Arbeitsverweigerung: Definition, wann eine Abmahnung gerechtfertigt ist und wann sie sogar zur Kündigung führen kann

Von Thomas Sesli, geprüft durch Ekaterina Broska (Google- und Hubspot-zertifiziert)
Aktualisiert am 22.05.2024 | Lesezeit ca. Min.

Arbeitsverweigerung bleibt nicht ganz ohne Konsequenzen. Zumal es ein komplexes Thema ist, das sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer vor Herausforderungen stellt. Um angemessen damit umzugehen, ist es wichtig, die unterschiedlichen Arten der Arbeitsverweigerung und ihre Auswirkungen zu kennen.

In diesem Artikel setzen wir uns mit dem Themenkomplex Arbeitsverweigerung auseinander und erörtern, in welchen Fällen eine Abmahnung gerechtfertigt ist und wann sogar eine Kündigung drohen kann.

Dabei richten wir das Augenmerk auf:

  • Erkennungsmerkmale der Arbeitsverweigerung
  • Die verschiedenen Arten der Arbeitsverweigerung
  • Legitime Gründe für Arbeitsverweigerung

Arbeitsverweigerung im Detail

Arbeitsverweigerung ist ein vielschichtiges Thema, das verschiedene Erscheinungsformen, Erkennungsmerkmale und legitime Gründe beinhaltet. Werfen wir einen genaueren Blick auf diese Aspekte.

Arten und Beispiele von Arbeitsverweigerung

Arbeitsverweigerung umfasst diverse Verhaltensweisen, die darin resultieren, dass die Arbeitspflicht nicht erfüllt wird. Hier einige Beispiele:

  • Leistungsverweigerung: Ein Arbeitnehmer ignoriert Arbeitsanweisungen, weigert sich, Arbeitsleistungen zu erbringen oder trägt unentschuldigt nicht zum Arbeitsprozess bei.
  • Fernbleiben: Ein Arbeitnehmer bleibt unangekündigt und ohne triftigen Grund dem Arbeitsplatz fern.
  • Arbeitsniederlegung: Arbeitnehmer setzen ihre Arbeit in Form von Streiks aus, um für bessere Arbeitsbedingungen einzutreten.

Hier kommt das Weisungsrecht des Arbeitgebers ins Spiel, das sich aus dem Direktionsrecht gemäß § 106 GeWo oder § 315 BGB ergibt und im Arbeitsvertrag festgehalten ist. Kurz gesagt ist das Direktionsrecht das Recht des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer bestimmte Aufgaben zuzuweisen.

Erkennungsmerkmale einer Arbeitsverweigerung

Um Arbeitsverweigerung zu identifizieren, sollten Arbeitgeber auf folgende Anzeichen achten:

  • Abneigung oder Weigerung, Arbeitsanweisungen zu befolgen oder die vertraglich vereinbarten Hauptpflichten zu erbringen.
  • Mangelnde Einhaltung von Überstunden oder anderen im Arbeitsvertrag vereinbarten Aufgabenbereichen.
  • Häufiges unentschuldigtes Fernbleiben oder Verspätungen ohne nachvollziehbaren Grund.

Legitime Gründe für Arbeitsverweigerung

Es gibt allerdings auch Situationen, in denen Arbeitnehmer das Recht auf Leistungsverweigerung haben und die Arbeitsverweigerung daher gerechtfertigt ist. Im Folgenden einige legitime Gründe:

  • Gesundheitsgefährdend oder unzumutbar: Sofern die Arbeit nach § 618 BGB gesundheitsgefährdend oder unzumutbar ist, kann ein Arbeitnehmer die Ausführung ablehnen. Dies betrifft insbesondere riskante oder unrechtmäßige Arbeiten, etwa in Arbeitsumgebungen mit schlechter Luftqualität oder übermäßiger Lärmbelastung.
  • Glaubenskonflikt oder Gewissenskonflikt: Ein Arbeitnehmer darf sich der Arbeit verweigern, wenn diese gegen seine religiösen und moralischen Überzeugungen verstößt oder der Arbeitnehmer in einem Glaubenskonflikt steht.
  • Einzel- oder Gesamtarbeitsvertragliche Regelungen: Das Verweigern der Arbeit kann zulässig sein, wenn sie vertraglich festgehalten ist, etwa im Einzel- oder Tarifvertrag wie im Falle eines Streiks nach § Art. 9 GG.

