Leichte Sprache: Definition, die wichtigsten Regeln und anschauliche Beispiele

Von Leon Sänger, geprüft durch Melina Wandler (zertifizierte Lektorin)
Aktualisiert am 26.03.2024 | Lesezeit ca. Min.

Leichte Sprache stellt mehr dar als eine bloße Vereinfachung von Texten – sie ermöglicht die barrierefreie Bereitstellung von Informationen für Menschen, die mit dem Lesen und Verstehen von Texten Schwierigkeiten haben. Das betrifft allein in Deutschland rund 10 Millionen Menschen. Ein bewusster Fokus auf dieses relevante Thema trägt zur Förderung gesellschaftlicher Teilhabe und gelungener Kommunikation bei.

In diesem Artikel erläutern wir die Grundlagen der Leichten Sprache, zeigen wichtige Regeln und Prinzipien auf und präsentieren ergänzend anschauliche Beispiele. Hier sind drei zentrale Aspekte:

  • Entstehung und Erklärung der Leichten Sprache
  • Anwendungsbereiche und Zielgruppen der Leichten Sprache
  • Grundregeln und Prinzipien für die erfolgreiche Verwendung Leichter Sprache

Erfahre, wie Leichte Sprache in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden kann, und lasse dich beim Lesen inspirieren!

Leichte Sprache: Die Grundlagen

In diesem Abschnitt erhältst du einen Überblick über die Definition und Grundlagen der Leichten Sprache.

Die Entstehung der Leichten Sprache

Die Leichte Sprache hat ihre Wurzeln in der Behindertenbewegung der 1970er-Jahre. Menschen mit Behinderungen setzten sich für ihre Rechte ein und betonten die Notwendigkeit, Informationen für Personen verständlich zu machen, für die herkömmliche Sprache zu komplex ist und somit schwer zugänglich bleibt. Fachleute und Betroffene arbeiteten daraufhin gemeinsam an Regeln und Richtlinien für die Leichte Sprache, um eine barrierefreie Kommunikation für alle zu ermöglichen.

Die Bedeutung Leichter Sprache

Leichte Sprache bezeichnet eine vereinfachte Form der Texterstellung, die darauf abzielt, komplexe Informationen für Menschen mit sprachlichen Einschränkungen verständlich zu machen. Das Ziel ist es, Information und Kommunikation für alle zugänglich zu gestalten und somit die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen oder anderen sprachlichen Hürden zu fördern.

Anwendungsbereiche und Zielgruppen

Leichte Sprache findet für verschiedene Zwecke Anwendung, zum Beispiel wenn es um öffentliche Informationen oder amtliche Schreiben geht, in Medien und Bildungsmaterialien sowie auf Websites. Die Zielgruppen umfassen Menschen mit Lern- oder geistigen Behinderungen, Menschen mit Leseschwierigkeiten, Senioren, Menschen mit Demenz sowie Personen, die Deutsch als Fremdsprache lernen.

Der Unterschied zwischen Leichter und Einfacher Sprache

Auch wenn beide Konzepte darauf abzielen, Texte verständlicher zu gestalten, gibt es wesentliche Unterschiede:

  • Leichte Sprache richtet sich an Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geistigen Behinderungen, während Einfache Sprache für Menschen mit Leseschwäche, eingeschränkter Lese- und Schreibfähigkeit oder für Deutschlernende gedacht ist.
  • Leichte Sprache folgt einem festen Regelwerk und weist einfachere Strukturen und eine begrenzte Wortzahl auf. Einfache Sprache hingegen hat kein festes Regelwerk und ist näher an der Standardsprache.
  • Leichte Sprache erfordert die Überprüfung durch eine Prüfgruppe, während bei Einfacher Sprache keine solche Prüfung notwendig ist.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung der Unterschiede beider Konzepte:

  1. Ursprünglicher Text: "Geschlechtsdimorphismus bei Amseln: Die Männchen dieser Vogelart zeichnen sich durch ein einfarbig schwarzes Gefieder aus, während ihr Schnabel auffällig hellgelb bis orange ist. Bei den Weibchen ist der Schnabel weniger auffällig und weist eine hell hornfarbene statt gelbe Farbe auf. Das Gefieder der Weibchen variiert deutlich mehr und ist hauptsächlich dunkelbraun, mit gelegentlichen graubraunen oder rötlich braunen Tönen.
  2. Einfache Sprache: "Bei den Amseln sehen die Männchen und die Weibchen unterschiedlich aus. Die Männchen sind schwarz und haben einen gelben Schnabel. Die Weibchen haben eher braune Federn und ihr Schnabel ist heller."
  3. Leichte Sprache: "Männchen und Weibchen bei Amseln sehen ungleich aus. Amseln sind Vögel. Amsel-Männchen sind schwarz. Sie haben einen gelben Schnabel. Amsel-Weibchen sind oft dunkel-braun. Sie haben einen hellen Schnabel."

