Agiles Marketing einführen: Eine Anleitung für effektiveres Arbeiten in 2024

Von Ansgar Hein
Aktualisiert am 02.04.2024 | Lesezeit ca. Min.

Wenn du dich fragst, ob agiles Marketing etwas für dich ist, dann habe ich hier den passenden Ein-Fragen-Test: Wie hat sich Corona auf dein Marketing ausgewirkt? Und damit meine ich: wie hat sich Corona auf die geplanten Maßnahmen, Budgets, Projekte und Ressourcen ausgewirkt?

Ich kenne kein Unternehmen, das an seinen ursprünglichen Plänen festgehalten und mit ruhiger Hand und einem beherzten „weiter so“ in den Bereichen Marketing und Vertrieb gearbeitet hat. Gerade in einer VUCA-Welt mit schnellen Veränderungen, weltweiten Krisen und einer immer höheren Digitalisierungsquote ist es für dein Marketing wichtig, kurzfristig auf Veränderungen zu reagieren.

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Was bedeutet VUCA?

VUCA ist ein Akronym, das sich aus den englischen Begriffen "volatility" (Volatilität), "uncertainty" (Unsicherheit), "complexity" (Komplexität) und "ambiguity" (Mehrdeutigkeit) zusammensetzt. Damit werden Herausforderungen beschrieben, denen sich Menschen und Unternehmen in einer zunehmend digitalisierten Welt stellen müssen.

Genau hier kommt agiles Marketing ins Spiel, denn es macht dein Marketing aktiver und weniger reaktiv. Zudem hilft es dir dabei, zielgerichteter und effizienter zu Ergebnissen zu kommen.

Wenn du jetzt glaubst, dass agiles Marketing deine Prozesse schneller und günstiger macht, dann ist das so nicht ganz richtig. Zumindest nicht kurzfristig. Die Beweglichkeit, die im Wort „Agilität“ steckt, ist mehr eine Flexibilität als eine Beschleunigung. Ein agiler Marketingansatz fördert Flexibilität, Experimentierfreude sowie interdisziplinäres Zusammenarbeiten und baut im Gegenzug Silos und Hierarchien ab. Oftmals geht agiles Marketing mit Data Driven Marketing und Growth Marketing einher.

Wie funktioniert agiles Marketing?

Kennst du dich mit agilen Prinzipien, Scrum, Swimlanes, Kanban und Co. aus? Dann kannst du diese kurze Einführung überspringen.

Agiles Marketing bezeichnet eine Arbeitsmethode, die auf kurzen iterativen Tätigkeiten, häufigem Feedback und ständigen Verbesserungen basiert. Dem gegenüber steht der Ansatz eines klassischen hierarchisch-linearen bzw. kaskadierenden Wasserfallprozesses.

Indem du die Prinzipien, Werte und Methoden von agilem Marketing anwendest, wird dein Marketing flexibler und du kannst schneller auf Veränderungen reagieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob du Marketing für B2C, B2B, B2G oder H2H machst. Wie schon gesagt: Agilität ist ein Prinzip, keine Disziplin wie etwa das Content Marketing.

Wichtige Begriffe rund um agiles Marketing

Wenn du agiles Marketing einführen möchtest, dann solltest du die wichtigsten Begriffe und deren Bedeutung kennen.

Backlog

Eine sich ständig aktualisierende Liste an Aufgaben und Anforderungen eines agilen Teams. Einzelne Backlog-Tasks werden auch als User-Stories bezeichnet. Du kannst sie mit Hilfe von Storypoints priorisieren.

Daily

Das Tagesgespräch: Tägliches, kurzes Meeting deines Teams, um euch gegenseitig über den Arbeitsfortschritt, geplante Tätigkeiten und mögliche Schwierigkeiten zu informieren und zu synchronisieren. Es findet in der Regel im Stehen (Stand-up) statt und dauert maximal 15 Minuten, die einem klaren Ablauf folgen.

