nur die Kunden profitieren. Ähnliches gilt auch für die Anbieterunternehmen, denn eine solche Vertikalisierungsstrategie bietet ihnen einen großen Wettbewerbsvorteil. Wenn das Vertriebsteam die Kräfte, die eine Branche prägen, im Detail versteht, ist es dazu in der Lage, Lücken durch maßgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen zu schließen. Im Zweifel wird sich ein Zielkunde immer für den Anbieter entscheiden, der die eigenen Bedürfnisse und Nöte versteht und weiß, diese in der brancheneigenen Sprache auszudrücken. 

Durch einen vertikalen Ansatz haben Unternehmen also die Chance, einen großen Schritt von der Konkurrenz abzurücken. So können sie positiv hervorstechen, während andere, die einen breiten Vertriebsansatz verfolgen, immer unter einem gewissen Tunnelblick leiden – und der zeigt nur auf eines, nämlich das eigene Produkt.

Welche potenziellen Stolpersteine gibt es?

Innerhalb Europas stellt die Vielzahl von Ländern und Sprachen eine offensichtliche Herausforderung dar. Dabei lohnt es sich, zu bedenken, dass auch jede Branche ihre ganz eigene Sprache spricht. Manche sind eher offen und kommunikativ, andere hingegen hierarchisch und zurückhaltend.

Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten, die alle von ihnen betreffen – und das sind zum Beispiel rechtliche Vorschriften wie die DSGVO. Alle europäischen Unternehmen, mit denen Vertriebsmitarbeiter ins Gespräch kommen, sind von Regelungen wie dieser betroffen. Während des Verkaufsprozesses sollten deshalb alle regionalen und lokalen Vorschriften adressiert werden, um die daraus resultierenden Hürden und Unsicherheiten bereits im Vorfeld überwinden zu können.

Chancen und Herausforderungen

Die wohl größte Herausforderung ist aber, diese intern zu finden. Soll die Arbeit des Sales-Teams vertikalisiert werden, müssen sich sowohl die Denkweise als auch das komplette Messaging entsprechend anpassen – und das ist mit einem enormen Organisationsaufwand verbunden. Jede Abteilung muss die Art und Weise, wie sie ihre Arbeit verrichtet, von Grund auf überdenken. So ist es beispielsweise erforderlich, dass die Marketingabteilung das Informationsmaterial überarbeitet und auf die Bedürfnisse einzelner Branchen eingeht. Wo vorher eine einzige Version ausreichte, braucht es nun schnell fünf oder sechs, die sich auf die verschiedenen Schwerpunkte fokussieren.

Der wichtigste Faktor sind aber die Vertriebler selbst. Denn diese müssen umlernen und statt ihrer bisherigen Verkaufsweise eine branchenspezifische Sprache lernen, die es ihnen ermöglicht, besser auf Unternehmen in verschiedenen Sektoren einzugehen, deren Probleme zu verstehen und entsprechende Lösungen anzubieten. Um das in die Tat umzusetzen, braucht es neue Tools und vor allem Weiterbildungsangebote

Zwar ist dies mit einem nicht zu unterschätzenden finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden – doch es lohnt sich, diesen Prozess nicht als Problem, sondern vielmehr als Chance wahrzunehmen. Durch die Vertikalisierung wird der Zugang zu einem völlig neuen Netzwerk eröffnet. Während Unternehmen mit einem breiten Vertriebsansatz nur am Rand stehen und zuschauen können, fällt es jenen mit einem vertikalen Ansatz leicht, selbst ein fachliches Gespräch zu beginnen und dadurch von Anfang an eine ganz andere Ebene an Vertrauen zu schaffen.

Ab wann lohnt es sich, den Vertrieb zu vertikalisieren?

Wie so oft gibt es auch auf diese Frage keine allgemeingültige Antwort – vor allem, weil diese stark von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Dazu gehört auch, welche Produkte und Dienstleistungen konkret von einem Unternehmen angeboten werden. 

Wenn es beispielsweise um traditionelle IT-Lösungen geht, kann es weniger Sinn machen, sich auf verschiedene Branchen zu konzentrieren, da die Zielgruppe hier sehr homogen ist. Steht hingegen eher der Verkauf einer Vision im Fokus, die zu einem flächendeckenden Wandel beitragen kann, ist etwas mehr Fantasie gefragt. 

In diesem zweiten Fall spielt es eine wichtige Rolle, dass die Vertriebsmitarbeiter in der Lage sind, die abstrakte Vision auf die alltäglichen Herausforderungen verschiedener Sektoren herunterzubrechen und sie dadurch besser greifbar zu machen. Hier macht eine Vertikalisierung also nicht nur Sinn, sondern kann letztendlich den entscheidenden Ausschlag geben, ob Unternehmen überhaupt den Mehrwert eines Produkts oder einer Dienstleistung verstehen.

Vertikalisierung für neue Unternehmen auf dem Markt

Ähnliches gilt auch für die Frage, ob sich ein Unternehmen neu in einer Branche oder einem bestimmten Produktsegment aufstellen will. Zu Beginn ist es ratsam, sich darauf zu fokussieren, extensiv für sich und seine Lösungen zu werben, um dadurch schnell Fuß zu fassen. Während dieser Zeit bietet sich allerdings kaum die Möglichkeit, tief in eine Branche einzutauchen. Deshalb macht es mehr Sinn, erst dann mit der Vertikalisierung anzufangen, wenn das Unternehmen sich bereits als feste Größe im Markt etabliert hat. 

Dabei sollte auch der Umfang der potenziellen Zielgruppe nicht außer Acht gelassen werden. Ist diese ausreichend groß, um genügend Umsatz zu generieren und dadurch den Aufbau eines spezialisierten Teams zu rechtfertigen? Falls nein, ist es völlig in Ordnung, dies nicht zu tun. Denn am Ende geht es bei der Vertikalisierung auch immer um die Frage von Kosten und Nutzen.

Fazit

In einigen Branchen dauert es deutlich länger, eine Vertikalisierung des Vertriebs umzusetzen – manche sind dafür überhaupt nicht geeignet. Daher sollte ein Unternehmen im Vorfeld immer ehrlich mit sich ins Gericht gehen und sich fragen, ob es sich angesichts des zu erwartenden Outputs tatsächlich lohnt, all die Mühe zu investieren. 

Eine Vertikalisierung um der Vertikalisierung willen ist in keinem Fall zu empfehlen. Letztendlich kann sich der Mehrwert, der sich dadurch für Zielkunden bietet, nur dann vollends entfalten, wenn auch das Anbieterunternehmen profitiert – und das ist nicht zwangsläufig der Fall.

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