Leichte Sprache: Wer verpflichtet ist, sie zu nutzen

In Deutschland besteht eine gesetzliche Grundlage, die bestimmte Institutionen und Organisationen dazu anhält, Informationen in Leichter Sprache bereitzustellen. Im Folgenden erfährst du, welche Einrichtungen dazu verpflichtet sind.

Öffentliche Einrichtungen

Die deutsche Behindertenrechtskonvention legt fest, dass öffentliche Einrichtungen dazu verpflichtet sind, Informationen barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört auch die Anwendung von Leichter Sprache. Einrichtungen, die hiervon betroffen sein können, sind unter anderem:

  • Behörden auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene
  • Bildungs- und Forschungseinrichtungen
  • Sozialversicherungsträger
  • Einrichtungen im Gesundheitswesen

Mithilfe dieser Verpflichtung sollen Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Verständnisproblemen die Möglichkeit bekommen, selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Unternehmen

Obwohl Unternehmen nicht direkt per Gesetz dazu verpflichtet sind, Leichte Sprache zu verwenden, kann es dennoch in ihrem eigenen Interesse sein, Informationen für alle zugänglich zu machen. Dies kann einen positiven Einfluss auf die Kundenkommunikation und das Firmenimage haben und neue Zielgruppen erschließen. Zudem signalisieren Unternehmen dadurch ihr Engagement für Inklusion und können so auch einen Vorteil bei der Personalgewinnung erzielen.

Gern darfst du diese Infografik auf deiner Webseite einbinden.

Grundregeln und Prinzipien der Leichten Sprache

Um erfolgreich in Leichter Sprache zu kommunizieren, solltest du bestimmte Grundregeln und Prinzipien beachten. In diesem Kapitel geben wir dir einen ersten Einblick.

Wortwahl und Satzbau

Die Leichte Sprache folgt festen Regeln, die vom Netzwerk Leichte Sprache e. V. entwickelt wurden. Diese Regeln werden in Zusammenarbeit mit Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten seit 2006 stetig aktualisiert.

Im Bereich der Wortwahl und des Satzbaus solltest du Folgendes berücksichtigen:

  • Verwende einfache, kurze Wörter und präzise Beschreibungen. So sollte beispielsweise bildliche Sprache vermieden oder Abkürzungen wie "z. B." oder "d. h." ausgeschrieben werden.
  • Meide Redewendungen sowie Fach- und Fremdwörter. Verwende beispielsweise statt "Download" lieber "Herunterladen" oder "Bus" statt "Omnibus".
  • Formuliere Sätze aktiv, um die Kommunikation verständlicher zu gestalten. Zum Beispiel sollte auf Substantivierungen verzichtet und ein Verb verwendet werden: "Der Verkehr wird umgeleitet" klingt verständlicher als "Die Umleitung des Verkehrs".
  • Verzichte auch auf Genitiv und Konjunktiv, um den Text leichter lesbar zu machen. "Aufgrund des Unwetters fahren keine Züge." könnte zu "Die Züge fahren nicht, da es ein Unwetter gibt." verändert werden.
  • Vermeide Verneinungen, wenn möglich, und formuliere deine Botschaften positiv. Zum Beispiel sollte "Max ist nicht krank." zu "Max ist gesund." umformuliert werden.
  • Auch Zahlen und Zeichen sollten leicht verständlich sein. Beispielsweise empfiehlt es sich, hohe oder alte Jahreszahlen durch Aussagen wie "sehr viel" oder "vor langer Zeit" zu ersetzen. Klare Vorgaben für Datumsangaben, Uhrzeiten, Zeitangaben und Telefonnummern sind ebenfalls zu befolgen.
  • Beim Satzbau in Leichter Sprache gelten die Prinzipien kurzer, einfacher Satzstrukturen und die Beschränkung auf eine Information pro Satz.

Klare Strukturen und Einfachheit

Du solltest auf gut organisierte Textabschnitte achten, die eine logische Reihenfolge haben. Unterstütze das Verständnis deiner Leser, indem du Themen und Unterthemen klar voneinander abgrenzt und konkrete Beispiele anführst.

In diesem Zusammenhang ist es auch ratsam, bei komplexen Informationen oder schwierigen Themen Listen in Form von Bullet Points oder nummerierten Aufzählungen zu nutzen. So gewährleistest du Klarheit und Übersichtlichkeit.

Visuelle Elemente zur Unterstützung

Visuelle Elemente wie Bilder, Grafiken oder Tabellen können die Verständlichkeit deiner Texte in Leichter Sprache signifikant verbessern. Sie bieten den Lesern zusätzliche Informationen und machen komplexe Inhalte nachvollziehbarer. Achte darauf, dass die visuellen Elemente klar, aussagekräftig und auf das Textformat abgestimmt sind. Erkläre, falls erforderlich, was auf einem Bild dargestellt ist.

Stelle sicher, dass alle Informationen korrekt und überprüfbar sind, damit du deinen Lesern einen echten Mehrwert bieten kannst.