Project Owner

Der Project Owner ist für den wirtschaftlichen Erfolg des Projektes sowie die Arbeit des Projektteams verantwortlich. Er allein ist für das Verwalten des Backlogs zuständig. Es handelt sich um eine einzelne Person und kein Komitee.

Retrospektive

Meetings in agilen Teams werden als Retrospektiven bezeichnet und finden in der Regel zum Ende eines Sprints statt. Sie haben das Ziel, Learnings aus dem zurückliegenden Sprint zu ziehen. Dazu bewerten die einzelnen Teammitglieder die bisherigen Schritte und ermitteln Maßnahmen zur Verbesserung, zum Beispiel nach dem Keep-Drop-Try-Prinzip.

Review

Reviews dienen dazu, die Arbeit des gesamten Teams darzustellen und Feedback der Stakeholder zur geleisteten Arbeit einzuholen. Es handelt sich um eine informelle Demonstration der Ergebnisse sowie der Aufgaben, die in der zurückliegenden Sprint-Iteration erledigt wurden.

Jeder Teilnehmer hat beispielsweise die Gelegenheit, Fragen zu stellen, neue Features auszuprobieren und Feedback zu geben. Erfolge zu teilen ist ein wesentlicher Aspekt in agilen Teams.

Sprint

Ein fest definierter Zeitraum, bestehend aus Sprint-Planung, Daily, Review und Retrospektive – sozusagen ein kleines, zeitlich begrenztes Projekt, bei dem etwas erreicht werden muss und dessen Dauer nicht verlängert wird. Sprints sind in der Regel gleich lang (1 bis 4 Wochen) und folgen stets unmittelbar aufeinander.

Storypoints

Aufwandsschätzungen im Agile Marketing sind Teamarbeit. Storypoints sind eine Einheit, um die Größe einer User-Story zu beschreiben. Daraus lassen sich dann Dauer, Kosten und Budgets schätzen.

User-Story

Aus Sicht des Endnutzers formulierte, einfache Beschreibung einer Eigenschaft bzw. einer Arbeitsanforderung. Sie beantwortet diese drei W-Fragen: „Als (WER?) brauche ich (WAS?), damit ich (WARUM?)“.

Growth Marketing: Ein Beispiel für agiles Arbeiten

Ein bekanntes Beispiel für die Anwendung agiler Methoden ist Growth Marketing. Hier geht es darum, schnelle Experimente durchzuführen und auf die Ergebnisse zu reagieren. Sozusagen ein Prototyp von vielen schnellen Iterationen, daraus resultierenden Learnings und Ergebnissen.

Dafür stellst du mit deinem Team zunächst eine Hypothese auf. Nehmen wir mal an, du hast einen Werbebanner geschaltet, dessen Klickrate (CTR) nicht berauschend ist.

Phase 1: Hypothese aufstellen

Eine naheliegende Vermutung (= Hypothese) könnte sein, dass der Call-to-Action (CTA) nicht eindeutig genug ist. Oder, dass die Überschrift provokanter sein sollte. Oder die Vorteile eures Produktes nicht eindeutig (zum Beispiel mit Zahlen) formuliert sind. Oder dass die Werbeplattform nicht für euch geeignet ist.

Du siehst: Es gibt immer mehrere Hypothesen, die sich aufstellen lassen und deine Aufgabe ist es, die beste Variante zu identifizieren. Es lohnt sich, im Team gemeinsam über die möglichen Optionen zu sprechen und diese nach einem Scoring-Modell (ICE, PIE, PXL) zu bewerten. Dadurch lassen sich eure aufgestellten Hypothesen in eine Reihenfolge bringen. Umsetzen solltest du zunächst immer jene, die ein großes Potenzial bzw. einen hohen Wirkungsgrad bei geringem Mitteleinsatz (Zeit, Budget) versprechen.

Phase 2: User-Stories & Storypoints

Wenn ihr eine Hypothese aufgestellt habt, brecht ihr sie in einzelne User-Stories herunter. Denk an den Merksatz. Nehmen wir an, ihr beginnt mit folgenden drei Experimenten, eines zu jeder Hypothese:

Experiment 1: Provokantere Überschrift

Formuliere Headlines, die neugierig machen oder zu einer Handlung verleiten.