Aktuelle Urteile zu Kündigung und Verweigerung

  • Unberechtigte Arbeitsverweigerung: Das Bundesarbeitsgericht fällte das Urteil, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sei, wenn ein Arbeitnehmer beharrlich und ohne berechtigten Grund die Arbeitsleistung verweigert. Diese rechtliche Anweisung gilt aber nur nach bereits erfolgter Abmahnung.
  • Home-Office: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg kam zu der Einschätzung, dass eine Kündigung unwirksam ist, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit im Home-Office verweigert, sofern der Arbeitsvertrag keine Regelungen zur Änderung des Arbeitsorts enthält. Sollte dies der Fall sein, dann liegt keine Arbeitsverweigerung vor.
  • Keine abgegoltene Überstunden: Das Sozialgericht Stuttgart urteilte, dass unbezahlt gebliebene Überstunden den Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres zur Arbeitsverweigerung berechtigen. Das Zurückbehaltungsrecht muss konkret und ordnungsgemäß gegenüber dem Arbeitsgeber geltend gemacht werden, ansonsten droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld.

Mögliche Sanktionen und rechtliche Konsequenzen

Begegnest du einer Arbeitsverweigerung, ist es wichtig, die möglichen Sanktionen und rechtlichen Konsequenzen zu kennen und angemessen anzuwenden.

Im Folgenden erhältst du einen Überblick über das Vorgehen in solchen Fällen:

Ermahnung und disziplinarisches Gespräch

In der ersten Instanz kann eine Ermahnung oder ein disziplinarisches Gespräch zielführend sein. Ein offener Dialog trägt dazu bei, Missverständnisse und Konflikte aufzulösen und eventuell eine einvernehmliche Lösung zu finden. Achte darauf, stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Abmahnung: Voraussetzungen und Folgen

Die Abmahnung nach § 314 Abs. 2 BGB stellt ein Instrument des Arbeitsrechts dar, welches bei Verstößen gegen das Arbeitsverhältnis, etwa bei Arbeitsverweigerung, zum Einsatz kommen kann. Die Abmahnung hat eine warnende Funktion und fordert den Arbeitnehmer auf, das beanstandete Verhalten zukünftig zu ändern.

Um rechtswirksam zu sein, muss die Abmahnung bestimmte Kriterien erfüllen. Dazu zählen eine präzise Beschreibung des Fehlverhaltens sowie eine unmissverständliche Aufforderung zur Besserung. Im schlimmsten Fall kann eine Abmahnung als Grundlage für eine verhaltensbedingte Kündigung dienen.

Alles rund um das Thema Abmahnung findest du hier:

Kündigung: Voraussetzungen und Arten

Arbeitsverweigerung kann als Kündigungsgrund in Betracht gezogen werden. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet jedoch in einer Einzelfallprüfung, ob ein ausreichender Verstoß bei Nichterfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten vorliegt und in welchem Maße das Arbeitsverhältnis durch das Verhalten des Arbeitnehmers gefährdet ist.

Je nach Schwere des Verstoßes kann die Kündigung entweder ordentlich oder fristlos erfolgen. Die Details zu den verschiedenen Kündigungsarten und deren Voraussetzungen findest du im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und in der zugehörigen Rechtsprechung.

Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers

Fügt die Arbeitsverweigerung dem Arbeitgeber einen Schaden zu, kann dieser Schadensersatzansprüche geltend machen. Hierfür muss der Arbeitgeber nachweisen, dass der Schaden aufgrund der Arbeitsverweigerung entstanden ist. Ist dies der Fall, kann der Arbeitnehmer für den entstandenen Schaden haftbar gemacht werden.

Fristlose Kündigung bei Arbeitsverweigerung: Möglich?

Eine fristlose Kündigung ist denkbar, sofern die Arbeitsverweigerung einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten begründet und das Arbeitsverhältnis dadurch nachhaltig beeinträchtigt wird.