Beispiele und praktische Anwendung

Um das erworbene Wissen zur Leichten Sprache erfolgreich anwenden zu können, ist es hilfreich, sich mit konkreten Beispielen und praktischen Einsatzmöglichkeiten auseinanderzusetzen.

Texte in Leichter Sprache: Vor und nach der Überarbeitung

Um einen Eindruck von der praktischen Umsetzung der Leichten Sprache zu gewinnen, lohnt sich ein Blick auf Beispiele von Texten vor und nach der Anpassung an die Leichte Sprache. Dabei wirst du feststellen, dass durch kurze, einfache Sätze und vertraute Wörter die Lesbarkeit erheblich verbessert werden kann. Selbst komplexe Zusammenhänge lassen sich dadurch verständlicher präsentieren.

Leichte Sprache Screenshot Verfassung NRW Standardsprache
Quelle: Recht NRW.
Leichte Sprache Screenshot Verfassung NRW
Quelle: Land NRW.

Richtlinien für die Gestaltung von Webseiten in Leichter Sprache

Die Leichte Sprache ist besonders im Bereich barrierefreier Webseiten von Bedeutung. Neben der Textgestaltung sollte auch ein übersichtliches Layout, klare Strukturen und eine verständliche Navigation gewährleistet sein.

Zusätzlich kannst du unterstützende visuelle Elemente sowie Gebärdensprach-Videos einbinden, um den verschiedenen Bedürfnissen deiner Zielgruppen gerecht zu werden.

Tools für Leichte Sprache

Zahlreiche Hilfsmittel und Tools stehen zur Verfügung, um Texte in Leichter Sprache zu erstellen oder bereits bestehende Texte zu überprüfen. Im Folgenden möchten wir dir einige der wichtigsten Ressourcen vorstellen:

  • Regelwerke & Ratgeber: Umfangreiche Informationen zur Leichten Sprache und deren Umsetzung findest du in zahlreichen Ratgebern und Leitfäden, beispielsweise beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales oder der Universität Hildesheim.
  • Prüftools: Programme wie LanguageTool, LIX oder Supertext unterstützen dich bei der Analyse der Lesbarkeit von Texten und identifizieren mögliche Schwierigkeiten wie lange Sätze oder komplexe Wörter. Beachte jedoch, dass es sich hierbei nicht um Tools handelt, die sich explizit mit Leichter Sprache befassen.
  • Wörterbücher: Speziell für die Leichte Sprache entwickelte Wörterbücher und Nachschlagewerke wie Hurraki, das Wörterbuch der Lebenshilfe oder Raketen-Wissenschaft erleichtern dir die Auswahl angemessener Wörter.
  • Wortlisten: Die einfachen Wortlisten der Goethe-Zertifikate können dir bei der Texterstellung helfen und zur Reduzierung von Komplexität beitragen.
  • Bilder: Bei professionellen, kostenpflichtigen Bildanbietern wie Lebenshilfe Bremen, Inga Kramer oder Reinhild Kassing findest du Bildmaterial, das das Textverständnis unterstützt und die Motivation der Leser fördert.
  • Lern-Video: E-Learning-Angebote wie der eGov-Campus zeigen dir, wie du Leichte Sprache in visuelle Materialien transferieren kannst.

Fazit: Leichte Sprache als Schlüssel zur barrierefreien Kommunikation

Leichte Sprache ist ein wichtiges Instrument, um Menschen mit Lese- oder Lernschwierigkeiten den Zugang zu komplexen Inhalten zu ermöglichen. Sie stärkt ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Im Folgenden findest du eine Liste mit Kernpunkten, die als Leitfaden dienen können:

  • Zugänglichkeit: Leichte Sprache vereinfacht unterschiedlichen Zielgruppen das Erfassen und Erschließen von Informationen.
  • Gesetzliche Pflicht: Viele öffentliche Einrichtungen sind angehalten, Leichte Sprache einzusetzen, um rechtliche Bestimmungen zur Barrierefreiheit zu erfüllen.
  • Nutzen für Unternehmen: Obwohl keine direkte rechtliche Verpflichtung besteht, kann der Einsatz von Leichter Sprache die Kundenzufriedenheit steigern und das Firmenimage stärken.

Nutze die Gelegenheit, Informationen für alle Menschen zugänglich zu gestalten. Dadurch kannst du nicht nur die Zufriedenheit deiner Kunden und die Wahrnehmung deiner Marke verbessern, sondern ebenso einen Beitrag zur gesellschaftlichen Verantwortung deines Unternehmens leisten.

Disclaimer

Dieser Beitrag ist nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig zusammengestellt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit und Ausschließlichkeit der Inhalte gestellt. Die in diesem Beitrag zur Verfügung gestellten Informationen sind unverbindlich, ersetzen keine juristische Beratung und stellen keine Rechtsauskunft dar.

FAQ

Im Folgenden werden häufig gestellte Fragen beantwortet.

Quellen:

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