Experiment 2: Eindeutigerer CTA

Entwickle den perfekten Call to Action: Was lässt den Finger deiner Nutzer zucken? Was ist der Trigger? Falls du den CTA visuell unterstützen kannst: wie kann das aussehen (Farbe, Fettung, Emojis, Icons etc.)?

Experiment 3: Zahlen und Daten zu Produktvorteil

Gibt es Zahlen und Fakten, die du nutzen kannst? Merke: Zahlen schaffen Vertrauen. Kannst du die Zahlen in der Überschrift unterbringen (Kombi mit Experiment 1)? Welche Zahl versetzt deine Kunden in Verzückung?

Nun ist das Team wieder gefragt. Um zu ermitteln, wie aufwendig jedes Experiment ist, solltet ihr Storypoints vergeben. Das könnt ihr auch schon in der Hypothese-Phase tun, um die effizientesten Experimente zu ermitteln.

In jedem Fall braucht ihr vor Beginn des Sprints eine solide Aufwandsschätzung des gesamten Teams. Storypoints sind im agilen Umfeld ein beliebter Ansatz, der auch spielerisch in Form von Aufwandspoker möglich ist – so sorgt agiles Marketing in deinem Team für zusätzlichen Spaß anstelle von Planungsfrust.

Phase 3: Sprint, Daily, Retrospektive und Review

Damit habt ihr die Basis für euren ersten Sprint gelegt. Jetzt gilt es, ein Sprintziel zu formulieren. Beispielsweise das Steigern der Klickrate um 10 Prozent. Wie lange euer Sprint dauert, liegt an euch. In der Praxis haben sich Sprintlängen von einer bis vier Wochen bewährt. In diesem Beispiel sind ein bis zwei Wochen sicher aussagekräftig genug – vorausgesetzt, es gibt genügend Klicks in diesem Zeitraum. Sonst kannst du einfach die Sprintlänge ausweiten.

Im Sprint setzt ihr die drei Experimente um und testet sie gegeneinander mit Hilfe von A/B-Tests oder Paralleltests, je nach Geschmack. In den Daily-Meetings (Dailies) bringt ihr euch gegenseitig in aller Kürze auf den neuesten Stand im Hinblick auf eure Aufgaben:

  • Wo braucht ihr Hilfe?
  • Was ist seit gestern geschehen?

Maximal zwei Minuten pro Teammitglied.

Sobald der Sprint durchlaufen ist, solltest du mit deinem Team eine Retrospektive des Sprints durchführen. Dabei geht es aber nicht nur darum, wer der Gewinner der Sprintreihe ist. Das ist zwar auch wichtig, denn es ist eure Ausgangsbasis für die nächste Hypothese und die nächsten Experimente. Aber wichtiger sind im Review die Learnings. Fehler und Probleme kommen hier zur Sprache und wie sie vom Team überwunden wurden. Es geht um Verbesserungen und Lerneffekte. Mit dieser Methode wird das Team effizienter, zielgerichteter und besser – es schult sich gegenseitig und agiert zunehmend auf Augenhöhe.

Der letzte Schritt im Sprintzyklus ist das Review-Meeting. Dabei lädt das Team Stakeholder ein, die von den Ergebnissen des Sprints profitieren. In diesem Beispiel wäre das sicher der Vertrieb, denn mit mehr Klicks steigt die Wahrscheinlichkeit, mehr Leads zu generieren. Das Team präsentiert gemeinsam die Ergebnisse und alle Review-Teilnehmer haben die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Feedback zu geben. Diese Informationsschleife dient dazu, die eingeschlagene Richtung mit der Realität bzw. den Zielen der Stakeholder abzugleichen.