Weitere Gründe, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen, erklärt Rechtsanwalt Markus Wehner:

Dennoch ist hier eine Einzelfallprüfung erforderlich. Bei Unklarheiten bezüglich der Rechtmäßigkeit einer fristlosen Kündigung sollte eine Kündigungsschutzklage in Erwägung gezogen werden.

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Lesetipp

Auf acquisa findest du einen ausführlichen Artikel zu diesem Thema: Fristlose Kündigung: Definition, Gründe und alles, was Arbeitnehmer 2024 wissen müssen.

Lohnfortzahlung bei Arbeitsverweigerung

Grundsätzlich gilt die Regel: Ohne Arbeit kein Lohn.

Bei gerechtfertigter Arbeitsverweigerung kann der Arbeitnehmer jedoch eventuell weiterhin Anspruch auf Lohnfortzahlung haben. Um die Rechte und Pflichten als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer korrekt einschätzen zu können, empfiehlt es sich, bei Bedarf fachkundige Beratung einzuholen.

Vorgehensweise bei Arbeitsverweigerung

Um den richtigen Umgang mit Arbeitsverweigerung zu ermitteln, ist zunächst eine sorgfältige Überprüfung des Arbeitsvertrags und des Weisungsrechts notwendig.

Arbeitsvertrag und Weisungsrecht prüfen

Als Arbeitgeber solltest du vor rechtlichen Schritten gegen einen Mitarbeiter deinen Arbeitsvertrag sowie dein Weisungsrecht genau unter die Lupe nehmen. Stelle dabei sicher, dass die Anweisungen klar und verständlich formuliert sind und im Einklang mit dem Arbeitsrecht stehen.

Prüfe auch, ob deine Forderungen an den Mitarbeiter den gesetzlichen Rahmenbedingungen und dem Arbeitsvertrag entsprechen.

Arbeitsverweigerung: zulässig oder nicht?

Es gibt Situationen, in denen ein Arbeitnehmer berechtigte Gründe für die Arbeitsverweigerung haben kann. In solchen Fällen ist es wichtig, die Ursachen des Fehlverhaltens aufzudecken und zu beurteilen, ob ein angemessener Handlungsspielraum für den Arbeitnehmer besteht.

Wenn eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers betroffen ist, solltest du diese sorgfältig bewerten und entsprechend umsetzen.

Eskalationsstufen: Ermahnung, Abmahnung und Kündigung

Wenn keine zulässigen Gründe für die Arbeitsverweigerung vorliegen und die Arbeitspflicht unter eine rechtliche Nichterfüllung fällt, sollten folgende Eskalationsstufen beachtet werden:

  • Ermahnung: Eine Ermahnung dient dazu, das Fehlverhalten direkt anzusprechen und den Mitarbeiter auf das unerwünschte Verhalten im Rahmen der Verweigerung aufmerksam zu machen.
  • Abmahnung: Sollte das Fehlverhalten weiterhin bestehen, kann eine schriftliche Abmahnung erfolgen. Hierbei wird der Arbeitnehmer über sein Fehlverhalten abgemahnt und darauf hingewiesen, dass eine erneute Arbeitsverweigerung weitere rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, wie etwa die verhaltensbedingte Kündigung.
  • Ordentliche oder fristlose Kündigung: Wenn der Mitarbeiter trotz einer oder mehrerer Abmahnungen weiterhin die Arbeit verweigert, besteht die Möglichkeit einer Kündigung. Achte dabei darauf, alle relevanten Schritte und Voraussetzungen lückenlos zu dokumentieren.

Beachte jedoch, dass eine fristlose Kündigung nur in Betracht gezogen werden darf, wenn es sich um eine besonders schwerwiegende und wiederholte Arbeitsverweigerung handelt.

Arbeitsverweigerung: 4 Schlüsselelemente für richtiges Handeln

Präventive Maßnahmen und Alternativen

Um Arbeitsverweigerung vorzubeugen oder aufzulösen, sind präventive Maßnahmen und alternative Handlungsoptionen im Unternehmen von großer Wichtigkeit.