Resümee des Beispiels

An die Stelle von starren Hierarchien (wie im Wasserfallmodell) und den ihnen zugrundeliegenden Freigabe- sowie Abstimmungsprozessen treten bei agilen Methoden kleine Teams, die in kurzen Zyklen schnelle Lösungsansätze entwickeln. Anschließend holt sich das Team dazu Feedback ein und setzt die Veränderungen in neuen Hypothesen und Experimenten um. Danach wird der Prozess in einer fortwährenden Iteration fortgeführt.

Ziel ist es aber nicht, schnell anzukommen, auch wenn in agilen Prozessen der Begriff „Sprint“ eine wichtige Bedeutung hat. Es geht um Learnings und das kontinuierliche Verbessern von Input und Output. Voraussetzung für agiles Arbeiten ist neben den richtigen Tools vor allem das richtige Mindset.

Agiles Marketing strategisch einführen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um agiles Marketing im Unternehmen einzuführen. Gerade in B2B-Unternehmen empfehle ich ein mehrstufiges Modell, um die Reibungen mit nicht agilen Abteilungen auf der einen und die internen Umstrukturierungen auf der anderen Seite abzufedern. Und um möglichst viele Stakeholder mitzunehmen. Oftmals lassen sich aber auf Basis von Projekten (wie dem oben angeführten Anzeigen-Beispiel) bereits erste agile Erfahrungen sammeln.

In kleinen Unternehmen lässt sich auf diese Weise der Prozess der Agilisierung selbst agil gestalten. Wenn du aber mehr Struktur brauchst, dann ist der nachfolgende Stufenplan für dich.

Stufe 1: Überzeugungsarbeit leisten

Bring deinem Team die Vorteile agiler Methoden näher und versuche dabei, das Thema aus deren Perspektive zu betrachten. Vielleicht helfen dir folgende Fragestellungen dabei:

  • Welche Vorteile in meiner täglichen Arbeit habe ich durch agile Methoden?
  • Wie wirkt sich agiles Arbeiten auf meine Arbeitszeit und -last aus?
  • Muss ich neue Tools erlernen und wenn ja, welche?
  • Wer steht mir zur Seite, wenn ich nicht weiter weiß?   
  • Müssen wir jetzt alles über den Haufen werfen, was wir je gemacht haben?

Sei transparent und gib deinen Teammitgliedern den Raum und die Möglichkeit, sich selbst zu äußern. Wo drückt der Schuh? Was für Erwartungen, aber auch was für Sorgen verbindet jeder mit dem Wechsel zu agilen Methoden?

Kurzum: Wirke unterstützend und sei bei allem transparent, denn das sind beides wesentliche Bestandteile des agilen Zusammenarbeitens.

Stufe 2: Grundlagen für agiles Marketing legen

Jetzt ist es an der Zeit, ein stabiles Grundgerüst für agiles Marketing im Team zu erarbeiten. Am besten nutzt du das Team-Model-Canvas als Planungshilfe. Hier könnt ihr eure Erwartungen, Ziele sowie Rollen und Regeln eintragen – einfach alles, was ihr braucht, um als agiles Team zusammenarbeiten zu können.

Im Verlauf der Zusammenarbeit könnt ihr in den Dailies, Retrospektiven und Reviews auf genau diese Grundlagen zugreifen und diese bei Bedarf neuen Gegebenheiten anpassen. Es ist das Fundament eurer agilen Zusammenarbeit. Es lohnt sich also, hier mit dem gesamten Team Zeit zu investieren und eure Mission herauszuarbeiten. Gerade in der Kommunikation mit Stakeholdern innerhalb der Organisation hilft euch das Canvas weiter.

Weiterhin solltest du dir darüber Gedanken machen, wie du den Arbeitsalltag von klassischem Projektmanagement auf agiles Arbeiten umstellst. Mein Tipp: Nutze ein riesengroßes Whiteboard oder gar eine lange und hohe Wand, um dort ein Kanban-Board mit Swimlanes einzurichten. Es hilft euch dabei, euer Backlog im Blick zu behalten, die Sprints zu planen und die Retrospektiven und Reviews zu organisieren.

Wichtig dabei: Ihr müsst euch als Team darauf einigen, wann etwas „erledigt“ ist – denn nur wenn allen klar ist, wann etwas „Done“ ist, wird der Prozess gelingen. Andernfalls ist dies ein häufiger Knackpunkt bei der Umstellung auf agiles Marketing.

Stufe 3: Transformation

Wenn du mit deinem Team die ersten beiden Schritte gegangen bist, könnt ihr mit der eigentlichen Transformation eurer Arbeit beginnen, an deren Ende agiles Zusammenarbeiten steht.

In dieser Übergangsphase empfehle ich dir, möglichst haptisch zu arbeiten. Wenn ihr beispielsweise mit einem Kanban-Board und Swimlanes arbeitet, dann solltet ihr das am Whiteboard entsprechend abbilden. Das geht gut mit farbigen extragroßen Post-its. Darauf kommen dann eure User-Stories und die Zuordnung zu Backlog (To Do), Doing und Done – wenn ihr eure Swimlanes klassisch aufbaut.

Natürlich kannst du mit deinem Team noch weitere Unterteilungen im Bereich „Doing“ vornehmen, also zum Beispiel „Content“ und „Design“, wenn es euch hilft. Mehr als sechs Swimlanes würde ich euch nicht empfehlen. Keep it short and simple! Und weil ich weiß, dass es im Marketing oft Projekte mit hoher Dringlichkeit und Priorität gibt, solltest du darüber nachdenken, eine „Fast Lane“ einzuführen. Aber sei streng mit den User-Stories, die du dort aufnimmst, sonst ist es bald die einzige Swimlane, in der Post-its kleben.

Das haptische Whiteboard hat für den Start auch noch den angenehmen Nebeneffekt, dass du mit deinem Team dort die Dailies abhalten kannst. Auch für eure Retrospektive ist dies der perfekte Ort.

Nun hast du alles: Einen Ort, einen Prozess und ein Regelwerk. Fehlen nur noch die Rituale, die das Bindemittel für deine agile Arbeitsweise bilden.

Stufe 4: Digitalisierung

Nun ist es an der Zeit, den Workflow zu digitalisieren und für noch mehr Transparenz und Sichtbarkeit zu sorgen. In der Praxis empfiehlt es sich, möglichst schnell vom Whiteboard auf digitale Tools umzusteigen, die eure Swimlanes und Projekte abbilden und euch bei der täglichen Zusammenarbeit unterstützen. Hier gibt es beispielsweise Trello, Asana und YouTrack, Microsoft Planner oder Jira.

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Tipp

Wenn du in deinem Unternehmen noch keine solche Lösung einsetzt, schau dir erst einmal verschiedene Tools mit deinem Team an. Vielleicht startet ihr auch zunächst mit einem kostenlosen Tool wie KanbanFlow. Mein persönlicher Favorit ist ClickUp, da es im Hinblick auf Marketingplanung und Workflows aus meiner Sicht noch mehr Vorteile bietet als nur Kanban für agile Projekte. Aber angesichts Hunderter unterschiedlicher Tools ist garantiert auch etwas für dich dabei.

Ein weiterer Vorteil von digitalen Tools ist die Möglichkeit der Einbeziehung deiner Stakeholder. Denn mit der Einführung von agilem Marketing kannst du Eigenwerbung betreiben und erreichen, dass andere im Unternehmen wahrnehmen, wie viele Projekte im Marketing parallel ablaufen und wie innovativ die Abteilung arbeitet.

Euer Backlog und eure Swimlanes könnt ihr dann im Intranet für alle zugänglich bereitstellen. Somit ist tagesaktuell und für jeden transparent sichtbar, welche Projekte gerade bearbeitet werden und welche Fortschritte gemacht werden.

Stufe 5: Weiterentwicklung

Die Einführung von Agilität ist selbst und für sich ein agiler Prozess. Entsprechend solltest du dich darauf einstellen, wie es weitergeht, nachdem du agiles Marketing eingeführt hast. Denn wie du siehst, ist der Weg hin zu einer agilen Marketingabteilung und Arbeitsweise gar nicht so schwer. Die eigentliche agile Arbeit im Tagesgeschäft dafür aber umso mehr. Sie bringt für dich und dein Team neue Herausforderungen mit sich, die es zu meistern gilt.