Hier erfährst du, welche Strategien dir dabei helfen können:

Ursachen identifizieren und vermeiden

Arbeitgeber sollten die Ursachen von Arbeitsverweigerung erkennen und gezielt angehen. Zu den möglichen Gründen zählen beispielsweise unberechtigte Weisungen, Lohnrückstände oder Verstöße gegen Haupt- und Nebenpflichten des Arbeitsvertrags.

Um diese Ursachen zu beheben, bieten sich Lösungsansätze wie fristgerechte Lohnzahlungen, die Einhaltung der Fürsorgepflicht oder die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Weisungen an. Bei Unsicherheiten bezüglich Haupt- oder Nebenpflichten im Arbeitsvertrag ist es ratsam, Experten einzubeziehen.

Dialog und Konfliktmanagement im Unternehmen

Eine offene Kommunikation und ein adäquates Konfliktmanagement tragen zu einem positiven Arbeitsklima bei und helfen, Arbeitsverweigerung zu vermeiden. Arbeitgeber und Mitarbeiter sollten regelmäßig miteinander kommunizieren und mögliche Probleme offen ansprechen.

Durch Gespräche, welche die Interessen beider Parteien berücksichtigen, lassen sich Schwierigkeiten lösen oder umgehen. Bei Konflikten kann auch die Einbeziehung von externen Mediatoren oder Schlichtern in Betracht gezogen werden, um eine Eskalation zu verhindern.

Mögliche Alternativen zur Arbeitsverweigerung für Arbeitnehmer

Für den Angestellten, der unter Umständen seine Arbeit aufgrund beharrlicher Arbeitsverweigerung riskiert, empfiehlt es sich, Alternativen in Betracht zu ziehen.

Hierzu zählen:

  • Ein offenes Gespräch mit dem Arbeitgeber zur Klärung von Missverständnissen oder der Rechtmäßigkeit von Weisungen
  • Die Inanspruchnahme des Betriebsrats (falls vorhanden), um Unterstützung bei der Klärung von Konflikten oder arbeitsrechtlichen Fragen zu erhalten
  • Das Einholen rechtlichen Rats, um sich über die eigenen Rechte und Pflichten im Klaren zu sein

Wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer nicht auflösbaren Situation weiterhin belastet ist, bietet sich die Möglichkeit, unter Beachtung der Kündigungsfrist den Arbeitsvertrag zu beenden.

Fazit: Arbeitsverweigerung und ihre Konsequenzen

Arbeitsverweigerung ist ein komplexes Thema, das unterschiedliche Verhaltensweisen, Erkennungsmerkmale und berechtigte Gründe in sich vereint. Für Arbeitgeber ist es grundlegend, die adäquaten Schritte im Umgang mit Arbeitsverweigerung zu wissen und passende Sanktionen sowie präventive Maßnahmen durchzuführen.

Die Hauptpunkte dieses Artikels lauten:

  • Weisungsrecht: Bevor rechtliche Schritte eingeleitet werden, sollten das Arbeitsverhältnis und das Weisungsrecht des Unternehmens überprüft werden.
  • Eskalationsstufen: Ermahnung, Abmahnung und Kündigung sind angemessen, sofern keine zulässigen Gründe für die Arbeitsverweigerung vorliegen.
  • Prävention: Eine offene und ehrliche Kommunikation und gezieltes Beseitigen von Ursachen können Arbeitsverweigerung effektiv verhindern und bestehende Probleme klären.

Ziehe diese Punkte in Betracht und überdenke, wie du mögliche Situationen der Arbeitsverweigerung in deinem Unternehmen bewusst angehen und nachhaltig lösen kannst.

Dabei ist es wichtig, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das Kommunikation und frühzeitiges Lösen von Konflikten fördert, um potenzielle arbeitsrechtliche Schwierigkeiten zu vermeiden.

Disclaimer

Dieser Beitrag ist nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig zusammengestellt. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit und Ausschließlichkeit der Inhalte gestellt. Die in diesem Beitrag zur Verfügung gestellten Informationen sind unverbindlich, ersetzen keine juristische Beratung und stellen keine Rechtsauskunft dar.

FAQ

Hier finden sich die Antworten auf häufige Fragen.

Quellen:

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