Das geht vielleicht schon damit los, dass du dich vom Whiteboard verabschieden musst und zu einem digitalen Großdisplay wechselst. Oder dass du dich als Führungskraft in einer selbstorganisierenden agilen Umgebung fragst, was jetzt deine Aufgaben sind. Oder wie du Stakeholder in die abteilungsinternen Prozesse und Rituale besser einbeziehen und eure agile Arbeitsweise im Unternehmen bekannter machen kannst. Und natürlich, wie ihr euch als Team weiterentwickelt.

Dazu empfehle ich dir, deine Retrospektiven um eine Retrospektiven-Retrospektive zu erweitern. Dabei geht es dann um eure Zusammenarbeit, um eure Tools und Prozesse sowie eure Glaubenssätze, die du mit deinem Team ganz zu Beginn definiert hast.

Agiles Marketing im Tagesgeschäft

Wenn du alle Stufen durchlaufen hast, dann bist du mit deinem Team im agilen Arbeiten angekommen. Nicht alles wird reibungslos verlaufen und es gibt etliche Stolperfallen, die auf dem Weg lauern.

Daily überziehen

Besonders oft erlebe ich es, dass das Daily zeitlich und inhaltlich ausartet. Hier braucht es neben klaren Regeln auch ein effizientes Time-Boxing mit Stoppuhr. Und ein klares Verständnis bei allen Teilnehmern, was beim Daily geschehen soll.

Erstens ist es kein Diskussions-Meeting. Wer Fragen hat, kann diese im Anschluss im One-to-One Gespräch stellen. Der Project Owner, der das Daily moderiert, kann aber entscheiden, ob eine Frage für das gesamte Team interessant ist. In der Praxis habe ich mit folgenden Fragen im Daily gute Erfahrungen gemacht: 

  • Wie geht es mir?
  • Was habe ich seit dem letzten Stand-up erledigt?
  • Was werde ich bis zur nächsten Stand-up tun?
  • Wobei benötige ich Hilfe?

Diese Fragen lassen sich meiner Erfahrung nach problemlos und kurz in zwei Minuten beantworten. Sei konsequent mit deinem Time-Boxing – eine überdimensionale Stoppuhr kann am Anfang und auch später dabei helfen, den Prozess zu unterstützen.

Fehlende Sprint-Ziele

Ein Sprint ohne Ziel klingt schon als Metapher unsinnig. Ein Ziel gibt Halt und sorgt für eine gleichgerichtete Kraftentfaltung, um es bildlich zu sagen. Deshalb ist es wichtig, dass du dich mit deinem Team auf ein klares, messbares und nachvollziehbares Ziel pro Sprint verständigst.

Im Praxisbeispiel ist es eine prozentuale Steigerung, es könnten aber auch beim agilen Website-Relaunch bestimmte Features sein, die fertig werden. Oder bei der anstehenden Messe klar definierte Leistungspakete, etwa, Werbemittel in genau spezifizierter Qualität und Quantität zu bestellen.

Erfahrungsgemäß ist das der Punkt, der am schnellsten vernachlässigt wird und der sich am deutlichsten auswirkt. Damit verlierst du mit deinem Team das entscheidende Momentum und damit einen großen Teil der Wirksamkeit von agilem Arbeiten: Verbindlichkeit und Transparenz. Also sei auch hier konsequent!

Mangelnde Transparenz

Agiles Marketing oder überhaupt agiles Arbeiten ist ohne Transparenz nicht möglich. Missmanagement, verschleppte Termine oder Ressourcenengpässe kommen in agilen Prozessen schonungslos auf den Tisch, spätestens in den Retrospektiven.

Natürlich stößt das auf Widerstand bei einzelnen Prozessbeteiligten, denn seine eigenen Verfehlungen im gesamten Team zu diskutieren ist für die meisten Mitarbeiter absolutes Neuland. Und es setzt eine vertrauensvolle Umgebung voraus: Was im agilen Team besprochen wird, bleibt im agilen Team.

Ein sicherer Raum ist die Grundvoraussetzung für Transparenz und eine offene Fehlerkultur. Dazu gehört auch, nicht mit dem Finger auf Personen zu zeigen. Es geht immer um das gemeinsame (!!!) Lösen einer Herausforderung. Und um das Lernen.

Zu viel Information

Transparenz ist eine Hol- und keine Bringschuld. In der Praxis ist es nämlich kontraproduktiv, wenn alle Informationen mit allen Teilnehmern geteilt werden – das führt zum Information-Overkill und verlangsamt den Prozess.

Natürlich müssen wichtige Informationen sofort beim Bekanntwerden geteilt werden, aber eben auch gefiltert. Wenn jemand mehr Details benötigt, muss diese Information angefragt und dann auch mitgeteilt werden. Das setzt einen gewissen Reifegrad voraus und ist nicht von Anfang an und über alle Mitarbeiter hinweg gleich gut ausgeprägt. Also hab ein Auge auf dein Team und entwickle es in die richtige Richtung.

Fehlendes Selbstvertrauen

Agile Teams sind selbstorganisierte Einheiten, die nach dem Prinzip „Inspect & Adapt“ agieren. Das setzt bei allen Beteiligten ein hohes Maß an Selbstvertrauen voraus. Und den Mut, die Dinge anzugehen – ohne doppelte und dreifache Absicherung.

Fehler passieren, selbst bei noch so guter Planung. Und je schneller du mit deinem Team Fehler machst und daraus lernst, desto besser werdet ihr als Team. Suche Einzelgespräche mit deinen Teammitgliedern und sprich offen mit ihnen. Sicherheit schafft Vertrauen – vor allem auch Selbstvertrauen.

Kein Coaching

Agiles Arbeiten ist ein rollierender Prozess. Die Liste der Stolperfallen ist noch weitaus länger als das, was ich hier angerissen habe. Für mich gehört zu jeder Agile-Einführung ein Agile Coach, der das Team begleitet. Leider wird dieser Aspekt in der Praxis allzu oft weggespart – mit fatalen Folgen für das Team. Und damit für den kurz-, mittel- und langfristigen Erfolg von agilem Marketing.

Agiles Marketing: Ein Change-Prozess

Der Übergang hin zu einer agilen Marketingorganisation ist weder leicht noch einfach und vor allem eines nicht: standardisiert. Du kannst meiner Anleitung folgen und wirst möglicherweise dennoch davon abweichen müssen, denn jedes Teammitglied, jedes Team und jedes Unternehmen ist anders. Du musst deinen eigenen Weg finden, der vielleicht mit einem agilen Framework wie Scrum und einem Kanban-Board beginnt, dich dann aber auf einen ganz anderen Weg führt. Agiles Marketing ist ein Change-Prozess, den du idealerweise in kleinen Schritten und mit guter Vorab-Planung angehen solltest.

Wichtig ist, dass du verstehst, dass Agilität keine Tool-Sammlung ist, auch wenn Scrum, Kanban und Co. dies auf den ersten Blick suggerieren. Vielmehr handelt es sich um eine innere Einstellung zur Bewältigung komplexer Aufgaben. Du kannst agile Prozesse auch ohne bunte Post-its, Dailies und Backlogs einführen. Diese Methoden und Visualisierungen helfen dir und deinem Team lediglich dabei, auf einem gemeinsamen Level zu arbeiten, die gleiche Perspektive auf das Ziel einzunehmen und sich als verschworene Gruppe diesem Ziel zu verschreiben.

Mein Tipp: Probier es einfach aus. Mach Fehler. Mach sie schnell und häufig. Lerne. Denn genau darum geht es bei agilem Arbeiten.

FAQ

An dieser Stelle möchten wir auf einige Fragen, die im Zusammenhang mit agilem Marketing häufig gestellt werden, eingehen.

Quellen:

 

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